Einführung

Die deutsche Besatzung der Region Latium - von der sich vor allem die Deportation der Jüdinnen und Juden aus dem römischen Ghetto im Oktober 1943 und die Ermordung von 335 politischen und jüdischen Gefangenen in den Ardeatinischen Höhlen tief in das Bewußtsein der italienischen Öffentlichkeit eingebrannt haben - dauerte vom italienischen Kriegsaustritt am 8. September 1943 bis Mitte Juni 1944, als sich die letzten deutschen Truppen vor nachrückenden Alliierten zurückzogen und sich das Kampfgeschehen in die südliche Toskana und die Marken verlagerte.

Karte Gustav-Linie, stark vereinfacht (Grafik: Wikipedia, Stephen Kirrage CC BY-SA 3.0)Am 8. September 1943 floh König Vittorio Emanuele III. mit seiner Regierung (Ministerpräsident: Marschall Pietro Badoglio) aus Rom, Hauptstadt Italiens und der Region Latium, in die bei seiner Ankunft bereits von den alliierten Truppen befreite Region Apulien, nachdem der Waffenstillstand zwischen den Alliierten und Italien verkündet worden war. Nach zweitägigen Kämpfen von einzelnen Truppenteilen der führungslos hinterlassenen italienischen Armee und Mitgliedern des antifaschistischen Widerstands in den südwestlichen Vororten und an der Porta San Paolo marschierten die deutschen Truppen in Rom ein und wurden von einem Tag zum anderen vom befreundeten Waffenpartner zum feindlichen Besatzer. Ab Mitte September war Rom vollständig besetzt und ein erbarmungsloses Besatzungsregime wurde installiert.

Zwei-Fronten-Krieg in der Region Latium
Durch den Vormarsch der alliierten Truppen, die nach der Landung bei Salerno südlich von Neapel (Kampanien) am 9. September 1943 weiter nach Norden vordrangen, zum Rückzug gezwungen, begannen die deutschen Besatzungstruppen bereits im Oktober 1943 mit den Planungen zum Ausbau der neu einzunehmenden Verteidigungslinie (Gustavlinie). Dafür wurden im Süden der Region Latium (wie in der östlichen Nachbarregion Abruzzen) weite Landstriche von der Bevölkerung geräumt. Die Wehrmacht „säuberte“ die Zone um die und insbesondere vor der Gustav-Linie nach dem „Prinzip der verbrannten Erde“ (Verbrecherische Befehle; wirtschaftliche Ausbeutung) und rekrutierte oftmals die einheimische Bevölkerung für die Schanzarbeiten, im Verweigerungsfall auch mit Waffengewalt (Zwangsarbeit).
Nachdem die Truppe seit Anfang Oktober 1943 ermächtigt war, auf Zivilisten, die im gesperrten Frontgebiet angetroffen wurden, das Feuer zu eröffnen bzw. sie kurzerhand zu erschießen (Gentile, S. 109), beging sie eine Reihe von grundlosen Gewaltexzessen, von denen das Massaker von Collelungo di Cardito am 28. Dezember 1943 die größte Anzahl von Opfern, darunter auch viele Frauen und Kinder, forderte.

Nach dem Rückzug der deutschen Truppen auf die Gustavlinie kam es auf der Höhe von Cassino zu monatelangen Kämpfen um den Klosterberg Monte Cassino, die vom 17. Januar bis zum 18. Mai 1944 andauerten: Eine der längsten und blutigsten Schlachten des Zweiten Weltkrieges mit schweren Verlusten auf beiden Seiten.
Um den Vormarsch nach Rom zu beschleunigen und deutsche Truppen zu binden (bei ganz positivem Verlauf sogar einzukesseln), führten die Alliierten zudem am 22. Januar 1944 die amphibische Landungsoperation (Operation Shingle) bei Anzio und Nettuno durch. Aufgrund strategischer Fehler der Alliierten gelang der Durchbruch jedoch erst nach dem Zusammenbruch der Cassino-Front Mitte Mai 1944.

Fosse Ardeatine - Eingang und MausoleumWiderstand gegen die deutsche Besatzung formierte sich außer in Rom, wo sich bereits am 9. September 1943 Antifaschist/innen ganz unterschiedlicher politischer Strömungen, von Kommunisten bis zu Christdemokraten, im CLN, im Komitee der nationalen Befreiung, zusammengeschlossen hatten, auch im Hinterland. Nachdem es den Partisanen beispielsweise gelungen war, in den Monti Reatini eine von deutschen Besatzern und Mussolinis RSI-Armee vollständig befreite Zone („Zona Libera“) zu errichten, führten extra aufgestellte „Bandenbekämpfungsstäbe" viele Durchkämmungsaktionen durch. In Leonessa wurden bei derartigen Razzien zwischen dem 2. und 7. April 1944 willkürlich 51, in den Monti Sabini am Monte Tancia am 7. April 1944 18 Männer, Frauen und Kinder und in Madonna della Pace am 26. Mai 1944 15 Zivilisten ermordet.

Am 4. Juni 1944 erreichten die Alliierten Rom. Beim Abzug aus der Stadt ermordeten deutsche Truppen am Stadtrand bei La Storta noch 14 politische Gefangene aus der Terrorzentrale in der Via Tasso. Auch während des weiteren Rückzugs der Besatzungstruppen aus der Region Latium - geprägt vom Prinzip der „verbrannten Erde" - fielen noch Frauen, Männer und kleine Kinder wie in Vicovaro dem Terror zum Opfer.
Mitte Juni war die gesamte Region befreit.

Einrichtungen:
Der Sitz des Geschichtsinstituts der Region Latium, das Istituto romano per la storia d'Italia dal fascismo alla Resistenza, ist in der Casa della Memoria e della Storia, Via San Francesco di Sales 5, Rom Trastevere, untergebracht, Tel: Tel: 06-6861317.
Weitere Einrichtungen:
Museo storico della Liberazione di Roma, Via Tasso 145/155, Tel: 06-70038 66, [email protected], www.viatasso.eu;
Casa della Memoria e della Storia, Via San Francesco di Sales 5, Rom Trastevere, Tel: 06- 6876543, casamemoria.wordpress.com;
Centro di Cultura Ebraica della Comunità Ebraica di Roma, Via Arco de' Tolomei, 1 00153 Roma, www.romaebraica.it/centro-di-cultura-ebraica;
Fondazione Museo della Shoah, Via Florida 24, 00186 Rom, Tel: 06-99700929, [email protected], www.museodellashoah.it;
„Vite di Internati Militari Italiani - Percorsi dal fronte di guerra ai lager tedeschi 1943-1945", Dauerausstellung zu Italienischen Militärinternierten (IMI), Via Labicana 15/A, Tel: 06-7004253, [email protected], www.anrp.it/mostra. Öffnungszeiten: Dienstag, Mittwoch, Donnerstag von 10:00 - 13:00 Uhr, Mittwochs auch von 15.00 - 17.00 Uhr.

Literatur / Medien:
Fulvetti, Gianluca / Pezzino, Paolo (Hg.): Zone di guerra, geografie e sangue - L'Atlante delle Stragi Naziste e Fasciste in Italia 1943-1945, Bologna 2016; Gentile, Carlo: Wehrmacht und Waffen-SS im Partisanenkrieg: Italien 1943–1945. Paderborn 2012; Gentile, Carlo: Itinerari di Guerra: La Presenza delle Truppe Tedesche nel Lazio Occupato 1943-1944; Klinkhammer, Lutz: Zwischen Bündnis und Besatzung: Das nationalsozialistische Deutschland und die Republik von Saló 1943–1945. Tübingen 1993; Osti Guerrazzi, Amedeo / Majanlahti, Anthony: Roma occupata 1943 – 1944, Mailand 2012; Deutsch-italienische Datenbank „Atlante delle Stragi Naziste e Fasciste in Italia"; de.wikipedia.org/wiki/Operation_Shingle; www.pietredellamemoria.it/regioni/lazio/


Gedenkorte in der Region Latium:

Alatri-Le Fraschette
Borgo Montenero

Cassino
Collelungo / Vallerotondo
Leonessa
Madonna della Pace
Monte Tancia
Rom mit Ardeatinische Höhlen, Bahnhof Tiburtina, Cimitero del Verano, Forte Bravetta, Ghetto, La Storta, Ponte dell'Industria, Ponte Milvio, Porta San Paolo, Prati, Quadraro, Trastevere, Via Rasella, Via Tasso und Via Veneto
Vicovaro

(wird weiter ergänzt)