Region Nördliche Ägäis / Regionalbezirk Lesbos

Gedenkstätte am Tzamakia BeachDie Insel
Lesbos (auch: Lesvos) ist mit 86.436 Einwohner/innen (Stand 2011) die drittgrößte Insel Griechenlands. Hauptort der Insel und des gesamten gleichnamigen Regionalbezirks ist Mytilini.
Die nur ca. 10 km vor dem türkischen Festland liegende Insel ist seit dem Jahr 2015 einer der wichtigsten Anlaufpunkte für Flüchtlinge aus Krisenregionen, ein "EU-Hotspot". In mehreren, heillos überfüllten Flüchtlingslagern leben aktuell (Stand März 2018) rund 8.000 schutzsuchende, über die Ägäis geflohene Menschen unter bedrückenden, menschenunwürdigen Verhältnissen.

Ereignisse
Nachdem die deutsche Wehrmacht in Griechenland eingefallen war und am 27. April 1941 Athen einnahm, wurde auch Lesbos am 4. Mai 1941 von deutschen Infanterie- und Luftlandetruppen besetzt. Die Insel wurde - wie auch die Inseln Milos, Limnos, Chios und die Nördlichen Sporaden - Teil der deutschen Besatzungszone und dem „Befehlshaber Saloniki-Ägäis“ unterstellt. Ab Januar 1942 wurde in Mytilini die Ortskommandantur 982 für den Bereich dieser Inseln eingesetzt (Nessou, S. 100).
Die Versorgungslage unter deutscher Besatzung war katastrophal, was Generalleutnant Curt v. Krenzki in seinem Verwaltungsbericht für November 1941 nach Berlin kabelte:
Die Versorgungslage kann nicht ernst genug angesehen werden ... Unvorstellbar ist die Ernährungslage auf den Inseln Lesbos und Chios. Hier konnte seit 40 Tagen kein Brot mehr ausgegeben werden ..." (zit. nach Bundesarchiv, S. 187).
Im Januar 1942 gründeten republikanische Honoratioren - unter ihnen ein ehemaliger Venizelos-Abgeordneter, Armeeoffiziere und Großgrund- sowie Firmenbesitzer - in Mytilini eine erste Befreiungsorganisation. Im Frühjahr 1943 schlossen sie sich der Nationalen Befreiungsfront EAM an (Mazower, S. 147).

Die erste Hinrichtungsstelle42 Hinrichtungen während der deutschen Besatzung
Während der 40 Monate andauernden Besatzungszeit der Insel wurden insgesamt 42 Männer hingerichtet. Die ersten 3 Hinrichtungen wurden am Hafen von Mytilini durchgeführt, die späteren - um zu große Öffentlichkeit zu vermeiden - am Tzamakia Beach.
Alle Exekutionen fanden früh morgens statt. Der Exekutionskonvoi startete immer bei der Kommandatur, die beschlagnahmte Villa Iliopoulos in Sourada, und fuhr in folgende Reihenfolge:
Vorne die „Laterne“, ein kleinerer Wagen mit einer Öllampe, wie die, die auf Gräbern stehen. Dahinter das Auto mit den Offizieren der Exekution und die Wache. Dann der Gefangenentransporter mit den Todesverurteilten und 4 Wachleuten. Am Ende ein Lkw mit der Militärwache und das Exekutionskommando. Wenn der Konvoi ankam, als es noch in Blokia war, wurden die zum Tode Verurteilten an einem Holzrahmen festgemacht. Ihnen wurde der Kopf zugedeckt und ein Exekutionskommando von 10 schoß. [...]
Wenn die Exekution in Tsamakia stattfand, wurden die Todesverurteilten an die Pinienbäume gebunden, bekamen den Kopf bedeckt und wurden von Exekutionskommandos erschossen . Den finalen Schuss gab dann der Offizier des Exekutionskommandos“ (Giorgos Galetsas, Rede bei der Gedenkveranstaltung am 24. September 2016).
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Am 10. September 1944 verließen die deutschen Truppen die Insel Lesbos. Von der befreiten Insel aus arbeitete kurzfristig der aus der Strafdivision 999 desertierte Wolfgang Abendroth in einer Art Propaganda-Zentrale der EAM und ELAS und gab Flugblätter heraus, in denen deutsche Soldaten zur Beendigung des Krieges und zum Überlaufen aufgefordert wurden.

Gedenken
Gedenkstätte am Hinrichtungsort Tzamakia Beach
Eine erste Gedenkstätte wurde am Tzamakia Beach bereits 1945 errichtet.
Im Jahr 2016 wurde an der Gedenkstätte eine zusätzliche Tafel angebracht, die den Ort als Platz des „Historischen Gedenkens“ kennzeichnet.

Deutsche Kommandantur Villa IliopoulosEhemalige deutsche Kommandantur Villa Iliopoulos
Die deutsche Kommandatur in Sourada beherbergte im Keller Haft- und Folterzellen, im Erdgeschoss u.a. Verhörräume, und der große Saal diente als Sitz des Militärgerichts. An dem neoklassizistischen Gebäude der ehemaligen deutschen Kommandantur erinnert heute nichts an seine frühere Nutzung.

Gedenklauf
Im Jahr 2016 fand erstmals ein Gedenklauf entlang des Weges statt, den die zum Tode Verurteilten von der Kommandantur zum Hinrichtungsort Tzamakia Beach zurücklegen mussten. Dieser Gedenklauf findet seither jedes Jahr am letzten Samstag im September statt.

Die Redaktion dankt Marily Stroux und Giorgos Galetsas für Hintergrundinformationen und Zurverfügungstellung der Fotos.

Literatur / Medien:
Abendroth, Wolfgang: Der gemeinsame Kampf mit den Griechen, In: Studienkreis deutscher Widerstand (Hg.), Frankfurt: Informationen Nr. 2/1979, S. 19-20; Bundesarchiv (Hg.): Europa unterm Hakenkreuz - Die Okkupationspolitik des deutschen Faschismus in Jugoslawien, Griechenland, Albanien, Italien und Ungarn (1941 - 1945), Dokumentenauswahl und Einleitung von Martin Seckendorf unter Mitarbeit von Günter Keber, Jutta Komorowski, Horst Muder, Herbert Stöcking und Karl Übel, Berlin 1992; Mazower, Mark: Griechenland unter Hitler: Das Leben während der deutschen Besatzung, Frankfurt 2016 (deutsche Übersetzung des 1993 erschienenen Buches Inside Hitler’s Greece – The Experience of Occupation 1941-44); Nessou, Anestis: Griechenland 1941-1944, Deutsche Besatzungspolitik und Verbrechen gegen die Zivilbevölkerung - eine Beurteilung nach dem Völkerrecht, Göttingen 2009; kein-mensch-ist-illegal-hh.blogspot.de/2016/12/lesvos-giorgos-galetsas-halt-eine-rede.htmlwww.lesvosoldies.gr