Der Begriff „Staatenimmunität“ bezeichnet u. a. die Auswirkung eines in seiner Tragweite umstrittenen völkerrechtlichen Grundsatzes, wonach individuelle Klagen einzelner Bürgerinnen und Bürger gegen einen fremden Staat und dessen „hoheitlichen Akte“ (z. B. auf Entschädigung oder Schmerzensgeld wegen an ihnen begangener Verbrechen) ausgeschlossen sind, weil Staaten gegen Individualklagen „immun“ seien. Diesen Grundsatz hat der Internationale Gerichtshof in Den Haag (IGH) in seinem Urteil vom 3. Februar 2012 bestätigt und Urteile italienischer Gerichte, die z.B. den Opfern von Kriegsverbrechen aus Civitella Val di Chiana Entschädigung durch die Bundesrepublik zugesprochen hatten, für unwirksam erklärt. Der IGH hielt nach einer Klage der Bundesregierung gegen die italienischen und griechische Gerichtsurteile und deren Vollstreckung an dieser Rechtsauffassung auch in Fällen schwerster Verbrechen gegen Menschenrechte fest, obwohl dieser Grundsatz seit den Urteilen der Internationalen Gerichtshöfe (Nürnberger Prozesse) nach dem Zweiten Weltkrieg eingeschränkt, zumindest jedoch umstritten ist. Wenn es bei dieser Rechtsauslegung bliebe, hätte der IGH die zivilen Opfer deutscher Kriegsverbrechen in Italien und in Griechenland, die von dieser Entscheidung betroffen sind, faktisch rechtlos gestellt und ihnen jeglichen Rechtsschutz gegen den deutschen Staat, der eine Pflicht zur Entschädigung ziviler Opfer ablehnt, entzogen.
Das italienische Verfassungsgericht hat in einer grundsätzlichen Entscheidung vom 22. Oktober 2014 der IGH-Rechtsprechung, die vom italienischen Parlament 2013 in ein aktuelles Gesetz umgesetzt worden war, die Zustimmung verweigert: es sei mit der italienischen Verfassung unvereinbar; denn diese garantiere die Menschenwürde und das Recht auf Zugang zu Gerichten in Fällen schwerster Menschenrechtsverletzung. Die vor italienischen Gerichten eingeleiteten Gerichts- und Vollstreckungsverfahren sind somit nach wie vor nicht entschieden. Zentraler Streitpunkt wird die Antwort auf die Frage bleiben, ob der völkerrechtliche, Jahrzehnte vor dem Zweiten Weltkrieg entwickelte Grundsatz der Staatenimmunität weiterhin ausnahmslos gelten soll oder ob er nicht in Fällen schwerer Menschenrechtsverletzungen und Kriegsverbrechen während des Zweiten Weltkriegs zurücktreten und ein individueller Schadensersatzanspruch gegen einen Staat anerkannt werden muss.

Literatur/Medien:
Urteil des Italienischen Verfassungsgerichts vom 22. Oktober 2014 (Auszüge) in: Kritische Justiz 2015 (Heft 2, S. 202 ff); Fischer-Lescano, Andreas: Schadensersatz bei Menschenrechtsverletzungen; a.a.O. S. 201 ff. mit weiteren Literaturhinweisen; Zusammenfassende Darstellung bei Martin Klingner / Jan Krüger: Der Fall Distomo, in: Kleiser, Paul B. (Hg): Griechenland im Würgegriff. Ein Land der EU-Peripherie wird zugerichtet, 3. aktuelle überarbeitete Auflage. Karlsruhe 2015, S. 154 ff.; de.wikipedia.org/wiki/Staatenimmunität