Als Waldenser werden Anhänger einer im 12. Jahrhundert in Lyon begründeten, nach ihrem Gründer Petrus Valdes benannten, Laien-Reformbewegung bezeichnet, die sich 1532 der Reformation Calvins anschlossen. Von der Inquisition verfolgt, zogen sie sich in sehr abgelegene piemontesische Westalpentäler nahe Torre Pellice zurück. Ihre vollen bürgerlichen Rechte wurden den Waldensern erst 1848 zugestanden. Mit den 1929 abgeschlossenen Lateranverträgen zwischen Vatikan und faschistischem Italien, die die seit 1870 bestehende Trennung zwischen Staat und Kirche in Italien aufhoben und den Katholizismus zur Staatsreligion erklärten, wurde das Recht der evangelischen Waldenser auf religiöse Selbstbestimmung stark eingeschränkt. Wie die Bevölkerung des Aostatals waren Waldenser, die ihren Schulunterricht und Gottesdienst in französischer Sprache abhielten, zudem vom Zwang zum ausschließlichen Gebrauch der italienischen Sprache betroffen.
Viele Juden fanden nach dem Kriegsaustritt Italiens am 8. September 1943 Schutz in den Waldensertälern. Waldenser schlossen sich dem Widerstand an, meist in den Reihen von Giustizia e Libertà. Dass Widerstand gegen ein verbrecherisches Regime legitim sei, dass gerade Christen dazu aufgerufen seien, notfalls mit Gewalt auf Gewalt zu reagieren, wurde in den Waldensertälern seit dem Kriegseintritt Italiens 1940 in klandestinen Zirkeln diskutiert.
Am 19. Dezember 1943 trafen sich Mario Alberto Rollier, Gustavo Malan, Osvaldo Coisson und Giorgio Peyronel – Giustizia e Libertà nahestehende Vertreter des Widerstands in den Waldensertälern – mit Vertretern der valdostanischen Resistenza in Chivasso. Zusammen verfassten sie die Carta di Chivasso (auch: „Dichiarazione dei rappresentanti delle popolazioni alpine“). Darin hielten sie fest, wie die Zukunft Italiens nach Überwindung des Faschismus aussehen sollte: Ein republikanisches föderales System nach Vorbild der Schweiz, das die spezifischen kulturellen, religiösen, sprachlichen und ökonomischen Besonderheiten des Alpenraums nicht unterdrückt, sondern fördert.
Literatur / Medien:
Tibaldo, Lorenzo: Quando suonò la campana. Willy Jervis (1901–1944), Turin 2005; Bade, Sabine und Mikuteit, Wolfram: Partisanenpfade im Piemont. Wege und Orte des Widerstands zwischen Gran Paradiso und Monviso. Ein Wanderlesebuch. Konstanz 2018