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Pietransieri-Limmari

Region Abruzzen / Provinz L'Aquila

Kapelle in PietransieriDer Ort
Aus dem Film: Il sangue dei Limmari (2009) Foto: Pietransieri Racconta)Pietransieri mit ca. 500 Einwohner/innen ist eine kleine Teilgemeinde von Roccaraso, fast 1300 m hoch gelegen im Sangro-Tal, ca. 100 km südwestlich von Chieti und von dort entweder über die A 25 und S.S. 17 oder die S.S. 81 und S.S. 84 erreichbar.

Die Ereignisse
Mitte Oktober 1943 trafen deutsche Soldaten in dem strategisch günstig gelegenen Dorf ein und begannen mit dem Ausbau der Stellungen, die zur Gustav-Linie gehörten. Männer von Pietransieri wurden für den Arbeitseinsatz rekrutiert. Am 7. November 1943 wurde der gesamten Einwohnerschaft die Evakuierung befohlen. Die Mehrheit der Einwohner befolgte den Befehl. Trotz Kälte und Schnee machte sie sich zu Fuß auf den Weg in das 40 km entfernte Sulmona, ein Fußmarsch, der bereits zahlreiche Todesopfer forderte. Ungefähr 200 Einwohner wollten jedoch Pietransieri nicht verlassen und wichen in die Bauernhäuser des Weilers Limmari am Sangro-Ufer aus. Zwischen dem 15. und 21. November reagierten deutsche Soldaten auf diese „Verweigerung“ mit einer wahren Mordorgie: zunächst wurden einzelne Opfer – eine junge Frau, ein greises Ehepaar und andere Dorfbewohner – in Limmari getötet, dann wurden Bauernhäuser gesprengt, zahlreiche Häuser in Pietransieri in Brand gesteckt.

Medaglia d'oro in der Kapelle

Am 21. November schließlich wurden die nach Limmari geflüchteten Einwohner  zusammengetrieben, von einem Ring aus Panzerminen umgeben, die aus der Entfernung gezündet wurden. 128 Menschen fielen diesem  Massaker zum Opfer, darunter 34 Kinder, das jüngste gerade einen Monat alt, und 50 Frauen. Nur ein siebenjähriges Mädchen, das unter Leichen begraben war, überlebte. „Ein bestialischer Exzess, der keinen Oberbefehlshaber irritiert zu haben scheint, den kein Wehrmachtsrichter je verfolgte, an den sich vermutlich kein deutscher Soldat erinnert. Dennoch kam die Wahrheit an den Tag…“ (Schreiber 1996, S. 154).

Gedenken
Tafeln mit Namen und Alter der Opfer an beiden Seiten einer Kapelle in Pietransieri erinnern an das Massaker, im Garten steht eine Skulptur mit vier Gedenksteinen, ebenfalls mit Namen und Alter der Opfer. An einer Wand der Kapelle ist die Urkunde über die Verleihung der "Medaglia d'oro al Valor Militare" an die Gemeinde angebracht.

Gedenktafeln in der Kapelle Gedenkstein Tafel auf dem Gedenkstein Tafel an der Kapelle

In Limmari im Valle della Vita führt ein Weg der Erinnerung zu Gedenksteinen und zu Häusern, in denen entweder einzelne Personen, zehn, dreißig oder sechzig Menschen ermordet wurden. Der Weg beginnt an einem kleinen Museum (Museo della Memoria Martiri della Limmari) und legt ca. 300 Höhenmeter zurück, leider nicht gut markiert und nicht leicht erkennbar. 

zerstörtes Bauernhaus Gedenktafel am Bauernhaus Gedenkstein für 60 Opfer Gedenkstein für 10 Opfer

Nach 1945
Am 2. November 2017 verurteilte ein Gericht in Sulmona (Abruzzen) in erster Instanz die Bundesrepublik Deutschland zu Entschädigungszahlungen an die Opfer des Massakers (5 Mio Euro) und die Gemeinde Roccaraso (1,6 Mio Euro).
Das Gericht ignorierte dabei den zuletzt vom Internationalen Gerichtshof in Den Haag (IGH) in seinem Urteil vom 3. Februar 2012 bestätigten Grundsatz der Staatenimmunität, wonach individuelle Klagen einzelner Bürgerinnen und Bürger gegen einen fremden Staat und dessen „hoheitlichen Akte“ (z. B. auf Entschädigung oder Schmerzensgeld wegen an ihnen begangener Verbrechen) ausgeschlossen sind, weil Staaten gegen Individualklagen „immun“ seien: Das italienische Verfassungsgericht hatte in einer grundsätzlichen Entscheidung vom 22. Oktober 2014 diesen Grundsatz in Fällen schwerster Menschenrechtsverletzung als für mit der italienischen Verfassung unvereinbar erklärt.

Literatur / Medien
Andrae, Friedrich: Auch gegen Frauen und Kinder. Der Krieg der deutschen Wehrmacht gegen die Zivilbevölkerung in Italien 1943-1945, München- Zürich 1995. S. 109 ff.;  Schreiber, Gerhard: Deutsche Kriegsverbrechen. Täter, Opfer, Strafverfolgung.  München 1996, S. 152 ff.; Paolo Paoletti: “L’eccidio dei Limmari di Pietransieri (Roccaraso); un’operazione di terrorismo – Analisi comparata delle fonti scritte ed orali italiane e straniere.” Roccaraso 1999; www.rivisondoliantiqua.it/gli%20altipiani%20nella%20storia/virginia_il_ricordo.htm (u.a. Zeugenaussage der damals siebenjährigen Virginia Macerelli); Dokumentarfilme "La Guerra en Casa" von Territori-LINK, u.a. Anna Cavasinni, Fabrizio Francescelli:  "Il sangue dei Limmari", Territori-Link, 2009 ( Vol. 5);  www.pietransieri-racconta.com/la-storia-di-pietransieri/eccidio-di-limmari (Film-Foto "Il sangue dei Limmari);  www.raistoria.rai.it/articoli/leccidio-di-limmari/11162/default.aspx