Woiwodschaft Großpolen/Wojew. Wielkopolska

Der Ort
Kościan (dt.: Kosten) ist eine Stadt mit 23.716 Einwohner*innen (2020), war bis 1918 von Preußen verwaltet, nach dem Ersten Weltkrieg und dem Großpolnischen Aufstand wieder in der polnischen Republik. Mit der Bahn ca. ½ Stunde, mit dem Auto von Poznań 52 km (S 6).

Denkmal Hinrichtungsort  am Rathaus; Quelle pl.wikpedia, gemeinfrei

Die Ereignisse
Die Wehrmacht nahm Kościan am 7.9.1939 ein. Kurz darauf wurde sie als Teil des „Reichsgaus Wartheland“ völkerrechtswidrig annektiert und in 'Kosten' umbenannt.

Erschießungen polnischer Einwohner

Von September bis Ende 1939 operierte die deutsche Einsatzgruppe VI EK 4 unter SS-Sturmbannführer Gerhard Flesch in der Stadt. Im Rahmen der Aktion gegen die polnische Führungsschicht ('Intelligenzaktion') ermordeten die Deutschen zwischen dem 2. September und dem 23. Oktober 1939 in zwei öffentlichen Massenhinrichtungen 26 Polen und am 7. November 1939 im Stadtpark 45 Einwohner (Böhler/Mallmann/Matthäus, S. 56f.). Das Denkmal befindet sich an einer seitlichen Wand des Rathauses (Ratusz, Rynek 1). Der Text in der Mitte: „Hier starben die besten Söhne des Kościan-Landes, zur Verteidigung der Ehre eines Polen, hingerichtet von Nazi-Schergen..."

Ein Klinik-Gebäude

Kranken-/Patientenmorde

Die 'NS-Gauselbstverwaltung' übernahm die Klinik unter dem Namen Pflegeanstalt Kosten/Warthegau. In der Anstalt waren noch um die 500 Patienten, fast alle polnisch. Ein neuer - deutscher - Direktor wurde bestellt. Nach Gesprächen zwischen Gauselbstverwaltung, Direktor, Wehrmacht und SS wurde beschlossen, die Anstalt aufzulösen und die Patienten zu „verlegen“: 60 „ruhige“ und „arbeitsfähige“ Patienten wurden nach Hause entlassen.

In zwei Etappen wurden 534 Patienten ermordet - 237 Männer und 297 Frauen. Am 15. Januar 1940 wurde einer erste Gruppe von Patienten ein Beruhigungsmittels gespritzt, sie mussten in einen Kastenwagen  mit der Tarnaufschrift 'Kaisers Kaffee Geschäft' steigen und sich hinsetzen. Nach dem Anlassen des Motors wurde Gas in den Laderaum geleitet und die Opfer getötet. Nach einer Fahrt von etwa 15-20 Minuten erreichte der Wagen den Wald von Jarogniewice, es lebte niemand mehr. Gefangene mussten die Türen öffnen, die Leichen ausladen und in Massengräbern verscharren. Eine Woche später wurde eine zweite Gruppe auf diese Weise umgebracht, die Wagen wurden wieder von Männern des Sonderkommandos Lange gefahren.

Kościan als 'Zwischenanstalt'

Ab Februar wurden zahlreiche kranke Menschen aus psychiatrischen Kliniken in Pommern und Brandenburg in 'Vernichtungstransporten' nach Kosten/Kościan gebracht – mit dem Ziel, sie im besetzten polnischen Gebiet von Deutschen töten zu lassen. Die genauen Zahlen sind nicht bekannt; es werden bis zu 2750 Menschen genannt (so Aly, S. 94; de.wikipedia; deathcamps.org; Klee geht von 1.200 aus). Sie kamen u.a. aus den deutschen Heilanstalten in Neustadt/Westpreußen, Lauenburg im Pommern, Meseritz-Obrawalde, Ueckermünde (vgl. Rieß, S. 333ff.). Sie wurden dann von Kosten aus auf dem beschriebenen Weg nach Jarogniewice oder in den Wald von Stescew gefahren und im Massengräbern verscharrt. Der letzte Transport verließ Kosten/Kościan am 25.2.1940.

Gedenktafel am Szpital; Quelle: gedenkort T4/Koscian

Gedenken

In Kościan wird an mehreren Orten an die Morde der Patienten erinnert. Bereits 1946 wurden die Orte der Ermordung und der Massengräber in den Wäldern aufgesucht und mit Kreuzen markiert. Hier finden auch die Gedenkveranstaltungen statt. Auf dem Gelände des Szpitals wurde im Jahr 1980 eine Gedenktafel enthüllt. Im Jahr 2004 wurde erstmals eine Gedenktafel der Öffentlichkeit übergeben, die auch die Opfer jüdischen Glaubens und die ermordeten deutschen Patienten erwähnt.

Literatur/Medien
Aly, Götz: Die Belasteten. 'Euthanasie' 1939-1940, Bonn 2013 (BpB), S. 94.
Böhler, Jochen/Mallmann, Klaus-Michael/Matthäus, Jürgen: Einsatzgruppen in Polen. Darstellung und Dokumentation, Darmstadt 2008 Klee, Ernst: „Euthanasie“ im NS-Staat. Die „Vernichtung lebensunwerten Lebens“, Frankfurt/M.
Rieß, Volker: Die Anfänge der Vernichtung „lebensunwerten Lebens“ in den Reichsgauen Danzig-Westpreußen und Wartheland 1939/40, Frankfurt/M. 1993, bes. S. 325ff.
http://www.deathcamps.org/euthanasia/t4poland_d.html (Koscian und die Euthanasie in Polen)
https://www.gedenkort-t4.eu/de/historische-orte/qlrxb-psychiatrisches-krankenhaus-koscian-wojewodzki-szpital-neuropsychiatryczny-im#schnellueberblick
https://de.wikipedia.org/wiki/Pflegeanstalt_Kosten/Warthegau
https://de.wikipedia.org/wiki/Ko%C5%9Bcian
https://pl.wikipedia.org/wiki/Ko%C5%9Bcian

(2021 - Uhh)