KandanosRegion Kreta / Regionalbezirk Chania

Der Ort
Kandanos ist mit ca. 1.000 Einwohner/innen Verwaltungssitz der gleichnamigen kretischen Gemeinde. Der Ort wurde am 3. Juni 1941 während der ersten Tage der deutschen Besatzung der Insel Kreta vollständig zerstört und alle Männer, die nicht rechtzeitig flüchten konnten, ermordet. Kandanos gehört seit dem Jahr 1998 zu den Märtyrerorten Griechenlands (gem. Präsidialdekret 399/1998).
Zu erreichen ist der Ort von Chania über die New Road in Richtung Kissamos, von der bei Tavronitis in Richtung Paleochora (Südküste) abgebogen wird; vorbei an Kakopetros und Floria wird Kandanos erreicht (55 km ab Chania).

Das Ereignis
Am 23. Mai 1941 traf während des deutschen Angriffs auf Kreta (siehe: Luftlandeschlacht um Kreta, Operation Merkur) eine deutsche Einheit auf dem Weg nach Paleochora zwischen Floria und Kandanos auf Widerstand. Die Kreter hielten die Deutschen zwei Tage lang auf und konnten so Paleochora und den Abzug der alliierten Soldaten an die Südküste zur Ausschiffung nach Ägypten schützen. Nach deutschen Angaben wurden dabei 25 deutsche Fallschirmjäger, Gebirgsjäger und Pioniere getötet.

Foto: Bundesarchiv CC BY-SA 3.0Am 31. Mai 1941 erließ der Befehlshaber der deutschen Truppen, General Kurt Student, einen auch nach damals geltendem Kriegsvölkerrecht verbrecherischen Befehl, mit dem er brutale Vergeltungsmassnahmen an der Zivilbevölkerung anordnete:
,, [...] Als Vergeltungsmaßnahmen kommen in Frage: 1.) Erschiessungen 2.) Kontributionen 3.) Niederbrennen von Ortschaften 4.) Ausrottung der männlichen Bevölkerung ganzer Gebiete. [...] Es kommt nun darauf an, alle Massnahmen mit größter Beschleunigung durchzuführen, unter Beiseitelassung aller Formalien und unter bewusster Ausschaltung von besonderen Gerichten. Bei der ganzen Sachlage ist dies Sache der Truppe und nicht von ordentlichen Gerichten. Sie kommen für Bestien und Mörder nicht in Frage. [...]“ (zit. nach Bundesarchiv-Militärarchiv, BA-MA, RH 28-5-4b, Bl. 412f.)

Auf Basis dieses Revanchebefehls wurde am 3. Juni 1941 - nur einen Tag nach den Massakern an der Zivilbevölkerung von Kondomari und Alikianos - Kandanos (mit Ausnahme der Kirche) vollständig zerstört. Mehrere ältere Einwohner, die nicht mehr fliehen konnten, wurden ermordet. Dieses Verbrechen wurde von der 3. Kompanie des Kradschützenbataillons 55, einem Zug Fallschirmjäger des Sturmregiments und zwei Gruppen der Gebirgspioniere verübt (Richter, S. 192). Im zerstörten Kandanos wurde eine Tafel in deutscher und griechischer Sprache aufgestellt, die die Zerstörung des Ortes ausdrücklich als ,,Sühne“ für den Tod der gefallenen deutschen Kameraden darstellte.

Opferzahlen
Die in der Literatur angegebenen Zahlen der am 3. Juni 1941 in Kandanos ermordeten Einwohner/innen schwanken stark: Während der Nationalrat für die Entschädigungsforderungen Griechenlands an Deutschland (S. 62), Kadelbach (S. 99) und einige Internetquellen von 300 Opfern berichten, nennt Richter (S. 192) 5 Opfer und listet sie namentlich auf. Die von Richter gegebenen Opferzahlen decken sich mit den Angaben an der Gedenkstätte von Kandanos zum Todestag 3. Juni 1941.

Nach 1945:
Weder vor deutschen noch vor griechischen Gerichten musste sich Kurt Student für die von ihm befohlenen Kriegsverbrechen verantworten. Nach Kriegsende verhaftet, wurde er 1946 zwar von einem britischen Militärgericht in Lüneburg - ausschließlich wegen auf Kreta begangener Kriegsverbrechen an britischen Soldaten! - zu fünf Jahren Haft verurteilt, das Urteil aber wieder aufgehoben und Student bereits 1948 freigelassen. Ein Auslieferungsbegehren der griechischen Regierung wurde negativ beschieden; ein gegen ihn auf Betreiben des Griechischen Nationalen Kriegsverbrecherbüros (Office National Hellenique des Criminels de Guerre) eingeleitetes Ermittlungsverfahren wurde 1964 eingestellt.
Noch heute (Stand Ende 2015) ehrt ihn u.a. der Bund Deutscher Fallschirmjäger: Ihr Hilfswerk für Notfälle heißt Hilfswerk Generaloberst Student.

GedenkstätteGedenken
Direkt an der Durchgangsstraße befindet sich die kleine Gedenkstätte, die mit Reproduktionen der von den Deutschen zur Abschreckung aufgestellten Schilder die Erinnerung an die Zerstörung Kandanos wachhält. Auf diesen drei Tafeln sind folgende Texte - jeweils auf deutsch und griechisch - zu lesen:
Hier stand KANDANOS. Es wurde zerstört als Sühne für die Ermordung von 25 deutschen Soldaten“.
Zur Vergeltung der bestialischen Ermordung eines Fallschirmjägerzuges u. eines Pionierhalbzuges durch bewaffnete Männer u. Frauen aus dem Hinterhalte wurde Kandanos zerstört“.
Für die bestiale Ermordung Deutscher Fallschirmjäger, Gebirgsjäger und Pioniere von Männern, Frauen und Kindern, zusammen mit dem Pfarrer, sowie, weil sie gegen das Grossdeutsche Reich Widerstand geleistet haben, wurde am 3.6.41 KANDANDOΣ vom Grunde zerstört um niemals wieder aufgebaut zu werden“.
Die Originale der von den Deutschen zur Abschreckung aufgestellten Schilder befinden sich in einem kleinen Museum im Rathaus von Kandanos.

Auf dem großen Platz einige Meter weiter die Straße entlang befindet sich die Gedenkstätte für alle Opfer Kandanos während der Zeit der deutschen Besatzung.

Literatur / Medien:
Bundesarchiv (Hg.): Europa unterm Hakenkreuz - Die Okkupationspolitik des deutschen Faschismus in Jugoslawien, Griechenland, Albanien, Italien und Ungarn, Berlin 1992; Kadelbach, Ulrich: Schatten ohne Mann. Die deutsche Besetzung Kretas, Mähringen 2002; Nationalrat für die Entschädigungsforderungen Griechenlands an Deutschland (Hg.): Schwarzbuch Besatzung, 3. Auflage, Athen 2012; Richter, Heinz: Operation Merkur - Die Eroberung der Insel Kreta im Mai 1941, Ruhpolding 2011; Xylander, Marlen von: Die deutsche Besatzungsherrschaft auf Kreta 1941-1945, Freiburg 1989;