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Posen - Fort VII

Woidwodschaft Großpolen/Wojew. Wielkopolska

Das KZ-Lager Fort VII

Die zentrale Gedenkstätte für die westpolnische Region Wielkopolska (Großpolen) ist im ehemaligen Fort VII untergebracht. Die Anlage wurde in den 1870er Jahren im Rahmen der preußischen „Festung Posen“ errichtet und am 10. Oktober 1939 von der neuerrichteten Gestapodienststelle Posen als „Konzentrationslager Posen“ in Betrieb genommen. Für die Zwecke der Besatzer eignete sich die Anlage vor allem dadurch, dass sie weitgehend unterirdisch war und die Umgebung damals kaum besiedelt war.SS Konzentrationslager Posen, Eingang in Zellentrakt; Foto: Uhh
Das Lager diente offiziell als „Übergangslager“, wurde aber bald auch für die längerfristige Inhaftierung vor allem polnischer Widerstandskämpfer oder des Widerstands Verdächtigter genutzt. Die genaue Zahl der Opfer ist nicht bekannt; die deutschen Behörden meldeten 479 Todesfälle an das Standesamt, diese Zahl ist allerdings bei weitem zu niedrig. Die wirkliche Zahl der Opfer wird auf über 10.000 geschätzt; bei einer mutmaßlichen Gesamtzahl von bis zu 15.000 Gefangenen war die Todesrate damit sehr hoch. Das hängt auch damit zusammen, dass auf etwa 2.000 Gefangene, die gleichzeitig hier inhaftiert waren, eine Wachmannschaft von 400 bis 500 SS-Leuten kam, die sich – insbesondere zum Zahltag des Soldes – regelmäßig in betrunkenem Zustand ihr Mütchen an den Gefangenen kühlte und diese nach Belieben misshandelte.

Eingang in Fort VIIZellengang in Fort VIIPrischen in den Zellen

In den ersten Wochen des Betriebs wurden in das Fort VII vor allem die nach den Listen des „Sonderfahndungsbuches Polen“ routinemäßig verhafteten polnischen Aktivisten, Teilnehmer am Posener Aufstand 1918/19 und Angehörige der Intelligenz eingeliefert. Sie wurden in den meisten Fällen bereits nach wenigen Tagen von Standgerichten zum Tode „verurteilt“ und anschließend hingerichtet. Die Hinrichtungen geschahen meist durch Erschießen und Erhängen, später praktizierten die Nazis u.a. auch die grausame Technik der „Glocke“: In einer unterirdischen Kasematte wurden Gefangene an den Füßen aufgehängt und ins Schwingen gebracht, bis sie sich an den Mauern die Schädel einschlugen.
Viele Gefangene kamen auch durch die unhygienischen Haftbedingungen und durch sadistische Schikanen der Bewacher beim „Hofgang“ ums Leben. Im Museum wird die „Todeswand“ gezeigt, eine Mauernische, in der nach Angaben Überlebender täglich 7 bis 9 Gefangene erschossen wurden. Zu Massenhinrichtungen wurden die Gefangenen in der Regel in Wälder in der Umgebung transportiert.

Das Fort VII war auch einer der ersten Orte, an dem die Ermordung psychisch Kranker durch Gas erprobt wurde (vgl. Sachstichworte Aktion T4 und Krankenmorde im deutsch besetzten Polen). Im November und Dezember 1939 wurden in einer „Probegaskammer“ bis zu 400 Patienten der Psychiatrischen Abteilung des Städtischen Krankenhauses und der Heilanstalt Owińska vor den Toren von Poznań (ca. 12 km nördlich) durch Kohlenmonoxidgas umgebracht. Am 12./13. Dezember 1939 ließ sich SS-Reichsführer Heinrich Himmler das Verfahren demonstrieren. Die Gaskammer Bunker 17: Raum der ehem. Gaskammer; Quelle: radomil, wikipedia, GFDL1.2im Bunker 17 wurde anschließend wieder abgebaut. Ein ähnliches Verfahren (fahrbare Gaskammer mit Motorabgasen) setzte das SS-Sonderkommando Lange bei der Tötung von Kranken und Behinderten anderer psychiatrischer Klinken u.a. im Warthegau und ab Dezember 1941 bei der Massentötung von Juden im Vernichtungslager Kulmhof (Chelmno nad Nerem) ein; Näheres siehe dort. Die LKW mit fahrbarer Gaskammer wurden z.T. auf dem Gelände des SS-Hauptquartiers 'Soldatenheim' in der ul. Niezlomnych 2 montiert.
Ab Ende 1939 diente das Fort VII als „Arrest der Staatspolizei“. Die Dauer der Haft wurde länger, sie endete aber weiter entweder mit dem Tode der Gefangenen vor Ort oder mit ihrer Weiterleitung in größere deutsche Konzentrationslager oder Gefängnisse, in die die meisten Gefangenen deportiert wurden. Ab 1941 wurden verstärkt Polen kurzzeitig inhaftiert, die sich der Arbeitspflicht für die Besatzer zu entziehen suchten. Es entstand die Kategorie der „Sonntagshäftlinge“, die vom Arbeitsschluss am Samstag bis zum Arbeitsbeginn am Montag in das Lager eingeliefert wurden.
Ab 1943 wurden die Häftlinge zum Bau eines Nachfolgelagers im Posener Vorort Żabikowo (Lubon) (damals: Posen-Lensingen) eingesetzt und anschließend dorthin verlegt. Der letzte Transport verließ das Lager am 25. April 1944. Anschließend produzierte die Firma Telefunken im Fort VII bis zum Ende der Besatzungszeit Funkgeräte für den Bedarf der Wehrmacht.

Todesurteil gegen acht PolenTodeswandEingang zum Museum; Quelle: pl.wikiwand

Gedenken
Die Ausstellung im Museum zeigt neben Dokumenten der Besatzer auch zahlreiche Hinterlassenschaften der Opfer und ihrer Hinterbliebenen wie Briefe, Kassiber, Handarbeiten, aus Brotteig gefertigte Rosenkränze u.a.m. In einem Raum steht die aus dem Gefängnis in der ul. Młyńska in der Innenstadt hierher verlegte Guillotine, mit der während der fünfeinhalb Jahre der deutschen Besatzung rund 1.700 Polen hingerichtet wurden, also einer pro Tag. In den Bunkern 16 und 17 befinden sich Tafeln mit Namen der Ermordeten. Neben dem Museumseingang sieht man die „Todestreppe“, auf der Gefangene zu mörderischer Gymnastik gezwungen wurden.

Muzeum Martyrologii Wielkopolan – Fort VII, Adresse: 48 al. Polska, Poznań; Internet: https://pl.wikipedia.org/wiki/Muzeum_Martyrologii_Wielkopolan_%E2%80%93_Fort_VII; Öffnungszeiten: April-September: täglich 9.00-17.00, (So. bis 16.00), Oktober-März: 9.00-16.00, am 1. November: 9.00-19.00; dienstags Eintritt frei;
Anfahrt: Die Aleja Polska liegt am westlichen Rand der Innenstadt. Die Gedenkstätte ist beschildert; Parkmöglichkeiten sind vorhanden. ÖPNV :Stadtbusse 159 und 177 in Richtung Ławica, Abfahrt vom Hauptbahnhof.

Literatur/Medien
https://www.memorialmuseums.org/staettens/view/1450 (Museum Fort VII Colomb)
https://www.erinnerungsorte.org/karte-polen/mpc/Memorial/mpa/show/mp-place/poznan-muzeum-martyrologii-wielkopolan-fort-vii/
https://de.wikipedia.org/wiki/Fort_VII_in_Posen (dt. - dort weitere Literaturhinweise)
https://pl.wikipedia.org/wiki/Fort_VII_w_Poznaniu_(miejsce_ka%C5%BAni) (polnisch) - mit Namen von erschossenen Gefangenen

Text und Fotos – soweit nicht anders vermerkt: © Reinhard Lauterbach, 2015