Die Ereignisse

Denkmal Vernichtungslager; Foto: Adrian Gryczuk, wikimedia commons Aktion Reinhardt: Systematischer Judenmord durch Gas

Deutsche SS-Einsatzgruppen, Wehrmachtseinheiten und Polizeibataillone hatten nach dem Überfall auf die Sowjetunion im Juni 1941 mit den Massenerschießungen in den eroberten sowjetischen Gebieten (bes. Weißrussland, Ukraine) den systematischen Mord von Juden, Sinti und Roma sowie anderen Bürgern der Sowjetunion eingeleitet. Die NS-Führung sann auf eine effizientere Tötungsart, um die „Endlösung der Judenfrage“, d.h. die Ermordung der europäischen Juden, möglichst zügig zu realisieren. Etwa zeitgleich mit der Eröffnung des Vernichtungslagers für den - annektierten - Warthegau in Kulmhof/Chełmno nad Nerem beauftragte SS-Reichsführer Himmler den Lubliner SS- und Polizeiführer Odilo Globocnik mit der „Aktion Reinhardt“, der „Umsiedlung“ und planmäßigen Vernichtung der Juden des Generalgouvernements, den von Nazideutschland besetzten polnischen Gebieten, in dem auch Treblinka lag, später auch aus anderen Ländern.

 

Im November 1941 wurde mit dem Bau des ersten Vernichtungslagers in Belzec begonnen, in denen die Menschen mit Gas ermordet wurden. Es folgten 1942 die Lager Sobibor und Treblinka. Die ersten Transporte aus Warschau kamen in Treblinka im Juli 1942 an. Die große Zahl der Deportierten, das darauf nicht vorbereitete T4-Personal, die zu wenigen Gaskammern führten zu einer Unterbrechung von einer Woche. Die Abläufe wurden geändert, neue „Häftlingskommandos“ gebildet (u.a. bei der Ankunft), Kommandant Eberl wurde abgelöst, als neue Lagerleiter kamen  Franz Stangl und Kurt Franz, das Wachpersonal wurde aufgestockt, die Zahl der Gaskammern um zehn erhöht.
Die Morde wurden von den Tötungsspezialisten der „Aktion T4“ ausgeführt; diese hatten bei der Ermordung von kranken und behinderten Menschen (sog. 'Euthanasie') Giftgas eingesetzt. Sie waren Globocnik von der Organisation T4 in der (Privat-) Kanzlei Hitlers zur Verfügung gestellt worden; zu den Verantwortlichen vgl. Treblinka – Täter und Prozesse

 

Das Mordlager

Die Ankunft
„Die ‚Transportabfertigung‘ war von Beginn an durch Gewalt gekennzeichnet“ (Berger, S. 118).
Nach der Absetzung des ersten Lagerleiters hatten Christian Wirth (Inspekteur der Aktion Reinhardt) und der neue Lagerleiter Franz Stangl die Abläufe an der Rampe verändert. Sie setzten neben SS- und Trawniki jetzt auch Häftlingskommandos („blaue“ und „rote“) bei der „Entladung“/ der Transportabfertigung ein.

Die Deportierten kamen ab Juli 1942 über ein Nebengleis der Bahnstrecke  - das zum Arbeitslager Treblinka I führte - an einem, durch einen dichten Wald verborgenen vorgetäuschten Bahnhof an. In den 20 Waggons waren 2.000 bis 2.500 Menschen. Auf der Rampe standen die Lagerkommandanten Stangl und Kurt Franz sowie T4- und Trawniki-Männer, mit Pistolen und Lederpeitschen bewaffnet. Nach der Öffnung der Waggons ging alles schnell: T4- und Trawnikimänner trieben die Menschen mit Hunden, Gebrüll, Peitschen und Gewehrkolben aus den Waggons. Manchmal gaben sie Schüsse ab. Gefangene des „blauen Kommandos“ versuchten, den Ankommenden beim Aussteigen zu helfen, holten Gepäck und Leichen aus den Zügen, das an der Rampe und in den Zügen zurückgelassene Gepäck wurde auf den „Sortierplatz“ gebracht.

 

Oscar Strawcynski beschreibt seine Ankunft (mit Familie) am 5. Oktober 1942:

Wir laufen hinaus, so schnell wir können, um den auf unsere Köpfe einschlagenden Peitschen zu entgehen, und gelangen auf einen langen, schmalen Bahnsteig, der völlig überfüllt ist. Überall bekannte Gesichter - Nachbarn und Bekannte. Der Staub ist so gewaltig, er verdunkelt das Sonnenlicht. Ein Geruch von verbranntem Fleisch erstickt den Atem. Unversehens werfe ich einen Blick auf die Berge von Kleidung, Schuhen, Bettwäsche und allen Arten von Waren, die man hinter dem Zaun sehen kann. Aber es bleibt keine Zeit, um nachzudenken … Die dichte Menschenmenge wird in Richtung eines Tores geschoben und durch dieses hindurch gepresst….

 

In diesem großen Tumult bemerke ich nicht, dass die Arbeit auf dem Bahnsteig - d.h. die Menschen und das zurückgelassene Gepäck aus den Zügen laden, die Menge antreiben und zu dem Tor drängen - von einem Trupp von etwa 30 jüdischen Männern, die blaue Armbinden tragen, ausgeführt wird. Das ist das Kommando der "Blauen", das von Kapo Mayer angeführt wird. Auf dem Bahnsteig befinden sich auch SS-Männer, die ukrainischen "Wachmänner" von Treblinka und auch die Polizisten und die Eskorte, die den Zug begleitet haben. ... Dies alles geschieht sehr schnell, und ich habe die Einzelheiten erst während meiner späteren Arbeit in Treblinka bemerkt.

Hinter dem Tor treten wir auf einen recht großen Platz. Auf beiden Seiten des Platzes stehen Baracken. Gegenüber dem Zaun und dem Tor, durch das wir gegangen sind, befindet sich eine Umzäunung mit einem kleinen Eingang in der Ecke. Dies ist das Tor zur "Todesstraße", die zu den "Bädern" im Lager 2 („oberes“ Lager) führt. Auf dieser Allee treten sie ihren letzten Gang an: meine geliebte Frau und die Kinder, Vater, Mutter, Geschwister...Sie kamen nie aus dem "Bad" zurück. Ihre Leichname wurden auf Tragbahren geladen und in die höllischen Flammen geworfen.“ (Strawczynski, Kapitel 1)

 

Der  Überlebende Abraham Bomba erzählt Claude Lanzmann im Film ‚Shoah‘:


„Als wir in Treblinka eintrafen, wussten wir nicht, wer diese Leute waren: Einige trugen Armbinden, manche rote, manche blaue: jüdische Kommandos.

Wir fielen aus dem Zug, stießen gegeneinander, verloren einander in dem Geschrei, dem Gebrüll. Nachdem wir ausgestiegen waren, mussten wir uns in zwei Reihen aufstellen, die Frauen links, die Männer rechts. Wir hatten keine Zeit mehr, einander anzusehen, denn sie schlugen uns auf den Kopf – mit allem möglichen. Das tat sehr, sehr weh. Wir wussten nicht, was geschehen würde, wir hatten keine Zeit nachzudenken, die Schreie jagten uns Angst ein, wir hörten nur das Gebrüll.

Mit den anderen von meinem Transport wartete ich, schon nackt, als ein Mann kam und sagte: „Du, du und du, kommt heraus...“. Wir traten aus der Reihe, und sie nahmen uns zur Seite. Einige aus dem Transport begriffen schon, was vorging, und ahnten, dass sie nicht am Leben bleiben würden. Sie drängten zurück, weigerten sich vorwärtszugehen – sie wussten schon, wohin sie gingen – zu diesem großen Tor  (zum „Schlauch“, zur Gaskammer, Uhh).

Das Weinen, die Schreie, das Gebrüll ... Was dort geschah, war unerträglich. ….

Plötzlich, auf einmal hörte alles auf, wie auf Befehl. Alles wurde ruhig dort drüben, wo die Menschen verschwunden waren, als wären alle tot.

 

 

„Lazarett“, „Umschlagplatz“/„Sortierplatz“

Die Kranken, Alten und Gebrechlichen wurden nach rechts zum sog.„Lazarett“ geführt, eine durch  einen Wall und Sichtschutz nicht einsehbare große Grube; vor dem Eingang hing – zwecks Täuschung – eine Rote-Kreuz-Fahne. Am Rand der Grube mussten sie sich hinsetzen, wurden von hinten erschossen und rutschten in die Grube. Die anderen wurden von der Rampe – unter Aufsicht und Schlägen der T4-Männer, Wachmänner und Kapos  - vom „roten“ Häftlings-Kommando zum „Sortierplatz“/oder „Umschlagplatz“ getrieben. Dort mussten sie Wertgegenstände abgeben und ihre Kleidung ablegen: die Männer im Freien, die Frauen in einer Baracke, wo ihnen auch die Haare geschnitten wurden (später erst direkt vor der Gaskammer). Kleidung, Schuhe und Gepäck wurden sortiert und später zu einer Sammelstelle transportiert, z.B. nach Lublin - Alter Flughafen und von dort ggfs. „ins Reich“.


Ermordung in den Gaskammern
Hinter dem „Tor“, auf einem engen, etwa 200 m langen, von Stacheldraht mit eingeflochtenen Zweigen begrenzten Pfad („Schlauch“) wurden dann die Frauen und Kinder und nach ihnen die Männer in die Gaskammern getrieben und dort mit Gas (Kohlenmonoxid aus Motoren) erstickt. Die Gaskammern waren 1942 in feste Steingebäude eingebaut und auf zehn erweitert worden. Sie standen im „oberen Lager“, gegen Blicke geschützt durch Zäune mit eingeflochtenen Zweigen.
Nach etwa 30 Minuten mussten Gefangene des ‚Sonderkommandos‘ die Türen öffnen, die Leichen aus den Gaskammern holen, zu den riesigen Gruben, d.h. Massengräbern, schleppen und unter einer Erdschicht verscharren.

 

Ab dem Herbst verbreitete sich starker Leichengeruch im Lager und in den umliegenden Siedlungen und Dörfern. Die Massengräber waren überfüllt. Als Reaktion wurden die Leichen der Deportierten auf Rosten aus Schienen und Schwellen verbrannt. Später wurden alle Gräber mit großen Baggern geöffnet, die Leichen ausgegraben und verbrannt; die Asche und Körperteile wurden anschließend vergraben und mit Erde bedeckt – mit dem Ziel, alle Spuren des Massenmordes zu verwischen; vgl. Sachstichwort Aktion 1005.

 

Zahl und Herkunft der Opfer

Insgesamt ermordeten T4- und SS-Männer von Juli 1942 bis November 1943
zwischen 700.000 und 900.000 jüdische Menschen; Lehnstaedt, S. 84-85, hält einen Schätzwert von 870.000 für realistisch. Sie kamen vor allem aus Polen: viele waren vorher in Ghettos „konzentriert“ worden. Bei der sog. Liquidierung (Auflösung) der Ghettos wurden sie in mehreren Wellen in das Vernichtungslager deportiert, vor allem aus den Distrikten Radom, Warschau (ca. 366.000) und zum Schluss aus dem Bezirk Białystok.

Dazu kamen jüdische Deportierte aus anderen europäischen Ländern:
Deutschland: 833 aus Mainz, Darmstadt und Umgebung,

Griechenland: etwa 6.800  aus Thessaloniki und dem von Bulgarien besetzten Thrakien (Drama, Kavala),
Jugoslawien: etwa 7.000 aus dem von Bulgarien besetzten Teil Makedoniens,

Slowakei: 7.000, sie waren vorher in Ghettos des Generalgouvernements deportiert worden
Tschechien, bes. Theresienstadt: etwa 8.000 jüdische Menschen;
außerdem etwa 2.000 Sinti und Roma sowie eine unbekannte Zahl sowjetischer Kriegsgefangener.

 

Literatur/Medien

Berger, Sara: Experten der Vernichtung. Das T4-Reinhardt-Netzwerk in den Lagern Belzec, Sobibor und Treblinka, Hamburg 2013

Glazar, Richard: Die Falle mit dem grünen Zaun. Überleben in Treblinka, Fischer Taschenbuch, Frankfurt/M. 1992

Gutman, Israel u.a. (Hg.).: Enzyklopädie des Holocaust,  Berlin 1993, Band III, S. 1427-1432

Lehnstaedt, Stephan: Der Kern des Holocaust. Bełżec, Sobibór, Treblinka und die Aktion Reinhardt, München 2017

Willenberg, Samuel: Treblinka. Lager, Revolte, Flucht, Warschauer Aufstand, Münster 2009

http://www.erinnerungsorte.org/lager/mpc/Memorial/mpa/show/mp-place/treblinka-muzeum-walki-i-meczenstwa/

https://de.wikipedia.org/wiki/Vernichtungslager_Treblinka

https://de.wikipedia.org/wiki/Aufstand_von_Treblinka