Region Trentino-Südtirol (Alto Adige) / Provinz Bozen (Bolzano)

Informationstafel im Rahmen der Stadtrundgänge Die Stadt
Bozen (Bolzano), die Hauptstadt der mit Autonomierechten ausgestatteten Doppelregion Trentino-Südtirol mit heute über 105.000 Einwohner/innen, ist mit Bahn und PKW/Bus gut erreichbar. Die Stadt war vom September 1943 bis Mai 1945 Sitz des Obersten Kommissars der Operationszone Alpenvorland.

Die Ereignisse
Nach dem Einmarsch der Wehrmacht am 8. September 1943 konnte sich das Okkupationsregime mit dem Obersten Kommissar, dem Tiroler Gauleiter Franz Hofer, auf die euphorische pro-deutsche Stimmung und die Kollaborationsbereitschaft vieler Deutsch-Südtiroler stützen. Die Besatzungsverwaltung etablierte sich auch deshalb problemlos, weil seit dem „Optionsvertrag“ von 1939 neben der italienischen faktisch eine deutsche Parallelverwaltung entstanden war. Bozen war das administrative Machtzentrum der „Operationszone“ für den Gestapo-, SS- und Polizeiapparat, nicht zuletzt auch für den paramilitärischen Südtiroler Ordnungsdienst (SOD) und für die kollaborierende „Arbeitsgemeinschaft der Optanten“ (AdO), einer Organisation der zur Übersiedelung in das Deutsche Reich bereiten Südtiroler. In Bozen wurde ein „Sondergericht für die Operationszone Alpenvorland“ eingerichtet, von Bozen aus agierte die SS-Sicherheitspolizei mit einem eigenen „Judenreferat“, das am 12. September 1943, bereits drei Tage nach dem deutschen Einmarsch, die erste Verhaftungswelle gegen Juden in Italien überhaupt anordnete und am 16. September 1943 auch durchführen ließ. Die AdO hatte schon 1942 „Judenlisten“ angelegt und war in die Verhaftungsaktion der Juden unmittelbar eingebunden.

Im damaligen Bozener Vorort Gries, heute ein Stadtteil Bozens, wurde im Sommer 1944 – als Ersatz für das aufgelöste Lager Fossoli bei Carpi – das neue Durchgangslager Bozen Gries errichtet. Viele der Inhaftierten haben Misshandlungen durch das Wachpersonal, die grausamen Haftbedingungen und die Strapazen schwerer Zwangsarbeit nicht überlebt, ungefähr 3.500 Häftlinge wurden in Konzentrationslager deportiert, etwa 300 Häftlinge wurden im dem Lager selbst hingerichtet. (Judenverfolgung)

Gedentafel am Carabinieri-OberkommandoDer Bozener Gestapo gelangen zwei folgenschwere Aktionen gegen den Widerstand des italienischen Nationalen Befeiungskomitees (CLN): im Juli 1944 wurden im Raum Riva/Rovereto (Provinz Trentino) 11 Resistenza-Angehörige getötet, 60 wurden verhaftet, unter ihnen der CLN-Anführer Giannantonio Manci, der in der Bozener Gestapozentrale inhaftiert und gefoltert wurde, und der bei einem Verhör durch die Gestapo den Freitod wählte, um seine Gefährten nicht unter der Folter zu verraten; im Dezember 1944 wurde die CLN-Organisation in Bozen selbst zerschlagen, ihr Anführer Manlio Longon wurde am 1. Januaur 1945 während eines Gestapoverhörs ermordet. Zahlreiche der gefangenen Resistenza-Mitglieder wurden im Lager Bozen-Gries inhaftiert und zum Teil von dort aus in das KZ Mauthausen deportiert.

Verantwortlich für die Repressionsmaßnahmen und die Bekämpfung des Widerstandes in Bozen waren u.a. der Chef der Sicherheitspolizei Rudolf Thyrolf und die ihm unterstellten SS-Sturmbannführer bzw. SS-Untersturmbannführer August Schiffer und Heinz Andergassen. Die beiden letztgenannten wurden nach 1945 wegen der Ermordung gefangen genommener allierter Soldaten in einem Militärgerichtsprozess zum Tode verurteilt und 1946 hingerichtet. Schiffer und Andergassen waren auch die Mörder des am 1. Januar umgebrachten Leiters des Bozener Widerstandes, Manlio Longon.

Gedenken

Gemeinsames Projekt:
2003 hat die Stadt Bozen im Rahmen eines künstlerischen Ideenwettbewerbs drei Gedenkstätten zu einem gemeinsamen Projekt verbunden: den Gedenkort für das Lager Bozen-Gries; den Gedenkort vor dem Virgltunnel, der an die u.a. dort zur Zwangsarbeit eingesetzten Häftlinge erinnert, und den Ort der Erinnerung an die in die deutschen Konzentrationslager Deportierten in der Pacinottistraße. Die Stadt bietet im Rahmen ihrer historischen Stadtrundgänge („Historische Stätten und Objekte / I luoghi di memoria“) im Internet und in Form eines Faltblattes u.a. die „Routen 1943–1945“ an (Faltblatt als PDF). 

 4.-November-Platz:
Unter den Gedenkorten befindet sich u.a. am 4.-November-Platz das Carbinieri-Oberkommando, in dem 1943–1945 die Polizeiämter, die Sicherheitsdienste und das Sondergericht der NS-Besatzung ihren Sitz hatten. Zwei Gedenktafeln erinnern dort an Giannantonio Manci und für Manlio Longon, Anführer des Widerstandes im Trentino und in Bozen, die in den Verhörzellen dieses Gebäudes den Tod gefunden haben. 

Denkmal für die ZwangsarbeiterVirgltunnel:
Ein Denkmal der Bozener Künstlerin Christine Tschager erinnert an die hier eingesetzten Zwangsarbeiter aus dem Lager Bozen Gries, die vom Winter 1944 bis zum Frühjahr 1945 für den Bau des Tunnels eingesetzt wurden. Maschinen der Industria Meccanica Italiana (IMI), die Kugellager für den Rüstungsbedarf erzeugte, waren von Ferrara hier in den Virgltunnel verlegt worden. Das Denkmal befindet sich kurz hinter der Kreuzung St.Gertraud-Weg / Claudia-Augusta-Straße, an dem Einbahnsträßchen, das zum Virgltunnel führt (am Rand der CONI-Anlage).

 

 

 

 

 Piazzetta I 23  del MignoneNamen der OpferPiazzetta I 23 del Mignone:
Der Platz wurde dem Andenken an 23 Gefangene aus dem Lager Bozen-Gries gewidmet, die an dieser Stelle am 12. September 1944 erschossen worden waren. Diese Opfer waren ehemalige italienische Soldaten, die Kontakte zu den Alliierten aufgenommen hatten, dabei gefangen genommen, zunächst in Verona inhaftiert und danach in das Lager Bozen-Gries gebracht wurden. Die Piazetta I 23 del Mignone erreicht man von der Claudia-Augusta-Straße aus rechts in die Parkstraße einbiegend, am Ende dieser Straße im Areal der ehemaligen Mignone-Artillerie-Kaserne, auf dem heute eine Wohnanlage steht.

 

 

Denkmal am Hadrianplatz

Hadrianplatz:
Auf dem Hadrianplatz (an der Kreuzung Drususallee / Italienallee) wurde von dem Bozener Künstler Claudio Trevi 1955 ein Denkmal errichtet, das an alle Zivilpersonen und Soldaten erinnert, die während der Befreiungskämpfe getötet wurden.

Etwas abseits der Drususallee liegt der Olimpia-Carpi-Park, den die Stadt Bozen 2003 dem dreijährigen jüdischen Mädchen mit diesem Namen gewidmet hat, das bei der gegen die Juden gerichteten Verhaftungswelle im September 1943 mit seinen Eltern verhaftet und danach deportiert worden ist.  Im Jahr 2015 wurden in Gedenken an Olimpia Carpi und ihre Eltern in der Via Antonio Rosmini Stolpersteine verlegt (s.u.).

A.-Volta- /Pacinottistraße:
Eine Gedenktafel für die von der Nazi-Besatzung am 3. Mai 1945 getöteten Arbeiter der Lancia-Fabrik (heute Iveco) befindet sich auf der rechten Seite der A.-Volta-Straße in der Nähe des Kreisverkehrs A-Volta-/Pacinotti-Straße. Direkt am Kreisverkehr ist eine Tafel zur Erinnerung an die Betriebe, die während der Besatzungszeit mit dem Widerstand zusammenarbeiteten und junge Männer einsetzten, die sich auf diese Weise dem Wehrdienst entziehen konnten. Von Kreisverkehr aus in der Pacinottistraße befindet sich auf der linken Seite  ein Gedenkort für die 13 von hier abgegangenen Transporte, mit denen Häftlingen aus dem Lager Bozen-Gries in die Todeslager deportiert wurden.