Region Piemont / Provinz Turin
Der Ort
Ivrea ist eine piemontesische Kleinstadt (23.606 Einwohner/innen, Stand 31. Dezember 2015) am Eingang zum Aostatal. Zwischen 1927 und 1945 gehörte Ivrea zur unter Mussolini neugeschaffenen Provinz Aostatal.
Von Turin aus ist Ivrea über die A 5 Turin - Aosta erreichbar (ca. 50 km).
Die Ereignisse
Nach dem Kriegsaustritt Italiens und der anschließenden Besetzung durch die Deutschen war Ivrea - durch den Ort verläuft die für die Besatzer wichtige Eisenbahnverbindung zwischen Aosta und Turin - Sitz einer Platzkommandatur der Militärkommandatur 1005 Turin. Ab Sommer 1944 war Ivrea auch Standort einer Abteilung der Decima Mas, einer berüchtigten Spezialeinheit der RSI-Marine, die die SS bei der Partisanenbekämpfung unterstützte.
In der in Ivrea ansässigen Schreib- und Büromaschinenfabrik Olivetti gründeten Arbeiter und Angestellte direkt nach Beginn der deutschen Besatzung erste Widerstandszirkel. Der Firmengründer Camillo Olivetti hatte bereits 1926 zusammen mit seinem Sohn Adriano, der nach Einführung der Rassegesetze 1938 die Firma offiziell übernahm, die von Sandro Pertini, Ferruccio Parri und Carlo Rosselli organisierte Flucht des Sozialistenführers Filippo Turati nach Frankreich unterstützt. Adriano Olivetti hatte enge, als Schwager von Leone Ginzburg auch familiäre, Beziehungen zum antifaschistischen Widerstand und unterstützte über die Arbeit des bei Olivetti angestellten Ingenieurs Willy Jervis auch den Widerstand in den Waldensertälern.
Über die durch Ivrea verlaufende Eisenbahnverbindung zwischen Aosta und Turin verlief der gesamte Abtransport der Produktion der Eisen- und Stahlwerke, die die im Val di Cogne geförderten Erze in Aosta weiterverarbeiteten, und der valdostanischen Rüstungsbetriebe (Raketen- und Torpedobau). Nachdem die Alliierten angekündigt hatten, die Brücke sprengen zu wollen, kam ein Kommando der Brigata Fratelli Rosselli der VII Divisione Giustizia e Libertà unter der Leitung von Mario Pelizzari e Amos Messori diesem für die Bevölkerung extrem gefährlichen Plan zuvor (bei dem alliierten Bombardement von Pont-Saint-Martin waren am 23. August 1944 über 100 Menschen getötet worden): Sie sprengte in der Nacht vom 23. auf den 24. Dezember 1944 die Brücke.
Gedenken
Eisenbahnbrücke über die Dora Baltea
Am Corso Cavour hängt über der Eisenbahnbrücke über die Dora Baltea eine große Schautafel, die über die Sprengung der Brücke und ihre Protagonisten informiert.
Einige Meter weiter erinnert an einem Laternenpfahl, den ein Splitter der Sprengladung traf, eine Bronzetafel an die durch die Sprengung gelungene Rettung des Ortes.
Firma Olivetti
Die Straße, an der sich der weitläufige Stammsitz der Firma Olivetti befindet, wurde nach dem dort beschäftigten Ingenieur Willy Jervis benannt. Im Eingangsbereich der Firma befindet sich eine Gedenktafel für die im Widerstand gegen die deutsche Besatzung umgekommenen Mitarbeiter.
"Personaggi della Resistenza"
Viele Straßen und Plätze Ivreas, so auch der zentrale Platz vor dem Bürgermeisteramt (Piazza Ferruccio Nazionale), sind nach während der deutschen Besatzung ermordeten Mitgliedern des antifaschistischen Widerstands benannt. Unter dem Thema "Personaggi della Resistenza" informieren dort jeweils zudem Gedenkstelen über diese Männer: Neben Ferruccio Nazionale (am 29. Juli 1944 vor dem Bürgermeisteramt öffentlich erhängt) u.a. über Willy Jervis (bei Torre Pellice am 5. August 1944 erschossen und danach öffentlich zur Schau gestellt), Aldo Balla (der an der Sprengung der Brücke von Ivrea beteiligte Balla starb bei einem Gefecht am 24. Februar 1945) und über Walter Fillak (nach Verhaftung bei Ivrea am 5. Februar 1945 bei Cuorgnè gehängt. Seine vor der Hinrichtung verfassten Abschiedsbriefe wurden in die Sammlung Letzter Briefe europäischer Widerstandskämpfer aufgenommen).