Block 15 des ehemaligen KZ Chaidari, Foto: Anna-Maria DroumboukiNur ca. 6 km von der Athener Akropolis entfernt liegt das Areal des ehemaligen Konzentrationslagers Chaidari (auch: Haidari) in der gleichnamigen Gemeinde (Regionalbezirk Athen West). Als offizielles Emblem hat der Ort seit 1986 ein Stacheldraht umzäuntes Abbild von Block 15 des KZ, aus dem eine rote Mohnblume herauswächst.

Die Ereignisse
In einem Kasernenkomplex in Chaidari, in den bereits wegen bestehender Sicherheitsbedenken zwei Monate zuvor von den italienischen Besatzungskräften Gefangene aus anderen Gefängnissen Griechenlands transferiert worden waren, wurde im Herbst 1943 das größte und berüchtigste der über 20 Polizeihaft- und Geisellager errichtet, das während der Zeit der deutschen Besatzung Griechenlands bestand. Es wurde und wird wegen der dort zur Tagesordnung gehörenden bestialischen Folterungen auch als „Herz der Hölle“ und „Bastille von Griechenland“ bezeichnet.
Nach Schätzungen waren dort ständig zwischen 2.000 und 3.000 Männer, Frauen und Kinder inhaftiert, die Unterernährung, Zwangsarbeit und Folterungen, auch willkürlichen Tötungen ausgesetzt waren. Bis zur Schließung im September 1944 wurden insgesamt zwischen 20.000 und 25.000 Menschen im Konzentrationslager Chaidari inhaftiert. Viele der Häftlinge - oft wahllos aufgegriffen bei Razzien der „Sicherheitsbataillone“ und vor Überführung nach Chaidari den Verhören und Folterungen der Gestapo in der Athener Merlinstraße oder Korai 4 unterzogen - wurden in Konzentrationslager nach Deutschland oder Polen deportiert. So verließ allein am 25. Mai 1944 ein Transport mit 850 Männern und 61 Frauen Chaidari in Richtung der deutschen Konzentrationslager Neuengamme (Männer) und Ravensbrück (Frauen). Die Anderen stellten das Reservoir für Massenerschießungen als sogenannte „Sühnemaßnahmen“ dar, die an diversen Hinrichtungsstätten, u.a. am Schießstand von Kesariani mit der Ermordung von 200 politischen Gefangenen am 1. Mai 1944, verübt wurden.
Das Lager wurde vom 8. September 1943, dem Kriegsaustritt Italiens, bis zum 20. Oktober 1943 von der Deutschen Wehrmacht direkt geführt. Danach wurde die Leitung dem Befehlshaber der Sicherheitspolizei und des SD (BdS) unter SS-Standartenführer Dr. Walter Blume übertragen.

Foto: Anna-Maria DroumboukiKommandant des Lagers war ab 28. November 1943 ein früher Weggefährte Heydrichs, Sturmbannführer Paul Otto Radomsky, dessen Personalakte die Beurteilung vom 2.12.1944 enthält: „[...] primitiv in seinem ganzen Denken und Fühlen, nicht zum Führen geeignet [...]; offensichtlich einer der alten Schläger, die auf Grund ihrer frühen Zugehörigkeit zur SS zu Führern befördert worden sind“ (zit. nach Fleischer, Kreuzschatten, S. 548). Dieser primitive Schläger wurde erst abberufen, nachdem er auch einen seiner deutschen Untergebenen misshandelt und schwer verletzt hatte. Seine Nachfolge übernahm am 27. Februar 1944 der SS-Führer Karl Fischer, in dessen Amtszeit die größten Massenexekutionen fielen.
Noch Anfang September 1944, in der Endphase der deutschen Besatzung Griechenlands, wurden ca. 70 Gefangene in Chaidari selbst, weitere 72 Gefangene - darunter Lela Karagianni und andere Mitglieder der Widerstandsgruppe Bouboulina - im nahen Daphni ermordet. Der kurzfristig kursierende krude Plan Dr. Blumes, alle in Chaidari inhaftierten Angehörigen der bürgerlichen Führungsschicht, die zukünftig tragende Rollen in der griechischen Politik übernehmen könnten, zu liquidieren, um die Machtübernahme der Kommunisten zu befördern, das Land ins Chaos zu stürzen und damit den nachrückenden Briten Probleme zu bereiten, wurde allerdings schnell fallengelassen, die restlichen Überlebenden des KZ Chaidari freigelassen und das Lager aufgelöst.

Chaidari als Durchgangslager für Deportationen von Juden
Viele Juden, denen es nicht gelungen war, sich in Sicherheit zu bringen (Judenverfolgung in Griechenland), wurden vor ihrer Deportation in das KZ Chaidari gebracht, wo einige bereits dort den erbärmlichen Bedingungen erlagen: Die bei einer Großrazzia am 24. und 25. März 1944 in Athen, Thessalien, im Epirus und auf der Peloponnes verhafteten ca. 1.900 Juden wurden zunächst in das KZ Chaidari gebracht und von dort aus am 2. April 1944 nach Auschwitz-Birkenau deportiert. Die ca. 1.800 Anfang Juni 1944 in Korfu festgenommenen Juden wurden auf dem Seeweg nach Athen transportiert, wo sie mit den noch in Chaidari festgesetzten Juden ebenfalls nach Auschwitz-Birkenau deportiert wurden. Der Zug mit 2.175 Männern, Frauen und Kindern an Bord erreichte das Vernichtungslager am 29./ 30. Juni 1944.
Auch die über 1.600 auf Rhodos und 83 auf Kos von den Deutschen im Juli 1944 abtransportierten Juden wurden vor ihrer Deportation für ca. 10 Tage im KZ Chaidari gefangen gehalten.

Nach 1945
1946 wurden in Griechenland Ermittlungen gegen die beiden ehemaligen Lagerkommandanten Radomsky und Fischer sowie vier SS-Angehörige der Wachmannschaft eingeleitet. Ein Verfahren wurde jedoch nie eröffnet, und auf bundesrepublikanischen Druck hin wurden 1952 die Ermittlungsakten in die Zuständigkeit deutscher Strafverfolgungsbehörden gelegt (siehe: Deutsche Kriegsverbrechen in Griechenland). Trotz diverser Ermittlungsverfahren vor deutschen Gerichten musste sich keiner der Beschuldigten wegen der erhobenen Anschuldigungen (Hinrichtung von Geiseln, Morde, Folterungen und Internierung unter unmenschlichen Bedingungen) vor Gericht verantworten. Die pro forma geführten Ermittlungen endeten jeweils mit einer Einstellungsverfügung.

Gedenken
Block 15
Foto: Anna-Maria DroumboukiDas einzig erhalten gebliebene Gebäude des Lagers ist Block 15. Dieser Block wurde von der SS für die strenge Isolation männlicher Gefangener genutzt, war für 300 Gefangene ausgelegt, meist aber doppelt so stark belegt. In den 1980er-Jahren wurde das Gebäude als national monument site ausgewiesen, später eine Gedenktafel angebracht.
Da sich das Gebäude auf militärischem Sperrgebiet befindet, ist es lediglich im Rahmen von Gedenkveranstaltungen zu besuchen. Pläne, es zu einer der Öffentlichkeit zugänglichen Gedenkstätte auszubauen, konnten bisher nicht realisiert werden.

Straßenumbenennungen
Die Gemeinde Chaidari hat die Vas. Geordiou Straße, über die die Gefangenen zum Ort ihrer Hinrichtung gelangten, in Straße der Chaidari-Kämpfer umbenannt (Agoniston Stratopedou Chaidariou). Zudem wurde die Straße, die das Lager mit der Athenon Avenue verbindet, nach Antonis Flountzis, Häftling und Arzt des Lagers, benannt. Er überlebte die Haftzeit in Chaidari und schrieb später ein Buch über die Vorkommnisse im Lager.

Leben auf Widerruf
Mit dem Buch Leben auf Widerruf hat der Schriftsteller Themos Kornaros seinen ehemaligen Mithäftlingen im Konzentrationslager Chaidari ein literarisches Denkmal gesetzt.

Literatur / Medien:
Fleischer, Hagen: Deutsche „Ordnung“ in Griechenland, in: Droulia u. Fleischer (Hg.): Von Lidice bis Kalavryta, S. 151-223; Fleischer, Hagen: Im Kreuzschatten der Mächte, Griechenland 1941–1944, Frankfurt am Main 1986, S. 548; Klein, Ralph: Chaidari, In: Benz, Wolfgang/ Distel, Barbara: Der Ort des Terrors - Geschichte der nationalsozialistischen Konzentrationslager, Band 9, München 2009, S. 559-572; Nessou, Anestis: Griechenland 1941-1944, Deutsche Besatzungspolitik und Verbrechen gegen die Zivilbevölkerung - eine Beurteilung nach dem Völkerrecht, Göttingen 2009; Kornaros, Themos: Leben auf Widerruf, Berlin 1964; Kornaros, Themos: Vor den Toren Athens: Chaidari, In: Dachauer Hefte: Studien zur Geschichte der nationalsozialistischen Konzentrationslager, Band 5, Dachau 1989, S. 214-222; de.wikipedia.org/wiki/KZ_Chaidari; KZ-Gedenkstätte Neuengamme: Häftlinge aus Griechenland und Albanien im KZ Neuengamme (media.offenes-archiv.de/ha2_2_10_1_thm_2371.pdf); www.haidari.gr/Default.aspx?tabid=641&language=en-US