Region Epirus / Regionalbezirk Ioannina
Der Ort
Ioannina (auch: Jannina und Joannina) ist die Hauptstadt der griechischen Region Epirus.
Die Stadt mit 112.486 Einwohner/innen (Stand 2011), die bis 1913 noch zum Osmanischen Reich gehörte, liegt am Ufer des Ioannina- (auch: Pamvotida-)Sees.
Ioannina war das Zentrum der romaniotischen Juden Griechenlands. Romanioten sind griechischsprachige Juden, deren Vorfahren seit hellenistischer Zeit in Griechenland lebten. Seit dem 9. Jahrhundert existierte in Ioannina eine jüdische Gemeinde, die vor dem deutschen Überfall auf Griechenland ca. 2.000 Mitglieder hatte (siehe auch: Judenverfolgung in Griechenland).
Ioannina liegt 420 km nordwestlich von Athen an der Autobahn A 2 Igoumenitsa - Thessaloniki - Alexandroupolis.
Die Ereignisse
Nach dem deutschen Überfall auf Griechenland im April 1941 wurde die Region Epirus der Besatzungszone des italienischen „Achsen-Partners" zugeschlagen.
In Erwartung einer Landung der Alliierten an der Westküste Griechenlands wurde die 1. Gebirgs-Division unter Generalmajor von Stettner als Teil des XXII. Gebirgs-Armeekorps unter Generalleutnant Hubert Lanz im Sommer 1943 in die Epirus-Region mit Sitz in Ioannina verlegt. Formal wurden die Truppen der 11. italienischen Armee (General Vecchiarelli) unterstellt. Ihre Aufgabe lag vorrangig im Rahmen der sogenannten „Bandenbekämpfung“.
Das deutsche Hauptquartier wurde im beschlagnahmten Hotel Akropol eingerichtet; die Geheime Feldpolizei hatte ihren Sitz auf der Insel im Ioannina-See. Das Feldmilitärgericht 1032 in Ioannina stand unter dem Vorsitz des Militärrichters Ulrich Jürgens, der in dieser Funktion zahlreiche Todesurteile verhängte.
Ioannina war Ausgangsort einer Vielzahl von „Säuberungs-“ und „Vergeltungsunternehmen“, bei denen Angehörige von unterschiedlichen „Kampftruppen“ der 1. Gebirgs-Division entlang der Hauptverkehrsrouten bestialische Massaker an der Zivilbevölkerung begingen. Als Josef Salminger, Chef der gleichnamigen Kampftruppe, nach einer Festivität mit Lanz im Wehrmachtskasino von Ioannina auf seiner nächtlichen Heimfahrt nach Preveza einem Anschlag von EDES-Partisanen zum Opfer fiel, ordnete Lanz an, diese Tat durch „schonungslose Vergeltungsaktionen in 20 km Umkreis der Mordstelle [zu] rächen“. Zwei Tage später wurde dieser Rachebefehl mit dem Massaker im nur wenige Kilometer von Ioannina entfernten Dorf Lingiades in die Tat umgesetzt.
Die Deportation der Jüdinnen und Juden
Da zur italienischen Besatzungszone gehörend, in der Mussolini die Deportationen von Juden blockierte/ unterband, veränderte sich das Leben innerhalb der Jüdischen Gemeinde von Ioannina in der ersten Besatzungsphase kaum. Anders als in Thessaloniki, wo Mitarbeiter des Einsatzstabes Reichsleiter Rosenberg (Griechenland) ab Mai 1941 wertvolle Dokumente, Kulturgüter, lithurgische Gegenstände und Bücher beschlagnahmten, verlief deren Besuch in Ioannina wenig erfolgreich:„Die Synagoge von Jannina konnte nur besichtigt werden. Eine Beschlagnahme und ein Abtransport der dort befindlichen Akten usw. konnte nicht vorgenommen werden, da Jannina innerhalb der italienischen Besatzungszone liegt" (Abschlussbericht ERR vom 15. November 1941, S. 17).
Auch als die Nachrichten von der am 15. März 1943 beginnenden Deportation der Juden aus Thessaloniki Ioannina erreichten, vertraute die - relativ abgeschottet vorwiegend im Bereich der burgartigen Zitadelle Kastro lebende - Gemeinde den Zusagen der italienischen Besatzungsmacht, daß sie nichts zu befürchten hätte. Frühe Warnungen aus den Reihen des griechischen Widerstands wurden ignoriert.
Als die Deutschen nach dem Kriegsaustritt Italiens am 8. September 1943 auch die vorher vom ehemaligen Achsen-Partner besetzten Teile Griechenlands in ihr Programm zur „Endlösung der Judenfrage“ einbeziehen konnten und zunächst am 3. Oktober 1943 der Höhere SS- und Polizeiführer Jürgen Stroop die Meldepflicht aller jüdischen Bewohner Griechenlands anordnete, vertrauten die Verantwortlichen der jüdischen Gemeinde, Dr. Moses Kofinas und sein Stellvertreter, der Textilfabrikant Sabbethai Kabilis, auch den irreführenden Abwiegelungen der Wehrmachtsführung. „Moissis Eliasaf, ein Mitarbeiter von Kabilis, sagte nach dem Krieg, dass es unmittelbar nach dem Einmarsch der 1. Gebirgs-Division zu einem Gespräch zwischen seinem Chef und General Stettner gekommen sei. Stettner habe „persönlich versichert, daß die Deutschen die Juden nicht belästigen werden""(Meyer, S. 585). Ganz anders als in Larissa, Volos und Athen, wo in Zusammenarbeit mit der orthodoxen Kirche und der ELAS eine Rettungsaktion zur Flucht in befreite Gebiete anlief, sorgten Kofinas und Kabilis dergestalt beruhigt stattdessen dafür, dass die Gemeinde im Ort blieb.
Am frühen Morgen des 25. März 1944 - dem griechischen Nationalfeiertag und jüdischen Pessach-Fest - riegelten Angehörige der Geheimen Feldpolizei 621, der griechischen Polizei, Einheiten der 104. Jäger-Division und der 1. Gebirgs-Division unter der Leitung des Majors der Ordnungspolizei Gustav Hawraneck die jüdischen Wohnbezirke ab. Anschließend wurden (nach Angaben des Zentralrats der jüdischen Gemeinden Griechenlands) etwa 1.850 Männer, Frauen und Kinder auf einem Sammelplatz an der Mole zusammengetrieben. Eine Propagandakompanie der Wehrmacht erstellte eine Fotodokumentation des Abtransports der jüdischen Bevölkerung von Ioannina.
Auf bereitstehenden offenen LKW wurden die Menschen in ein Sammellager nach Larissa befördert. Der Deportationszug, der am 2. April 1944 Athen in Richtung Auschwitz-Birkenau verließ, hielt in Larissa. Hier wurde der Zug um eine große Anzahl von Viehwaggons verlängert, um alle in Larissa inhaftierten ca. 2.400 Juden aufzunehmen. Nach neuntägiger Fahrt traf der Zug in der Nacht vom 10. zum 11. April in Auschwitz-Birkenau ein, wo das Gros der Menschen - etwa 4.000 - unverzüglich ins Gas geschickt wurde.
„In Ioannina wurden die Repressionsmaßnahmen gegen die Juden nicht wie bis dahin in Griechenland federführend von Eichmanns Emissären aus dem Reichssicherheitshauptamt durchgeführt, sondern von dem XXII. Gebirgsarmeekorps. [...] Somit wurden in Ioannina alle Maßnahmen der Stigmatisierung, Ausgrenzung und Inhaftierung zum Zweck der Deportation in das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau von einer regulären Wehrmachtseinheit durchgeführt" (Nessou, S. 302).
Nur einige wenige jüdische Frauen und Männer aus Ioannina überlebten die Deportation in das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau. Nach Ende der deutschen Besatzung waren über 90 % der früheren Gemeinde ausgelöscht.
Gedenken
Holocaust Memorial
Das Denkmal zur Erinnerung an die deportierten Juden Ioanninas wurde 1994 schräg gegenüber eines der Tore zum Kastro errichtet. Es besteht aus symbolischen Thorarollen aus Metall. Daneben steht eine Informationstafel, auf der in englischer Sprache an die „1.850 jewish Cohabitants" erinnert wird, die am 25. März 1944 verhaftet und in Konzentrationslagern umgebracht wurden.
Synagoge
Die von einer Mauer umschlossene Kahal Kadosh Yashan Synagoge wurde 1826 innerhalb des Kastro errichtet. Sie wird heute nur noch an hohen Feiertagen genutzt; die Gemeinde hat keinen ständigen Rabbi mehr. Im Inneren der Synagoge hängen Marmortafeln mit den Namen der Menschen aus Ioannina, die dem Holocaust zum Opfer fielen.
Ioannina, Ioustinianou 16, Informationen für Besucher unter Tel: (+30) 26510 25195
Museum des Nationalen Widerstands
Im Museum des Nationalen Widerstands, untergebracht in einem Ende des 18. Jh. errichteten Nebengebäude der Moschee, sind Gegenstände und Dokumente sowohl der Griechischen Revolution als auch des Kampfes gegen die deutsch-italienische Besatzung ausgestellt.
Ioannina, Papandreou Platz, geöffnet Mo-Fr von 9:30-12:30 Uhr, Informationen unter Tel: (+30) 26510 37644
Nach 1945
Wegen der Deportation der Jüdinnen und Juden aus Ioannina, Athen, Korfu, Rhodos und Kos begann im Jahr 1964 bei der Staatsanwaltschaft Bremen ein Ermittlungsverfahren gegen Dr. Walter Blume, der ab November 1943 als Befehlshaber der Sicherheitspolizei und des SD (BdS) maßgeblich an der Entrechtung, Ghettoisierung und Deportation der griechischen Juden beteiligt war, SS-Hauptsturmführer Anton Burger, den Judenreferenten beim Befehlshaber der Sipo und des SD in Griechenland, und SS-Untersturmführer Friedrich Linnemann, seit Ende 1943 tätig als Mitarbeiter im Judenreferat des Befehlshabers der Sipo und des SD in Griechenland (Aktenzeichen 10 JS 156/64).
Im Laufe der sich zähflüssig über viele Jahre hinziehenden Ermittlungen wurden insgesamt 35 Aktenbände mit tausenden von Seiten zusammengetragen, danach das Verfahren gegen Blume und Linnemann im Jahr 1971 auf Kosten der Staatskasse eingestellt. Anton Burger, nach dem auch als Lagerkommandant des KZ Theresienstadt gesucht wurde, galt als verschollen, lebte aber unter wechselnden falschen Identitäten unerkannt bis zu seinem Tod 1991 in der Bundesrepublik.
Der Rechtshistoriker Professor Christoph Schminck-Gustavus hat die Originaldokumente des Ermittlungsverfahren analysiert und zeigt in seinem Buch Winter in Griechenland ausführlich Lügen und Auslassungen der Beschuldigten auf und entlarvt nicht nur deren Widersprüche (S. 215-330).
Literatur / Medien:
Bundesarchiv: Abschlussbericht über die Tätigkeit des Sonderkommandos Rosenberg in Griechenland, 15. Nov. 1941 (34 Seiten mit Anlagen), NS/75; Meyer, Hermann Frank: Blutiges Edelweiß – Die 1. Gebirgsdivision im Zweiten Weltkrieg, 3. Auflage, Berlin 2010, S. 583-609; Nessou, Anestis: Griechenland 1941-1944, Deutsche Besatzungspolitik und Verbrechen gegen die Zivilbevölkerung - eine Beurteilung nach dem Völkerrecht, Göttingen 2009; Schminck-Gustavus, Christoph U.: Feuerrauch - Die Vernichtung des griechischen Dorfes Lyngiádes am 3. Oktober 1943, Bonn 2013; ders.: Winter in Griechenland. Krieg - Besatzung - Shoah 1940 – 1944, Göttingen 2011; Central Board of of Jewish Communities in Greece: The Jewish Community of Ioannina