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Saint-Gervais-les-Bains

Region Rhône-Alpes, Departement Haute-Savoie

Der Ort

Bade- und Wintersportort am Fuß des Mont-Blanc zwischen Genf und Chamonix. Bahnhof: Regionalbahn nach Annemasse und Chamonix. Mit dem Auto von Annecy 70 km (D 1508 → kurz nach Ugine, dann D 1212 →Sallanches, hinter Demi-Quartier auf D 909; von Genf/CH 71 km (A 411 bis Étrembières/F, dann D 1205 →Chamonix).

 

Die Ereignisse

Résistance

Anfang 1943 wurden Widerstandsgruppen um Saint-Gervais-les-Bains aktiv. Der örtliche AS-Chef,  Henri Baud, und Leutnant Barbero sammelten ab Mai 1944 im nahen Fayet  - neben einem älteren FTP-Maquis - STO-Verweigerer und ehemalige Glières-Kämpfer. Beim Angriff des italienischen Militärs auf das AS-Maquis Montfort zwischen Saint-Gervais und Passy wurden fünf junge Männer getötet, zahlreiche verwundet und verhaftet (vgl. Passy).

 

Judenrettung

1943 durchkreuzte das italienische Militär Pläne der Vichy-Regierung, alle ausländischen Juden aus dem Südosten Frankreichs in die deutsch besetzten Departements Archèche und Drôme auszuweisen  - und sie damit der Gefahr der Deportation in die Vernichtungslager auszuliefern. Die Italiener wiesen im Frühjahr 1943 etwa 4500 Juden Zwangswohnorte in der italienischen Besatzungszone zu ('assignés à résidence'). In Saint-Gervais-les-Bains, das über viele Hotels und Pensionen verfügte und wohin schon viele Juden aus der deutsch besetzten Nordzone geflüchtet waren, kamen etwa 600 am 8. April 1943 an und wurden auf Hotels, Pensionen etc. verteilt. Sie konnten sich im Ort frei bewegen. Wichtige Hilfsstellen für Unterkunft, Papiere, Unterstützung waren UGIF, OSE und das Hotel Eden. Dort mieteten Joseph Kott und seine Mitstreiter Marc Jarblum, Anatole Abkine, Otto Gniewski, Maurice Grunberg, Gérard Halberthal und Théa Epstein Chalets und Pensionen an, brachten bedrohte jüdische Menschen mit Hilfe von Fluchthelfern in die Schweiz, halfen mit falschen Papieren und vermittelten einige in Résistancegruppen und Maquis. Die Jesuiten unter ihrem Pater Henri Réverol versteckten in ihrem Haus 'Fleur des Neiges' bedrohte Menschen und brachten sie in die Schweiz.
Als sich kurz vor der deutschen Invasion  (am 8. September 1943) das Gerücht verbreitete, die Italiener würden die Juden nach Nordafrika evakuieren, brachten Hilfsorganisationen etwa 2000 Juden aus Saint-Gervais-les-Bains und dem Nachbarort Megève in Bussen Richtung nach Nice/Nizza  – wo viele später den Deutschen in die Hände fielen.  

Totendenkmal Totentafel im Rathaus; © Christian Charles, genweb Square Henri Baud Fleur des Neiges

Gedenken

Das Totendenkmal (vor der Kirche) und die Gedenktafeln in der Rathaushalle ehren auch umgekommene Résistants und nach der Befreiung zu den regulären Gebirgsjägern umgekommene FFI-Kämpfer (50 Avenue du Mont d'Arbois). Neben dem Rathaus ist ein kleiner Platz Henri Baud gewidmet, dem lokalen Chef der Armée Secrète; die Initiative dazu entstand nach einem Schüler/innen-Projekt.
Das Hotel Eden, Sitz des Rettungsnetzwerks von Juden, existiert nicht mehr. Pater Révol vom Fleur des Neiges wurde 1972 von der israelischen Yad Vashem-Gedenkstätte als „Gerechter unter den Völkern“ ausgezeichnet und pflanzte seinen Baum in der Allee der Gerechten. Das Heim arbeitet heute unter anderer Leitung (287 Chemin des Granges d'Orsin, neben der D 43 nach Saint-Nicolas de Veroce).

 

Literatur/Medien

Germain, Michel: Chronique de la Haute-Savoie pendant la Deuxième Guerre mondiale, Bd. 2
Panicacci, Jean-Louis: L'Occupation italienne: Sud-Est de la France, juin 1940-septembre 1943, Rennes 2010
http://www.ajpn.org/commune-Saint-Gervais-les-Bains-74236.html (Judendeportationen + -rettung)
http://www.saintgervais.com/fr/mairie/decouvrir-saint-gervais/actualites/561-inauguration-de-la-plaque-rendant-hommage-a-henri-baud.html
http://www.ac-grenoble.fr/ecole/74/marie-paradis.saint-gervais/ (Ausstellung über Befreiung)
http://fr.wikipedia.org/wiki/Henri_Baud