Region Friaul-Julisch Venetien / Provinz Udine

Der Ort
Palmanova, Piazza GrandePalmanova ist eine Gemeinde im Friaul mit 5.422 Einwohner/innen (Stand 31. Dezember 2016). Der Ort wurde ab Ende des 16. Jahrhunderts in fast hundertjähriger Bauzeit als venezianische Garnisonsstadt für circa 20.000 Menschen angelegt, um das eroberte Hinterland der Lagunenstadt Venedig gegen Habsburger und Osmanen verteidigen zu können. Die Festungsbaukunst der Venezianer, der sternförmige Grundriss des Ortes mit radialem Straßennetz und großen Stadttoren hat sich bis heute erhalten. Seit dem Jahr 2017 gehört der Ort deshalb zum UNESCO-Weltkulturerbe.
Während der Besatzung durch deutsche Truppen war Palmanova von September 1944 bis Ende April 1945 Sitz eines der größten Zentren zur Partisanenbekämpfung der Region.
Der Ort liegt unmittelbar östlich des Autobahndreiecks der A4 (Venedig 112 km –Triest 52 km) und der A23 (Abzweig nach Udine 28 km).

Die Ereignisse
Jagd auf Partisanen in der Operationszone Adriatisches Küstenland
Kaserne Piave, Museo della ResistenzaStarke Partisanenaktivitäten in der Region Friaul-Julisch Venetien, die nach der italienischen Kapitulation am 8. September 1943 zur späteren Angliederung an das „Großdeutsche Reich“ seit Mitte September 1943 zur neugeschaffenen „Operationszone Adriatisches Küstenland" gehörte, hatten Himmler dazu veranlasst, die gesamte Region bereits am 9. November 1943 zum „Bandenkampfgebiet" zu erklären. Als oberster SS- und Polizeichef (HSSPF) wurde Odilo Globocnik eingesetzt, der zuvor im annektierten Polen die Ermordung von nahezu zwei Millionen jüdischer Menschen in den Lagern Belzec, Treblinka und Sobibor („Aktion Reinhardt“) organisiert hatte. Er brachte in Menschenjagd und Massentötung erfahrene Spezialisten, nämlich Organisatoren der „Krankenmorde“ im Rahmen der „Aktion T4" und der Massenmorde in den Vernichtungslagern und Ghettos Mitteleuropas, mit nach Triest, die nun vorrangig in der Organisation des „Bandenkampfes" eingesetzt wurden.
Als HSSPF unterstanden Globocnik sämtliche SS- und Polizeiverbände seines Befehlsbereichs, u.a. die „Karstjäger" der 24. Waffen-Gebirgs-(Karstjäger-)Division, kroatischer und slowenischer Landschutz, Kosackenverbände, der faschistische „Heimatschutz" (MDT, Milizia di Difesa Territoriale) und diverse paramilitärische Verbände. „An Polizeikräften verfügte er im Februar 1945 über insgesamt 7.423 Mann deutscher sowie 25.354 Mann „landeseigener" und „fremder" Verbände" (Wedekind, S. 311).
Gedenktafel an der KaserneDennoch vermochten diese Einheiten nicht, die Widerstandsbewegung im Friaul zu zerschlagen. In der Provinz Udine wurden mehrere SS-Stützpunkte eingerichtet, u.a. in Palmanova, von denen aus neben der Sicherung der Hauptverkehrsstraßen vor allem die Jagd auf Mitglieder der GAP-Gruppe „Intendenza Montes" betrieben wurde. Aufgabe dieser zur Garibaldi-„Natisone"-Division gehörenden Partisaneneinheit war die logististische Unterstützung der in den Bergen operierenden italienischen und slowenischen Partisanen. Dieses dicht gespannte Netzwerk übernahm den Transport von Versorgungsgütern und Nachrichten aus der Küstenregion, wo besonders in der Industriestadt Monfalcone die Arbeiter bereits seit den Zwanziger Jahren einen hohen antifaschistischen Organisationsgrad aufwiesen.

Folterzentrale in der Caserma Piave
Holzskulptur vor dem MuseumNeben der Risiera di San Sabba in Triest war die Piave-Kaserne in Palmanova von September 1944 bis Ende April 1945 Sitz eines der größten Zentren zur Partisanenbekämpfung der Region. Mehr als 500 Menschen waren während dieser Zeitspanne in der Kaserne inhaftiert, mindestens 113 von ihnen verließen sie nicht lebend, wurden „auf der Flucht erschossen", wie als Todesursache offiziell zu den Akten genommen wurde.
Von hier aus operierten mehrheitlich italienische und istrische Mitglieder der SS-Karstwehr und des sogenannten „Heimatschutzes" - mit weitreichenden Befugnissen der SS ausgestattet, ähnlich der „Banda Koch" in Rom - und begingen auf ihrer Jagd auf Antifaschisten zahlreiche Überfälle, bestialische Folterungen und Morde.
Einer der bekanntesten Männer, die von Karstjägern in der Caserma Piave zu Tode gefoltert wurden, war Silvio Marcuzzi (1907-1944), Anführer der zur „Natisone"-Division gehörenden GAP-Gruppe „Intendenza Montes". Marcuzzi war am 29. Oktober 1944 von Karstjägern aufgespürt und nach Palmanova verschleppt worden, wo er nach tagelanger Folter in der ersten Novemberhälfte 1944 - ein genaues Todesdatum liegt nicht vor - seinen Misshandlungen erlag.

Gedenken
Museo della Resistenza
In der ehemaligen Kaserne Piave, deren Räumlichkeiten nun für vielfältige Zwecke genutzt werden, ist seit dem Jahr 2014 das Museo della Resistenza untergebracht. Neben vielen Exponaten zur Widerstandsbewegung der Provinz sind vier der früheren Folterzellen erhalten geblieben.
Vor dem Museo della Resistenza steht neben einer den Opfern gewidmeten eindrucksvollen Holzskulptur auch eine Büste von Mario Fantini (1912-1988), der ab Sommer 1944 Kommandeur der starken Garibaldi-Division „Natisone" war. Fantini, für seine Verdienste später mit der Medaglia d'argento al valor militare ausgezeichnet, war viele Jahre Präsident der ANPI (Associazione Nazionale Partigiani d'Italia) der Provinz Udine.
Das vom Innenhof der Ex-Kaserne zugängliche Museum ist bisher nur zu bestimmten Anlässen für die Öffentlichkeit zugänglich.
Palmanova, Via Renier/Contrada Garzoni

Piazza Grande
Monumento ai martiri della resistenzaIn der Loggia della Gran Guardia an der Piazza Grande befindet sich das den Opfern des Widerstands gegen die deutsche Besatzung gewidmete Monumento ai martiri della resistenza.

Literatur / Medien:
Fabroni, Flavio: La Caserma "Piave" di Palmanova (Autunno 1944 - Aprile 1945), In: Comitato Regionale dell'ANPI del Friuli-Venezia Giulia (Hg.), Quaderni della Resistenza Nr. 14; Fransecky, Tanja von / Rudorff, Andrea / Schneider, Allegra / Stracke, Stephan (Hg.): Kärnten, Slowenien, Triest. Umkämpfte Erinnerungen. Bremen 2010; Wedekind, Michael: Nationalsozialistische Besatzungs- und Annexionspolitik in Norditalien. 1943 bis 1945. Die Operationszonen „Alpenvorland“ und „Adriatisches Küstenland“ (= Militärgeschichtliche Studien. Bd. 38), München 2003; Auszug aus der deutsch-italienische Datenbank „Atlante delle Stragi Naziste e Fasciste in Italia" zur Ermordung von Silvio Marcuzzi als einer der vielen Einträge für Morde in der Caserma Piave; pg89gonars.jimdo.com/palmanova-1944-45/il-museo-della-resistenza; it.wikipedia.org/wiki/Silvio_Marcuzzi; de.wikipedia.org/wiki/24._Waffen-Gebirgs-(Karstjäger-)Division_der_SS; www.anpi.it/donne-e-uomini/570/mario-fantini