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Departement Ain

Region Rhône-Alpes (ab 2016: Region Auvergne-Rhône-Alpes)
Hauptstadt: Bourg-en-Bresse (01)

Einführung
Das Departement war 1940 zunächst nicht besetzt worden – bis auf das Gebiet um Gex und Bellegarde-sur-Valserine, das zur „verbotenen Zone“ erklärt wurde. Im November 1942 wurde der größte (westliche und nördliche) Teil von der Wehrmacht besetzt, ein kleinerer Teil (östlich von Ambérieu und Nantua von der italienischen Armee; nach deren Rückzug am 8. September 1943 (vgl. Kriegsaustritt Italiens) wurde auch dieses Gebiet von Nazideutschland besetzt (vgl. auch Besatzungszonen)

 

Judenverfolgung
Im Juli 1942 verhaftete frz. Polizei im Departement ausländische Juden – wie in der gesamten nicht besetzten Zone; fast alle wurden über das Lager Drancy bei Paris in die Vernichtungslager deportiert. Während der deutschen Besatzung ab November 1943 wurden etwa 100 Menschen aus „rassistischen Gründen“ deportiert. Beispiele: 18 Personen während der 'Aktion Korporal' Anfang Februar 1944 im Sanatorium Hauteville; 44 Kinder und sieben Betreuer/innen des Kinderheims von Izieu am 6. April 1944; am 19 September 1944 wurden fünf junge Juden eines ländlichen Arbeitslagers nach Denunziation von SiPo-SD erschossen und ein sechster nach Auschwitz deportiert, wo er im Februar 1945 zu Tode kam; vgl. Veyret a.a.O., S. 355f.

 

Résistance
Recht früh bildeten sich Widerstandsgruppen: Libération-Sud (Paul Pioda), Résistance-Fer (an den für Wehrmacht strategisch wichtigen Bahn-Knotenpunkten und Strecken), Combat (André Fornier), Franc-Tireur (Henri Adhémar). Schwerpunkte waren Bourg-en-Bresse (ziviler Widerstand), Oyonnax, Nantua, Bellegarde, Ambérieu (Lager für STO-Verweigerer). Vorgespräche mit Jean Moulin und Abmachungen zur Bildung der MUR – Vereinte Widerstandsbewegungen und der Armée Secrète fanden u.a. in Miribel statt, der erste Chef der AS, Charles Délestraint, weilte zeitweise in Bourg-en-Bresse. FTP und Front National (Résistance) waren zunächst relativ klein, die unter Vichy-Regime verbotenen Kommunisten gingen meist direkt in die Maquis, vor der Befreiung hatten sie über 4000 Anhänger.
Ab 1941 gab es Aufbau bewaffneter Gruppen sowie Fallschirmabwürfe durch Briten (SOE), Ende 1942/Anfang 1943 erste Maquis, die sich aus Unterkünften für STO-Verweigerer in verlassenen Bauernhöfen entwickelten (vgl. Aranc) und bald unter Henri Romans-Petit instruiert und ausgebildet wurden sowie die Ernährung sicherstellten. Sie wurden bekannt durch Sabotagen an Telefonleitungen, E-Werken, Gleisen etc. sowie spektakuläre Aktionen wie den Marsch durch Oyonnax am 11. November 1943 (s. näher dort).



Cerdon, Mémorial des Maquis de l'Ain Izieu, ehem. jüdisches Kinderheim; © Maison d'Izieu Nantua, Deportiertendenkmal; Quelle: memoire-deportation-ain.fr
Repression, Wehrmachts-Großaktionen, Massaker
Die Antwort der Besatzer, abgestimmt zwischen Wehrmacht, SS und SiPo-SD, waren drei große militärisch-polizeiliche „Säuberungsaktionen“ gegen die (im deutschen Jargon) „Banden“ oder „Terroristen“, also die Maquis, Jagd auf Juden und STO-Verweigerer, die Zerstörung von Dörfern, Anzünden von Bauernhöfen, Mitnahme von Vieh und Plünderungen  einschlossen und durch Erschießungen und Massaker zahlreiche Opfer unter der Zivilbevölkerung forderten (direkte Folge der Befehle: das Umfeld austrocknen, keine Gefangenen machen). Verantwortliche Wehrmachtseinheiten in der Aktion „Korporal“ und den Unternehmen „Frühling“ und „Treffenfeld“ im Februar, April bzw. Juli 1944 waren: Teile der 157. Reservedivision unter General Karl Pflaum, begleitet von SiPo/SD und SS-Einheiten aus Lyon (Werner Knab) sowie frz. Milice. Besonders betroffen waren die Gemeinden und Umgebung von Bourg-en-Bresse, Cerdon, Dortan, Nantua, Oyonnax, Saint-Didier-de-Formans (Einzelheiten s. dort sowie bei Lieb, aaO, S. 309ff., 333 ff. und Veyret, aaO,  S. 99 ff., 210ff.).
Die Bilanz: Zwischen 1941 und 1944 wurden im Departement etwa 1400 Männer und Frauen als Opfer der Nazi-Repression (politische Oppositionelle, Widerstandskämpfer, Geiseln) oder als Juden verhaftet und in die Konzentrationslager deportiert, 800 kamen in den KZ zu Tode; 641 Zivilisten wurden umgebracht; 700 Maquisards kamen in Kämpfen ums Leben oder wurden erschossen; vgl. die Denkmäler in Cerdon, Hauteville-Lompnes und Nantua.

Befreiung in mehreren Etappen
Nach der alliierten Landung in der Normandie und nachdem die Deutschen aus bestimmten Räumen im Ain abgezogen waren, verstärkte die Résistance entsprechend der vorher festgelegten Pläne ihre Aktivitäten, z.B. Sabotage von Bahnanlagen, Straßensperren, Angriffe auf deutsche Einheiten. Unter Leitung von H. Romans-Petit – und ohne Abstimmung mit den Repräsentanten des 'Freien Frankreich' (de Gaulle) - gingen sie einen Schritt weiter und bildeten „befreite Gebiete“. Am 8. Juni wurden in Nantua und Oyonnax die Rathäuser, in Nantua auch die Unterpräfektur besetzt und ein Befreiungskomitee eingesetzt, das die normale Verwaltung aufrechterhielt. Wie geplant, wurden deutsche Außenposten u.a. in Bellegarde, Bourg-en-Bresse und La Cluse verjagt, Straßen und Eisenbahnlinien gesperrt, 52 Lokomotiven des Depots in Ambérieu zerstört,  und weitere Gebiete „befreit“. Schon während dieser Zeit hatten Wehrmacht (Osttruppen), SS und Milice zahlreiche Personen verhaftet, deportiert oder vor Ort erschossen (allein durch Milice 200 Personen, z.B. in Rillieux, Saint-Didier-de-Formans).
Die Operation Treffenfeld ab 9. Juli war die blutigste und grausamste von allen: das Dorf Dortan wurde total zerstört, über 160 Menschen wurden erschossen, 39 Frauen vergewaltigt, fast 100 Personen deportiert, 615 Häuser angezündet, dazu etwa 150 tote oder verwundete FFI-Kämpfer.
Nach Abzug der Deutschen Besatzer im Gefolge der alliierten Landung in der Provence (15. August 1944) wurde das Departement schrittweise bis 4. September 1944 durch US-Truppen und FFI-Formationen befreit. Epilog: Henri Romans-Petit wurde auf Befehl de Gaulles wegen seines eigenmächtigen Handelns zunächst abgesetzt und am 14. September verhaftet, bald darauf freigelassen. Mögliche Motive: zu große Nähe zum britischen Geheimdienst SOE, mangelnde Abstimmung mit de Gaulle, Einmischung in politische Angelegenheiten (Ausrufung der Republik, Einsetzen ziviler Behörden); vgl. dazu Veyret, aaO, S. 308ff.

Gedenkorte: Ambérieu-en-Bugey, Aranc, Bourg-en-Bresse, Cerdon, Dortan, Échallon, Injoux-Génissiat, Izieu, Nantua, Meximieux, Miribel, Neyron, Oyonnax, Ruffieu, Saint-Didier-de-Formans
Gedenkstätten finden sich in Cerdon, Izieu und Nantua, das regionale Widerstands- und Deportationsmuseum in Nantua.

Literatur/Medien
Cattin, Paul/Dusonchet, René: L'Ain de 1939 à 1945, Bourg-en-Bresse 1998
Département de l' Ain (Hg.): L'Ain 1939-1945. Chemins de mémoire, Bourg-en-Bresse 2009
Lieb, Peter: Konventioneller Krieg oder NS-Weltanschauungskrieg? Kriegführung und Partisanenbekämpfung in Frankreich 1943/44, München 2007, S. 333ff.
ONAC 01 (Hg.): Paroles de déportés, prisonniers de guerre, personnes contraintes au travail. 60 ans après, Bourg-en-Bresse 2005
Petit Futé. Guide des lieux de mémoire, Paris 2005, S. 333ff.; Ausgabe 2012/13, S. 224
Veyret, Patrick: L'histoire secrète des maquis de l'Ain. Acteurs et enjeux (1942-1944), Châtillon-sur-Chalaronne 2010
http://www.maquisdelain.org/index.php
http://www.ajpn.org/departement-Ain-1.html
http://fr.wikipedia.org/wiki/Ain_(d%C3%A9partement)