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Sio (Col de)


Region Korsika (Corse), Departement Corse-du-Sud

Der Ort
Pass an der D 19 auf dem Gebiet der Gemeinde Santa-Maria-Figaniella im Sartenais-Valinco, etwa 80 Einwohner/innen. Der Pass ist zu erreichen von Propriano entweder über die N 196 →Ajaccio, bald rechts D 557 →Sources thermales de Baracci, I Martini, im Wald rechts auf D 19 →Col de Sio, Santa-Maria-Figaniella; etwa 500 m unterhalb der Passhöhe ist links ein Gedenkstein; oder über die N 196 →Sartène, bald links D 19 →Fozzano, Santa-Maria-Figaniella, Col de Sio, etwa  500 m nach der Passhöhe ist rechts ein Gedenkstein.

Die Ereignisse
In dem damals nur über Fußwege und Maultierpfade erreichbaren Gebiet unterhalb des Sio-Passes hatten die Résistants einen Fallschirm-Abwurfplatz hergerichtet, Codename „Fouine“ (Marder). In der Nacht des 16. Juni 1943 schwebten 13 Container mit drei Tonnen Waffen und Munition an Fallschirmen zu Boden, sie wurden in Höhlen im Wald „Valle Mala“ versteckt und später an Maquis und FN-Gruppen der Weiler und Gemeinden verteilt. Es folgten drei weitere Abwürfe.
Beteiligt waren u.a. Dominique Lucchini und François Mondoloni aus Petreto-Bicchisano, der die Aktion leitete, und viele Menschen aus den umliegenden Weilern und Gemeinden, vor allem Mitglieder der Familie Sorba aus den Weilern I Martini und Borgo im oberen Baraccital.

Abwurfplatz „Fouine“ (© Roberto Battistini / Centre Méditerranéen de la Photographie 2012) Gedenkstele Gedenkfeier 2013 (Quelle: ANACR 2A) Stele „I Martini“

Gedenken
Der Widerstand der Bevölkerung des Barraci-Tals – eine lokale Hochburg der Resistance – und die Fallschirmabwürfe sind jährlich Gegenstand von Gedenkzeremonien. Auch im Jahr 2013 war der letzte lebende Teilnehmer an der Bergung der Waffen, Jacques Sorba, anwesend; seine Rede wurde von seinen Enkelinnen verlesen. Text auf der Stele am Sio-Pass (die Stele befindet sich etwa 500 m unterhalb der Passhöhe):
„16. Juni 1943. Erster Fallschirmabwurf von Waffen in Süd-Korsika, drei weitere folgten. Codewort für die Front National: 'Francette, umarme Victoria' (Codename des Terrains: 'Fouine').“
Am Ortsrand von Martini, dort wo die D 557 in den Wald eintaucht, wurde ein Gedenkstein aufgestellt; sein Text:
„1941–1943. In den dunklen und ruhmreichen Zeiten der Okkupation unseres Bodens durch die faschistischen, italienischen und deutschen Eindringlinge hat die Bevölkerung des oberen Baracci-Tals einmütig den Kampf für das französische Korsika aufgenommen. Gemäß dem Aufruf der Nationalen Befreiungsfront hat sie für die Sicherheit der verfolgten Patrioten gesorgt und sich an den Befreiungskämpfen für die Freiheit und die nationale Unabhängigkeit beteiligt.“

Jacques Sorba vor der „Caseddu“ / kleinen Schäferei (© Roberto Battistini / Centre Méditerranéen de la Photographie 2012) Martin Sorba (Quelle: http://tousbanditsdhonneur.fr)

Jacques Sorba, Jahrgang 1926, erzählt:
„Der Weiler 'I Martini' ... war schwer zu erreichen. Es gab keine Straße, aber für die, die Berge und Wälder kannten, führten viele Wege von Petreto-Bicchisano nach Martini. Die Lage des Ortes am Schnittpunkt der Bezirke Olmeto, Serra-di-Scopamena und Petreto-Bicchisano und natürlich der Einsatz und die Solidarität der Bevölkerung haben Martini zu einem sehr sicheren Zufluchtsort für die Maquisards gemacht. In Martini waren fünf von uns aktiv in der Résistance: mein Onkel Francescu Martini, meine Brüder Joseph, André, Martin und ich selbst. Meine Eltern Petru und Antunietta haben während der gesamten Besatzungszeit unsere mageren Vorräte mit denen geteilt, die im Maquis waren. Und natürlich haben sie in ihrem Haus in 'San Chirghu' (in Borgo) François Peretti gen. Pierro Scatena aufgenommen, der im Valinco Nachrichtendienst gemacht hatte und vom italienischen Militärgericht in Abwesenheit zum Tode veruteilt worden war. ...“

Und über den ersten Fallschirmabwurf:
„Was mich am meisten geprägt hat, war der erste Fallschirmabwurf von Waffen auf dem Sio-Pass. Wir hatten gerade die Erntearbeit beendet, als mein Bruder André von Santa-Maria-Figniella gelaufen kam, wo er Radio London gehört hatte und uns zurief 'Heute Abend geht’s los'. Wir sind sofort  zum Sio-Pass hochgestiegen, gegen 22 Uhr waren wir da. Wir waren acht Männer: mein Onkel Francescu Martinu, François Mondoloni, der Verantwortliche für diese Operation, Michel Césari, François Peretti, Jacques Césari, meine Brüder André und Martin und ich. Andere Leute aus den Weilern der Umgebung stießen zu uns. Bald war das Flugzeug über unseren Köpfen. François Mondoloni machte die vereinbarten Zeichen und 13 Fallschirme mit ihren Containern fielen auf den Boden. Einige verloren sich auf Nimmerwiedersehen im Tal, aber wir konnten Tonnen von Waffen und Munition bergen. Unnötig zu erklären, wie schwer es war, die Waffen in den Wald Valle Mala zu schleppen.“

Literatur/Medien
Choury, Maurice: Tous bandits d'honneur! Résistance et Libération de la Corse (Juin 1940 – Octobre 1943), Neuauflage Ajaccio 2011
Roberto Battistini/Marie Ferranti: Corse 1943 – Les combattants de la liberté, Ajaccio 2013, S. 38ff.
corse-matin, 9. September 2013, S. 14
www.resistance-corse.asso.fr/fr/histoire/histoire-de-la-resistance/occupation-resistance-et-liberation/des-temoins-racontent/le-parachutage-de-sio-valinco/
www.resistance-corse.asso.fr/fr/histoire/histoire-de-la-resistance/occupation-resistance-et-liberation/des-temoins-racontent/la-resistance-au-hameau-des-martini/
www.resistance-corse.asso.fr/fr/nouvelles/30-aout-2013-la-ceremonie-de-sio/
www.resistance-corse.asso.fr/fr/mediatheque/biographies/ (Kurzbiographien von D. Lucchini,  J. Mondoloni)
www.corse-1943-les-combattants-de-la-liberte.fr/images/presse/pdf/Dossier_de_presse_CMDLP.pdf
http://fr.wikipedia.org/wiki/Santa-Maria-Figaniella
http://fr.wikipedia.org/wiki/Fozzano