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Departement Moselle

Hauptort: Metz

Lage des Departements Moselle (Quelle: Wikipedia)

Wappen des Departements Moselle (Quelle Wikipedia)

Einführung
Das Departement im Nordosten Frankreichs hat 2,4 Mio Einwohner/innen (1936: 1,86 Mio.). Es war im 19. und 20. Jahrhundert ein Zentrum des lothringischen Kohle- und Erzbergbaus und der Stahlindustrie. Alle Gruben sind geschlossen, der letzte Hochofen wurde 2013 ausgeblasen, es gibt aber noch Metall- und andere Industrie.
Die heutigen Grenzen erhielt das 'Moselgebiet' 1871 durch den deutsch-französischen Friedensvertrag. Das Reich beanspruchte die deutschsprachigen Gebiete (einschließlich der Kreise Château-Salins und Sarrebourg im damaligen Departement Meurthe), wollte sich aber auch Teile der Erzgruben und Stahlindustrie im französischsprachigen Pays Messin (um Hagondange) sichern; das Erzbecken um Briey dagegen wurde dem geschaffenen Departement Meurthe-et-Moselle zugeschlagen und blieb französisch. 1918 (und 1945) wurden die Departementsgrenzen beibehalten.
Bei Kriegsbeginn im September 1939 wurden die Einwohner/innen aus grenznahen Gemeinden nach Südfrankreich evakuiert, tausende flohen vor den im Mai/Juni 1940 heranrückenden deutschen Truppen (vgl. Artikel 'Exode'). Vielen von ihnen verwehrten die Deutschen die Rückkehr in ihre Dörfer und Städte.

Annexion, Germanisierung, Nazifizierung

Das Moselgebiet wurde im Sommer 1940 faktisch von Nazideutschland annektiert und so behandelt, als ob es Teil des „Großdeutschen Reichs“ sei. NS-Gauleiter Josef Bürckel wurde „Chef der Zivilverwaltung (CdZ)“ und Leiter des mit Saar und Pfalz zusammengelegten NSDAP-Gaus ‚Westmark‘. Die Verwaltungsspitzen wurden mit Deutschen besetzt, SiPo/SD/Gestapo als Polizeiorgane installiert, ein deutsches Sondergericht in Metz errichtet, einige Gemeinden zu Groß-Städten zusammengelegt (z.B. Hagondange, Moyeuvre-Grande), Forbach Stadtteil von Saarbrücken. Innerhalb von 10 Jahren sollte das Moselgebiet germanisiert und nazifiziert sein. Die französischen Namen wurden eingedeutscht, deutsch als Amts- und Unterrichtssprache vorgeschrieben, Hitlerjugend und Bund Deutscher Mädel verbindlich, 1941 der Reichsarbeitsdienst und im August 1942 die Wehrpflicht in der deutschen Wehrmacht eingeführt. Letztlich wurden 30000 junge Männer (und später auch Frauen) gegen ihren Willen („Malgré-nous“) zwangsrekrutiert und vor allem an der Ostfront eingesetzt, etwa 8000 starben im Krieg oder Gefangenschaft, rund 7000 hatten sich dem entzogen oder waren desertiert (vgl. Denkmäler in Amnéville, Forbach, Montigny-lès-Metz).
Gauleiter Bürckel betrieb eine Bevölkerungspolitik teils nach völkischen Gesichtspunkten („ethnische Säuberung“), teils nach der politischen Gesinnung. Im Herbst 1940 wurden die verbliebenen Juden nach Südfrankreich transportiert und dort in Lagern wie Gurs interniert; die meisten wurden anschließend in die Vernichtungslager deportiert, wo fast alle ums Leben kamen, allein aus Metz über 1500. Ab November 1940 wurden etwa 100000 missliebige „Frankophone“ („Französlinge“ in der NS-Sprache) nach Vichy-Frankreich ausgewiesen. Die Familien von 10000 Menschen, die Ende 1942 ein Bekenntnis zur „Deutschen Volksgemeinschaft“ abgelehnt hatten, wurden als „nicht eindeutschungsfähig“ in Arbeitslager in Polen und Tschechien „umgesiedelt“ = deportiert. Auf die durch die Ausweisungen freiwerdenden Bauernhöfe setzte die Landbewirtschaftungsgesellschaft Ostland (später: Reichsland) Bauern aus der Pfalz und dem Saarland oder Volksdeutsche aus Südosteuropa ein. Kohle- und Erzgruben sowie Stahlunternehmen wurden beschlagnahmt und an die Ruhr- und Saarkonzerne vergeben. Mehrere Hunderttausend Kriegsgefangene (meist Sowjetbürger, Jugoslawen, Polen, später Italiener) wurden in Lagern eingesperrt, z.T. unmittelbar neben den Betrieben (z.B. Forbach, Creutzwald, Boulay-Moselle, Moyeuvre-Grand, Hagondange), und in den Gruben und Industriebetrieben ausgebeutet. Zusätzlich wurden tausende von (zivilen) Zwangsarbeiter/innen, vor allem aus der Sowjetunion und Polen, eingesetzt, 1942/43 waren 1/3 und mehr der Belegschaften Zwangsarbeiter/innen.

Widerstand und Repression im Moselgebiet

Widerstand war unter diesen besonderen, sich vom restlichen Frankreich unterscheidenden Bedingungen besonders schwierig. Zunächst ging es darum, die Ablehnung der Annexion, Germanisierung und Nazifizierung und die Zugehörigkeit zu Frankreich zu zeigen, z.B. an den (National-)Feiertagen oder durch Flugblätter und Inschriften (vgl. z.B. Metz), durch Proteste gegen den Arbeitsdienst oder die Zwangsrekrutierung in der Wehrmacht (vgl. z.B. Sarreguemines). Von Beginn an gab es Fluchthilfe für frz. Kriegsgefangene und später Wehrdienstverweigerer (vgl. z.B. Abreschviller, Metz).
Im Herbst 1940 entstand die Widerstandsgruppe ‚Espoir français“, sie wurde 1941 zerschlagen, die jugendlichen Mitglieder erhielten lange Haftstrafen. Ab 1942 bildeten sich eigenständige, nicht an französische Résistancebewegungen angebundene, Widerstandsgruppen, wie die gaullistische ‚Groupe Derhan‘ und die kommunistische, bis zu 3000 Anhänger umfassende ‚Groupe Mario‘ unter ihrem Leiter Jean Burger. Beide rekrutierten sich vor allem aus den Arbeitern des Montanreviers, verteilten Flugblätter, halfen - auch sowjetischen – Kriegsgefangenen und verübten Sabotagen in der deutschen Rüstungswirtschaft. 
Angesichts des zunehmenden Widerstands intensivierten die Deutschen Überwachung, Verfolgung und Repression, führten die Sippenhaftung für Familien von Wehrdienstverweigerern ein und schufen zusätzliche Haftstätten, insbesondere für als gefährlich angesehene Résistancekämpfer: z.B. die Gestapolager in Woippy und Saarbrücken-Neue Bremm sowie das SS-Sonderlager Feste Goeben im Fort de Queuleu bei Metz. Sie entwickelten sich sehr bald zum Vorhof für Deportationen, z.B. in die Lager Schirmeck, das KZ Natzweiler-Struthof oder KZ in Deutschland. Tausende kamen in den KZ um.
1943/1944, besonders nach der alliierten Landung in der Normandie, bildeten sich Maquis, meist aus Wehrdienstverweigerern, Deserteuren und entflohenen (sowjetischen) Kriegsgefangenen. Wehrmacht und SS versuchten im Sommer 1944, dieser Entwicklung durch Terror und Repressalien gegen die Dorfbevölkerungen Herr zu werden, letztlich vergeblich (vgl. z.B. Longeville-lès-Saint-Avold, Porcelette, Vittersbourg). 
Der größte Teil des Moselgebiets wurde erst im Herbst 1944 befreit, in den östlichsten Gebieten wie um Bitche wurde noch bis in den März 1945 gekämpft. Dabei erlitt auch die Zivilbevölkerung große Verluste.

Gedenkorte: 

Abreschviller, Amnéville, Bambiderstroff, Bitche, Boulay-Moselle, Charly-Oradour, Château-Salins, Forbach, Fort de Queuleu/Feste Goeben, Hagondange, Hayange, Honskirch, Longeville-lès-Saint-Avold, Metz, Montigny-lès-Metz, Moyeuvre-Grande, Ormersviller, Porcelette, Rombas, Saarbrücken-Neue Bremm (D), Saint-Avold, Sainte-Marie-aux-Chênes, Sarrebourg, Sarreguemines, Thionville, Vittersbourg, Woippy


Literatur/Medien

Burger, Léon: En Moselle. Résistance et Tragédies pendant la Deuxième Guerre Mondiale, Metz 1976
Burger, Léon: Le groupe „Mario“ – une page de la Résistance Lorraine, Metz 1965
FNDIRP (Hg.): Les Patriotes Résistants à l'Occupation, Paris 1986
ONAC Moselle: Les lieux de détention en Moselle annexée et dans le Gau Westmark, Metz 2007
Neveu, Cédric: Les prisonniers de guerre et les travailleurs slaves en Moselle annexée, in: Le Patriote Résistant N° 891, Nov. 2014, S. 10f.
fr.wikipedia.org/wiki/Annexion_de_la_Moselle_(1940)
fr.wikipedia.org/wiki/R%C3%A9sistance_en_Alsace_et_en_Moselle_annex%C3%A9es
www3.ac-nancy-metz.fr/cddp57/resistance/BR3LESRESISTANTS.pdf
www.memorial-alsace-moselle.com/f/fiches/colloque_metz/MEMORIAL_COLLOQUE_basse_reso.pdf (Annexion + Nazifizierung)
www.academia.edu/3265681/Les_lieux_dinternement_nazis_en_Moselle
www.memotransfront.uni-saarland.de/nationalsozialistische_dorfarchitektur.shtml
documents.irevues.inist.fr/bitstream/handle/2042/34355/ANM_1980_1981_183.pdf?sequence=1 (Ausweisungen und 'Umsiedlungen' vom Moselanern)
fr.wikipedia.org/wiki/Patrimoine_juif_de_Lorraine#Patrimoine_juif_de_Moselle_.2857.29.5B18.5D.2C_.5B19.5D
documents.irevues.inist.fr/bitstream/handle/2042/34366/ANM_1980_1981_75.pdf?sequence=1 (Zwangsrekrutierung in RAD u. Wehrmacht)
issuu.com/libel/docs/libel_malgre_eux_issuu (Zwangsrekrutierungen; 46 S.)
users.skynet.be/bs136227/src2/Bulletin/93_b.pdf ('Malgré-Nous', bestraft in Torgau)
fr.wikipedia.org/wiki/Crise_de_la_sid%C3%A9rurgie_dans_le_bassin_lorrain (Stahlkrise)