Region Thessalien / Regionalbezirk Magnisia

VolosDer Ort
Volos (144.449 Einwohner/innen, Stand 2011), eine Hafenstadt am Pagasitischen Golf, liegt am Fuße des Pilion-Gebirges. Der Anbau und die Verarbeitung von Tabak spielte in der Vergangenheit eine wichtige Rolle im wirtschaftlichen Leben von Volos. Die großen ehemaligen Tabaklager prägen auch heute noch das Stadtbild; sie werden sukzessive neuen Verwendungszwecken zugeführt. So beherbergt das ehemalige Tabaklager von Papastratos am östlichen Ende des Stadthafens mittlerweile die Verwaltung der Universität von Thessalien. Ein anderes ehemaliges Tabaklager, das „Gelbe Lagerhaus", diente den italienischen und deutschen Besatzern als Geiselhaft-/ Konzentrationslager.
Die Jüdische Gemeinde der Stadt, die vor dem deutschen Überfall auf Griechenland und der anschließenden Judenverfolgung ca. 900 Mitglieder zählte, hat aktuell etwa 100 Mitglieder.
Volos liegt östlich der Autobahn A1 Athen (340 km) - Larissa (60 km) - Thessaloniki (200 km); die letzten ca. 20 km verlaufen über eine Schnellstraße.

Das seit langem leerstehende Gelbe Lagerhaus heuteDie Ereignisse
Nach dem deutschen Überfall auf Griechenland gehörte Volos zur Besatzungszone des italienischen „Achsen-Partners". Die den Italienern zugestandene „Preponderanza“ (Vorherrschaft) in Griechenland und Mussolinis Hinhaltestrategie/ Blockierung von Deportationen führte dazu, dass deren Einflussbereich für die griechischen Juden - abgesehen von einzelnen Verhaftungen, Einquartierungen, Schikanen aller Art, Schließungen von jüdischen Buchhandlungen und Zeitungen etc. - Asylcharakter hatte.
Bereits 1941 richteten die Besatzer Geiselhaft-/ Konzentrationslager in Volos ein, von denen das „Gelbe Lagerhaus" das berüchtigste war. In dem 1926 für die American Tobacco Company errichteten größten Gebäude in Volos wurden auch Exekutionen durchgeführt. Allein im Februar 1943 wurden 250 Menschen aus den Dörfern der Zagoria zwischen Asprangeli und Konitsa nach Volos verschleppt, einige von ihnen dort ermordet (Meyer, S. 179). Nach der Übernahme der ehemals italienischen Zone durch die Deutschen wurden am 1. Oktober 1943 in Volos 700 Bürger verhaftet und dort interniert.
Nachdem noch zwei Tage zuvor 2 junge Frauen von den Nazis exekutiert worden waren (Schwarzbuch, S. 91), wurde Volos am 19. Oktober 1944 befreit. Die Menschen versammelten sich zur Siegesfeier auf dem heutigen Freiheitsplatz, auf dem während der deutsch-italienischen Besatzung viele Exekutionen durchgeführt worden waren.

Das Holocaust MemorialRettungswiderstand und Deportation von Jüdinnen und Juden aus Volos
Als die Deutschen nach dem Kriegsaustritt Italiens am 8. September 1943 auch die vorher vom ehemaligen Achsen-Partner besetzten Teile Griechenlands in ihr Programm zur „Endlösung der Judenfrage“ einbeziehen konnten, verlangte der deutsche Kommandant von Volos, Major Kurt Rickert, Ende September 1943 von Mosche Pessach, dem Oberrabiner von Volos, das Namensregister der Jüdischen Gemeinde. Mosche Pessach folgte dieser Aufforderung nicht, wandte sich sofort an den Bürgermeister, den Präfekten und den griechisch-orthodoxen Erzbischof Joachim Alexopoulos und leitete damit die Rettungsaktion ein, die von der EAM/ ELAS durchgeführt und bis zum Ende der deutschen Besatzung Griechenlands aufrechterhalten wurde: Fast alle Juden aus Volos - so auch Mosche Pessach - wurden von ihnen innerhalb weniger Tage in das nahegelegene Piliongebirge gebracht und fanden in Orten des ELAS-kontrollierten Freien Griechenlands Aufnahme. Viele von ihnen schlossen sich auf Rat des „Partisanenrabbi" (Lustiger) Mosche Pessach dem Widerstand an.
Der in den Nachkriegsjahren langjährige Vorsitzende der jüdischen Gemeinde in Volos, Rafail Frezis, schreibt, dass am Abend des 1. Oktober „nach koordinierten Aktionen der Gemeinde und der EAM zwei Widerstandskämpfer die Familie des Großrabbiners Pesah in Empfang nahmen und mit ihr in den Pilion aufbrachen [...]. An diesem Tag begann bereits die Flucht der Juden aus Volos. Innerhalb von drei Tagen hatte 65% unserer Gemeinde die Stadt verlassen. Die Zurückgebliebenen versteckten sich ein paar Tage in Häusern von Nachbarn oder Freunden bzw. christlichen Mitbürgern, die sie mit großer Menschlichkeit sowie unter Lebensgefahr unterbrachten und sogar ihre wertvollen Gegenstände aufbewahrten“ (zit. nach Tzafleris, S. 5).
Von den knapp 900 Mitgliedern der Jüdischen Gemeinde in Volos wurden 130 (wieder nach Volos zurückgekehrte) Menschen in der Nacht vom 24. auf den 25. März 1944 - dem griechischen Nationalfeiertag und jüdischen Pessach-Fest - verhaftet und in ein Sammellager nach Larissa befördert. Der Deportationszug, der am 2. April 1944 Athen in Richtung Auschwitz-Birkenau verließ, hielt in Larissa. Hier wurde der Zug um eine große Anzahl von Viehwaggons verlängert, um alle in Larissa inhaftierten ca. 2.400 Juden aufzunehmen. Nach neuntägiger Fahrt traf der Zug in der Nacht vom 10. zum 11. April in Auschwitz-Birkenau ein, wo das Gros der Menschen - etwa 4.000 - unverzüglich ins Gas geschickt wurde.

Gedenken
Holocaust Memorial
An der Nordseite des Righa-Ferreou-Platz im Zentrum von Volos wurde 1998 das Holocaust Memorial errichtet.

Synagoge
Die 1865 in Volos errichtete Synagoge wurde während der deutschen Besatzung gesprengt, nach dem Krieg wieder aufgebaut, aber durch ein Erdbeben 1955 vollständig zerstört. Die neue Synagoge wurde 1960 an der Ecke Xenofondos-/Platonos-/ Moisseosstraße errichtet.

Jüdischer Friedhof von VolosJüdischer Friedhof
Der neue jüdische Friedhof von Volos befindet sich direkt neben dem orthodoxen Friedhof. Auf dem Areal steht auch eine Gedenkstätte für die 130 Opfer des Holocaust aus Volos.

Literatur / Medien:
Lustiger, Arno: Rettungswiderstand - über die Judenretter in Europa während der NS-Zeit, Göttingen 2011, S. 271f.; Lustiger, Arno: Zum Kampf auf Leben und Tod. Vom Widerstand der Juden in Europa 1933–1945, Köln 2004, S. 421f.; Meyer, Hermann Frank: Blutiges Edelweiß – Die 1. Gebirgsdivision im Zweiten Weltkrieg, 3. Auflage, Berlin 2010; Nationalrat für die Entschädigungsforderungen Griechenlands an Deutschland (Hg.): Schwarzbuch Besatzung, 3. Auflage, Athen 2012; Tzafleris, Nikos: Volos unter der Okkupation der Achsenmächte, Thessaloniki 2011;
www.kis.gr/en/index.php?option=com_content&view=article&id=388&Itemid=7