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Thonon-les-Bains

Region Rhône-Alpes, Departement Haute-Savoie

Der Ort

Stadt von 34600 Einwohner/innen, Hauptort der Landschaft Chablais am Südufer des Genfer Sees. Bahnhof: Strecke Léaz, Annemasse ↔ Saint-Gingolph. Mit dem Auto von Annecy 72 km (D 1203 →La Roche-sur-Foron/Étaux, dort D 903 →Thonon-les-Bains).

 

Die Ereignisse

Die Stadt war ab Herbst 1942 italienisch, ab September 1943 bis zur Befreiung im August 1944 deutsch besetzt. Wie andere Gemeinden des Chablais musste die Bevölkerung von Thonon-les-Bains unter der Repression durch französische Milice, deutsche Wehrmacht, SS und Gestapo leiden. 

 

Judenverfolgung und -rettung

Thonon-les-Bains war für viele jüdische Flüchtlinge ein Durchgangsort für das Exil. Die vierköpfige Familie Goldberszt wurde bei von der Vichy-Regierung angeordneten Razzia Ende August 1942 verhaftet, die Mutter und die Kinder durch die OSE untergebracht und gerettet, der Vater wurde 1943 in das Vernichtungslager Auschwitz deportiert, er kam nicht zurück.
Es gab Personen und Fluchthilfe-Netzwerke, die – besonders unter deutscher Besatzung - gefährdete Juden in die Schweiz brachten. Einer war Marius Jolivet (1906-1964), kurze Zeit Lehrer am Priesterseminar in Thonon, später Pfarrer in Collonges-sous-Salève, Resistant im Netzwerk Ajax. Er besorgte zahlreichen Juden Unterkünfte und ließ sie durch Helfer/innen über die Schweizer Grenze bringen. Posthum erhielt er von der israelischen Gedenkstätte Yad Vashem die Auszeichnung „Gerechter unter den Völkern“.

Erschossene, Hotelschule Savoie-Leman Ehrung der Befreier Totendenkmal

Resistance und Repression

Im Chablais waren verschiedene Résistance-Gruppen und Maquis aktiv. Im Herbst 1943 wurden  mehrere Resistants von der Gestapo verhaftet und in die KZ deportiert. Auf Druck der Wehrmacht verhängte die Vichy-Regierung das Kriegsrecht über das Departement Haute-Savoie. Parallel zu den Aktionen gegen die Maquis des Glières-Gebiets führte die Milice im Februar 1944 Terroraktionen  durch, die als „La quinzaine sanglante en Chablais“ (blutige zwei Wochen des Chablais) in die Geschichte eingegangen sind.
Die Milice hatte ihre Hauptquartiere auf dem Hof Grange Allard in Allinges (6 km südlich von Thonon) und in der Hotelschule Savoie-Leman von Thonon, die in ein Internierungs- und Foltzerzentrum umgewandelt wurde. Vom 9. bis 20. Februar 1944 griff die Milice zahlreiche Maquis an (z.B. in Féternes; das Lager Verdisse oberhalb von Bonne-sur-Menoge; das Lager Foges in einer Almhütte der Gemeinde Fessy); sie verhaftete und tötete zahlreiche Männer. Am 25. Februar verurteilte das Milice-Kriegsgericht, das in der Hotelfachschule tagte, sechs FTP-Kämpfer zum Tode; einen Tag später wurden sie im Hof der Schule erschossen. 75 Resistants wurden von der Milice gefoltert und den Deutschen übergeben, 36 überlebten die Deportation in die KZ nicht, darunter aus Thonon: Marcel Ballivet, Gilbert Charles, Louis Chatelain, Francis Garin, Georges Guillot, Louis Larpin. Weitere mindestens 60 aus anderen Gegenden stammende Resistants des Chablais wurden Opfer der Repression durch die Milice. Zahlreiche Verhaftete, Tote und Deportierte gab es bei den deutschen Razzien am 20. und 21. Mai.
Die Stadt wurde am 16./17. August 1944 durch freifranzösische Kräfte FFI befreit.

Mémorial des Justes Informationstafel Mémorial (Ausschnitt)

Gedenken

Im Innenhof der Hotelfachschule École internationale hôtelière Savoie-Leman erinnert ein Denkmal an die sechs „von den Vichy-Verrätern exekutierten … Résistance-Patrioten“ und an den FTP-Führer Maurice Flandin-Granget, der hier nach zwei Tagen Folter gestorben ist (40 Boulevard Carnot). Eine Tafel an der Fassade des Rathauses ehrt und dankt „den Helden, die am 16. und 17. August 1944 die Stadt von den deutschen Besatzern befreit haben“. Von den vierzehn jungen Männer stammten neun aus Thonon, zwei aus der Schweiz und drei aus anderen frz. Orten (1 Place de l'Hôtel de Ville). Das Totendenkmal befindet sich auf dem Friedhof. Auf den Tafeln der Toten des Zweiten Weltkriegs sind auch die Namen der getöteten Widerstandskämpfer, in den KZ umgekommen Deportierten und Geiseln sowie der zivilen Opfer eingraviert (8 Avenue de Champagne, gegenüber dem Haupteingang).
Im weitläufigen Wald 'Arboretum' des Schlosses Château de Ripailles wurde 2007 das „Mémorial national des Justes“ angelegt („Nationaldenkmal der Gerechten unter den Völkern“). Auf der 'Clairière des Justes' wurden 70 Bäume aus fünf Kontinenten angepflanzt. In der Mitte stellen drei Silhouetten die 'Gerechten' dar; die kleineren Personen symbolisieren die Generationen der Geretteten; das Herz symbolisiert die Charaktereigenschaften der Gerechten, die Halbkugel und der Ring zu Füßen der Figuren die Erde und den Zusammenhalt der Völker. Eine Tafel gibt Informationen zur Entstehung des Memorials und zitiert Martin Niemöller „Als die Nazis die Kommunisten holten, habe ich geschwiegen, ich war ja kein Kommunist. …  Als sie die Juden holten, habe ich geschwiegen, ich war ja kein Jude. Als sie mich holten, gab es keinen mehr, der protestieren konnte.“ (den zahlreichen Schildern „Mémorial national des Justes“ folgen; täglich außer montags geöffnet, Eintritt frei; Eingang über 10 T Chemin de la Forêt; dann  etwa 15 Minuten Forstweg).

 

Literatur/Medien

Germain, Michel: Mémorial de la Déportation: Haute-Savoie 1940-1945
ders./AFMD 74: Si l'écho de leurs voix … A la memoire des internés de la Grange Allard/Allinges, du Savoie-Leman/Thonon et de l'Intendance/Annecy (Haute-Savoie 1944)
http://www.cg74.fr/download/site-principal/document/actions/culture/70eme-anniversaire-liberation/quinzaine-sanglante-du-chablais-2014_02_16-.doc.pdf
http://www.ac-grenoble.fr/lycee/versoie.thonon/versoie/images/stories/Histoire/posters/010_Vichy_et_les_juifs.pdf
http://www.yadvashem-france.org/les-justes-parmi-les-nations/les-justes-de-france/dossier-3507/
http://www.thononlesbains.com/fr/patrimoine-culturel/1/189961-memorial-national-des-justes-la-clairiere-des-justes.html
https://fr.wikipedia.org/wiki/Marius_Jolivet
http://fr.wikipedia.org/wiki/Thonon-les-Bains