Mit dem deutschen Überfall auf Polen am 1. September 1939 begann ein Vernichtungskrieg, der mit der gewaltsamen Umsetzung einer Eroberungspolitik im Osten an deutsche Annexionspläne aus dem Ersten Weltkrieg (und der Zeit davor) anknüpfte. Schon während der Besetzung Litauens 1915/1918 hatte die Vision von einem „deutschen Lebensraum im Osten“ reale Konturen erhalten (Litauische Geschichte). Wissenschaftler zahlreicher Fachrichtungen, die von dieser „ostkolonialen Mission“ überzeugt waren, bauten nach der Kriegsniederlage von 1918 auf diesen Vorstellungen auf. 1933 wurden sie durchdrungen von der Ideologie der Überlegenheit der germanischen Rasse und der Unterlegenheit „nicht-germanischer“ Völker.

In seinen Funktionen als SS-Befehlshaber und Chef des Reichskommissariats für die Festigung des deutschen Volkstums erteilte Heinrich Himmler unmittelbar nach dem Überfall auf die Sowjetunion (22. Juni 1941) den Auftrag, eine Konzeption für die „Germanisierung“ der eroberten Gebiete in Mittel- und Osteuropa zu entwickeln. Die gesamte osteuropäische Landmasse bis zum Ural sollte zum deutschen Siedlungsgebiet werden. Die verschiedenen Entwürfe wurden im Reichssicherheitshauptamt (RSHA) unter Leitung des Agrarwissenschaftlers Konrad Meyer, Chef der Hauptabteilung „Planung und Boden“, zusammengefasst. In Zusammenarbeit mit weiteren Institutionen – insbesondere dem Netzwerk der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) – entstand die Konzeption. Im Mai 1942 wurde Himmler als Ergebnis der „Generalplan Ost“ vorgelegt. Demnach sollten viele Millionen Menschen aus Russland, Polen, der Ukraine und der Tschechoslowakei nach Sibirien zwangsumgesiedelt bzw. versklavt oder vernichtet werde (Benz 2007). Für die Realisierung wurden mehrere Fünfjahresabschnitte vorgesehen. Oberstes Ziel war die „Germanisierung“ der eroberten Gebiete durch deutsche Siedler. Die dort lebenden „Fremdvölker“ sollten als Arbeitssklaven unter die Aufsicht der deutschen Siedler gestellt werden. Der SS wurde eine dominierende Stellung im Osten garantiert. „Der Generalplan Ost verband akademische Forschung, rationale Planung und nationalsozialistische Eroberungs- und Vernichtungspolitik“ (DFG 2006).

Sowohl in den eroberten westpolnischen Gebieten, die ans Deutsche Reich annektiert wurden (eingegliederte Gebiete), als auch im Generalgouvernement kam es zu Vertreibungen von Polen und Juden und der Ansiedlung von Volksdeutschen (Warthegau, Zamość-Region). Mit den baltischen Republiken, der Sowjetunion und Rumänien wurden bilaterale Verträge geschlossen, die die Aussiedlung der Volksdeutschen regelten.

Anfang 1941, noch vor dem Überfall auf die Sowjetunion, wurden auch „Litauendeutsche“ in die eingegliederten Gebiete Westpolens umgesiedelt (Hitler-Stalin-Pakt). Aber schon 1942 wurden sie von dort wieder zurückgeholt und zu Lasten von litauischen und polnisch-litauischen Landwirten im litauischen Besatzungsgebiet neu angesiedelt. 

Der Generalplan Ost wurde jedoch nicht realisiert, weil die militärischen Erfolge ausblieben. Nach der endgültigen Kriegswende (Stalingrad 1942/43) brach die „Germanisisierung“ rasch in sich zusammen.

Literatur / Medien
Aly, Götz / Heim, Susanne: Vordenker der Vernichtung. Auschwitz und die deutschen Pläne für eine neue europäische Ordnung, Frankfurt/Main 1993; Benz, Wolfgang: Generalplan Ost, in: Enzyklopädie des Nationalsozialismus, hrsg. von Wolfgang Benz, Hermann Graml, Hermann Weiß, München 2007; Dieckmann 2011, Bd. 1, S.741ff.; Klein, Peter: Generalplan Ost, in: Kochanowski, Jerzy / Kosmala, Beate  (Hg.): Deutschland, Polen und der Zweite Weltkrieg. Geschichte und Erinnerung. 2. Aufl., Potsdam/Warschau 2013, S. 288f.; Rössler, Mechtild / Schleiermacher, Sabine (Hg.): Der „Generalplan Ost“. Hauptlinien der nationalsozialistischen Planungs- und Vernichtungspolitik, Berlin 1993; Wissenschaft, Planung, Vertreibung. Der Generalplan Ost der Nationalsozialisten. Eine Ausstellung der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG), 2006 (unter www.dfg.de/generalplan-ost, Zitat Kapitel: Wissenschaft→Forschung für die Politik der Nationalsozialisten).

https://en.wikipedia.org/wiki/Generalplan_Ost