Region Mittelgriechenland / Regionalbezirk Fthiotida
Der Ort
Gorgopotamos ist ein zur Gemeinde Lamia gehörendes Dorf, das nach dem gleichnamigen Fluss benannt ist, den der Gorgopotamos-Eisenbahn-Viadukt auf 220 Metern Länge in einer Höhe von über 20 Metern überspannt.
In Lamia (in Richtung Karpenisi) zweigt kurz hinter der Gedenkstätte für den Nationalen Widerstand links am Bahnübergang die Straße nach Gorgopotamos ab (10 km).
Die Ereignisse
Britische Operation Harling
In der Nacht vom 25. auf den 26. November 1942 wurden in der italienischen besetzten Zone Griechenlands 2 Pfeiler des Gorgopotamos-Eisenbahn-Viadukts gesprengt.
Für diese Sabotageaktion an der einzigen Eisenbahnverbindung zwischen Athen und Thessaloniki war zwei Monate zuvor ein 12-köpfiges Sonderkommando des SOE (Special Operations Executive, britische nachrichtendienstliche Spezialeinheit) um Oberst Edmund C. W. Myers und Major Christopher Woodhouse über Roumeli abgesprungen. Ziel der Aktion war, mit der Sprengung den Nachschubweg für Rommels Truppen der Achsenmächte in Nordafrika zu unterbrechen.
Die Verbindungsaufnahme zu Mitgliedern des für das Unternehmen eminent wichtigen griechischen Widerstands nahm nach dem Absprung mehrere Wochen in Anspruch, führte aber zum Erfolg: Etwa 150 Männer unter dem Kommando von Aris Velouchiotis (ELAS) und Napoleon Zervas (EDES) willigten ein, sich an der Sprengung zu beteiligen. Ihre Aufgabe war es, die Umgebung zu sichern und die starke italienische Brückensicherung auszuschalten, während das SOE-Team die Sprengladungen an den Brückenpfeilern anbrachte.
Die Sprengung hatte in mehrerer Hinsicht durchschlagenden Erfolg: Der über diese Strecke verlaufende Nachschub für die faschistischen Truppen in Südgriechenland und auf Kreta wurde für 6 Wochen unterbrochen. Erst am 6. Januar 1943 konnte der erste Zug die Brücke wieder überqueren. Ob dies noch Einfluss auf den Nordafrika-Feldzug hatte, ist umstritten, da Rommel die Entscheidungsschlacht bei EI Alamein bereits verloren hatte. Darüberhinaus wirkte die gelungene Sprengung des Gorgopotamos-Viadukts aber als Fanal für den griechischen Widerstand und gab ihm einen enormen Aufschwung.
Reaktionen der Besatzungskräfte
Am 26. November 1942 erreichte die Nachricht über die Sprengung des Viadukts die militärische Führungsspitze in Deutschland. Am 2. Dezember 1942 telegrafierte der Sonderbeauftragte für wirtschaftliche und finanzielle Fragen in Griechenland, Hermann Neubacher, nach Berlin: „Die Operationsbasis Griechenland war bis zur Änderung der Situation in Afrika wesentlich eine Brückenstellung für den Nachschub Kreta und Nordafrika. […] Das griechische Festland [könnte] […] über kurz oder lang Gegenstand einer feindlichen Aktion werden. […]Wenn irgend möglich, sollte die Sicherung des entscheidend wichtigen Transportweges der Eisenbahn bis Athen von deutschen Truppen in der Stärke einer Division übernommen werden. Die Folgen der Brückensprengung von Gorgopotamos sind überaus schwerwiegend. Wiederholungen solcher Anschläge müssen die Haltbarkeit der gesamten operativen Basis einschließlich Kreta in Frage stellen“ (zit. nach Bundesarchiv, S. 217f.).
Daraufhin wurde die Sicherung der Eisenbahnlinie Athen - Thessaloniki durch deutsche Truppen übernommen und General Löhr erließ verschärfte Befehle zur „Bandenbekämpfung“, die auch Geiselnahmen beinhalteten (Nessou, S. 191).
Als direkte Reaktion auf die Sprengung des Gorgopotamos-Viadukts wurden 16 aus dem nahen Ypati stammende Geiseln erschossen.
Gedenken
Gedenkstätte für die erschossenen Geiseln
Die Gedenkstätte für die erschossenen Geiseln befindet sich am Hang unterhalb des Viadukts.
Anfahrt: Kurz hinter dem Ortsausgang von Gorgopotamos zweigt rechts in einer Haarnadelkurve der Weg zur Gedenkstätte ab.
Gedenkort des Nationalen Widerstands
Nachdem die griechische Regierung 1982 endlich auch die Nationale Befreiungsfront EAM und ihre Unterorganisationen als Teil des Nationales Widerstands anerkannte, wurde der 25. November, der Tag der symbolträchtigen Sprengung des Gorgopotamos-Viadukts, als offizieller Gedenktag des Nationalen Widerstands eingeführt.
Stätte der jährlich stattfindenden Gedenkveranstaltungen ist ein ausgedehntes Areal oberhalb des Viadukts mit einer kleinen Kapelle und einem Gedenkstein zu Ehren der Kämpfer des Nationalen Widerstands..
Anfahrt: Folgt man an der Haarnadelkurve der Straße weiter in Richtung Süden, wird nach ca. 800 Metern das Gedenkareal erreicht.
Literatur / Medien:
Bundesarchiv (Hg.): Europa unterm Hakenkreuz - Die Okkupationspolitik des deutschen Faschismus in Jugoslawien, Griechenland, Albanien, Italien und Ungarn (1941 - 1945), Dokumentenauswahl und Einleitung von Martin Seckendorf unter Mitarbeit von Günter Keber, Jutta Komorowski, Horst Muder, Herbert Stöcking und Karl Übel, Berlin 1992; Kambas, Chryssoula / Mitsou, Marilisa (Hg.): Die Okkupation Griechenlands im Zweiten Weltkrieg. Griechische und deutsche Erinnerungskultur, Köln 2015; Meyer, Hermann Frank: Blutiges Edelweiß – Die 1. Gebirgsdivision im Zweiten Weltkrieg, 3. Auflage, Berlin 2010; en.wikipedia.org/wiki/Operation_Harling