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Piotrków Trybunalski

Piotrkow Trybunalski

Der Ort
Piotrków Trybunalski ist eine Kreisstadt in der Woiwodschaft Łódź mit 72.250 Einwohner*innen (2021). Vor dem 2. Weltkrieg waren es 51.000, davon etwa 24.000 katholische Polen, 25.000 Juden und 1.500 Deutsche; 1939 wurde die Stadt von den Deutschen in Petrikau umbenannt. Bahn: Züge nach Warschau, Częstochowa, Katowice.

Mit dem Auto von Łódź 47 km (DK 91), von Warschau 137 km (S 8).

Jagd auf Polen
Nach der Einnahme der Stadt durch die Wehrmacht am 5.9.1939 begannen Angehörige der Einsatzgruppen die Suche nach Angehörigen der 'polnischen Intelligenz', z.B. Lehrern, Richtern, Abgeordneten, Verlegern, Bankangestellten. Im Frühjahr 1940 wurden die Verhaftungen ausgedehnt; am 29.6.1940 töteten sie in einem Massaker 42 Häftlinge des örtlichen Gefängnisses  im Wolborski-Wald; am selben Tag wurden 121 Polen aus Piotrkow und Umgebung in die KZ Auschwitz, Groß-Rosen und Dachau deportiert, Denkmal an der ul. Rakowska.

Karte des Ghettos; Quelle: deathcamps.org Ghettogrenze; Quelle: Dawny Piotrków.pl Jugendliche im Ghetto: Quelle: Yad Vashem

Judenverfolgung, Ghetto und Vernichtungslager
Während der deutschen Besatzung lag die Stadt auf dem Gebiet des „Generalgouvernements“. Der deutsche Oberbürgermeister Hans Drexel befahl am 8. Oktober die Errichtung eines Judenghettos, das erste Ghetto im besetzten Polen. Der dafür bestimmte Bezirk umfasste die Altstadt und benachbarte Gebiete. Wo vorher 6.000 Menschen gewohnt hatten, wurden etwa 25.000 Jüdinnen und Juden aus der Stadt und der Umgebung  eingewiesen.

Im Oktober 1942 begann die „Liquidierung“ des Ghettos. 18.000 bis 22.000 Männer, Frauen und Kinder wurden in das Vernichtungslager Treblinka verschleppt und mit Gas ermordet. Etwa 500 gelang die Flucht in die Wälder. 2.000 blieben in ihren Verstecken; sie wurden später im Wolborski-Wald ermordet. Das übrig gebliebene „Kleine Ghetto“ wurde ein Lager für mehrere tausend jüdische Zwangsarbeiter, die in Industriebetrieben von Piotrków arbeiten. Ende August 1943 wurde es ebenfalls aufgelöst. Bis November 1944 existierten noch zwei Fabriklager. Die dort eingesetzten Häftlinge wurden danach in die Konzentrationslager Buchenwald und Ravensbrück verschleppt.

Gedenktafel an Zwangsarbeiter; Quelle: Zorro 2212, de.m-wikipedia, CC-SA 3.0Zwangsarbeit
Die Arbeitsämter waren maßgeblich an der Rekrutierung von Zwangsarbeiter*innen für das Deutsche Reich beteiligt. „Freiwillige“ Meldungen von polnischen Menschen gingen rapide zurück, als sie erfuhren, wie sie bei Lohn und im alltäglichen Verhalten gegenüber deutschen Arbeitskräften massiv diskriminiert wurden (vgl. Artikel „Polen-Erlasse“ vom März 1940). Schon lange vor dem Amtsantritt (März 1942) von Fritz Sauckel, dem „Generalbevollmächtigten für den Arbeitseinsatz“, waren Zwangsvorladungen, Razzien und „Fangaktionen“ alltägliche Mittel, um die vorgegebenen Zahlen von Zwangsarbeiter*innen zu erreichen... und das Arbeitsamt zu einer der meist gehassten Behörden zu machen. Trotz zusätzlicher Polizeikräfte brachten die Zwangsmaßnahmen weniger Arbeitskräfte, u.a  wegen gestiegener Widerstandsaktivitäten;  insgesamt wurden über zwei Millionen polnische Menschen zur Zwangsarbeit ins „Reich“ oder andere Länder verschleppt und noch einmal hunderttausende in polnische Gebiete (vgl. Linne u.a., a.a.O., S. 161 bzw. Dierl u.a., a.a.O., S. 169f. und S. 315f. ).
Angesichts dieser Gewalt ist der Text auf der Gedenktafel am ehemaligen Arbeitsamt von Piotrków eher zurückhaltend: „1939-1945. In diesem Gebäude befand sich das Arbeitsamt, von dem aus unsere Bürger zur Arbeit nach Deutschland geschickt wurden“ (19 ul. Juliusza Słowackiego).

Widerstand
Schon in den ersten Kriegsmonaten entwickelte sich Piotrków zum Zentrum einer gut organisierten polnischen Widerstandsbewegung gegen die deutsche Besatzungsmacht. Seit Frühjahr 1940 befand sich hier das geheime Hauptquartier des Distrikts der Heimatarmee (Armia Krajowa, AK). Seit dem Sommer 1944 bis zum November kam es zu Kämpfen mit den deutschen Besatzern. Neben der AK waren auch andere Gruppen aktiv, die u.a. mit den polnischen Sozialdemokraten, den Kommunisten oder den Bauern-Bataillonen verbunden waren. Am 18.1.1945 nahm die Rote Armee die Stadt ein.

Gedenktafel an Ghetto; Quelle: wikimedia Blick in jüdischen Friedhof; Quelle: Zorro 2212, wikimedia, CC BY 3.0 Gedenktafel an jüdischen Friedhof; Quelle: W. Domagala, wikimedia, CC BY 3.0

Gedenken


Ghetto von Piotrków Trybunalski
An das Ghetto erinnert eine Gedenktafel an einer Hauswand an der Ecke des Marktplatzes (Rynek Trybunalski) und der ul. Sieradzka.

Jüdische Friedhöfe
Der 1792 angelegte neue jüdische Friedhof wurde während der deutschen Besatzung schwer beschädigt. Erhalten sind einige tausend Grabsteine, der älteste aus dem Jahr 1794. Sehenswert sind auch die restaurierten Grabstätten von Zaddikim („Gerechte“, chassidische Führer), bekannter rabbinischer Dynastien aus Wolborz, Radoszyce und Rozprza, wie auch des bekanntesten von ihnen, des Zaddik Chaim Dawid Bernard aus Piotrków (19. Jhd.).

Nach dem Krieg wurde in der Mitte des Friedhofs ein Denkmal in Form eines symbolischen Grabsteins mit einer Gedenktafel für die zwischen 1940 und 1943 von den Deutschen ermordeten Juden von Piotrków errichtet. Im Oktober 1942 waren an dieser Stelle, noch vor Beginn der Deportationen nach Treblinka, 192 Juden erschossen worden. In der Nähe des Eingangstores befindet sich ein weiterer Gedenkstein für die Opfer der Hinrichtung der örtlichen jüdischen Intelligenz auf diesem Friedhof im Oktober 1943. Die Gedenktafel trägt die Inschrift: „Möge dieses gemeinsame Grab auf ewige Zeiten ein Zeugnis der Leiden des jüdischen Volkes und der unmenschlichen Grausamkeit der deutschen Barbaren sein.“ Adresse: ul. Spacerowa 93.

Der alte jüdische Friedhof existiert nicht mehr. Auf einem Teil des ehemaligen Geländes gibt es einen kleinen begrünten Platz. Eine Tafel an der Rückwand der neuen bzw. Großen Synagoge erinnert an den alten Friedhof.

Große Synagoge (2012 restauriert); Quelle: Chrumps, wikimedia Kleine Synagoge; Quelle: Chrumps, wikimedia,  CC BY-SA 4.0

Synagogen

Die Große (Alte) Synagoge wurde in den Jahren 1791-1793 an der Stelle der alten Holzsynagoge nach Plänen des Architekten Dawid Friedlander erbaut und ist als Kulturerbe der Juden von Piotrków erhalten geblieben. Mitte des 19. Jahrhunderts wurde sie erneuert und erhielt maurische Stilelemente. Von den deutschen Besatzern zerstört, wurde das Gebäude erneut 2012 restauriert. Jetzt befindet sich die Stadtbücherei darin. Eine Gedenktafel in polnischer, hebräischer, jiddischer und englischer Sprache erinnert: „In diesem Gebäude befand sich einst die Große Synagoge. Diese Tafel ist dem Gedenken an die Juden von Piotrków gewidmet, die durch die Hitler-Besatzer in den Jahren 1939-1945 ermordet wurden.“ Heute ist dieser Tempel mit seiner einzigartigen Architektur eine der besterhaltenen Synagogen in ganz Polen; Adresse: ul. Jerozolimska 25 (Jerusalemer Straße).
Auch die nahe gelegene Kleine Synagoge (1775 erbaut) wurde während des Zweiten Weltkrieges von den Deutschen zerstört. Danach stand sie viele Jahre leer. Sie wurde  in den 1960er Jahren restauriert und diente dann als Bücherei für Kinder. An der östlichen Wand im oberen Bereich ist ein Teil des „Aron ha-kodesch“ (Toraschrein)  erhalten; Fragmente einer Wandmalerei von Perec Wilenberg (1931) lassen Löwen erkennen, die eine Tafel mit dem Dekalog halten; Adresse: ul. Jerozolimska 29.

Denkmal und Gedenktafel für General Stefan Grot-Rowecki
General Stefan Paweł Rowecki, von 1942-1943 Kommandant der Armia Krajowa) wurde  in Piotrków Trybunalski geboren. Im Juni 1943 wurde er in Warschau verhaftet und Anfang August 1944 im Konzentrationslager Sachsenhausen ermordet. An ihn erinnern eine Gedenktafel an seinem Elternhaus (ul. Slowackiego 1) und ein Denkmal mit einer Büste, das 1995 auf dem kleinen Platz am Kulturhaus enthüllt wurde: ul. 3go Maja (Straße des 3. Mai).

Bernhardinerkloster; Quelle: Lestat, pl.wikipedia, gemeinfreiGedenktafel für die polnische Untergrundregierung
Das 1624 erbaute Bernhardinerkloster steht nicht weit vom Friedhof und der Synagoge entfernt. Nach der Niederschlagung des Warschauer Aufstandes setzten Mitglieder des polnischen Untergrunds ihre konspirative Tätigkeit in Piotrkow Trybunalski (und in Krakau) fort und versammelten sich im Bernhardinerkloster. Daran – und an AK-Aktionen bis 1956 in Volkspolen -  erinnern Gedenktafeln im Eingangsbereich des Klosters. Adresse: Klasztor Bernardynów, ul. Juliusza Słowackiego 2.

Literatur/Medien
Gutman, Israel (Hg.): Enzyklopädie des Holocaust, Berlin 1993, S. 1114f.
Miron, Guy/Shulhani, Shlomit (Hg.): Die Yad Vashem Enzyklopädie der Ghettos während des Holocaust, Göttingen/Jerusalem 2014, Bd. 2, S. 599-604
Dierl, F./Janjetović, Z./Linne, Karsten: Pflicht, Zwang und Gewalt. Arbeitsverwaltungen und Arbeitskräftepolitik im besetzten Polen und Serbien 1939–1944, Essen 2013
Linne, Karsten/Dierl, Florian (Hg.): Arbeitskräfte als Kriegsbeute: Der Fall Ost- und Südosteuropa 1939-1945, Berlin 2011

http://www.deathcamps.org/occupation/piotrkow%20ghetto.html https://www.yadvashem.org/yv/en/exhibitions/valley/piotrkow/index.asp
https://de.wikipedia.org/wiki/Piotrk%C3%B3w_Trybunalski

(2018 – B. Kosmala; ergänzt 2021 – Uhh)
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