Bezirk Panevėžys
Rokiškis, eine Stadt mit heute über 14.000 Einwohnern, liegt im Nordosten Litauens nahe der lettischen Grenze. Man erreicht den Ort von Panevėžys aus nach ca. 70km auf der Straße Nr. 122.
Die Ereignisse
Im Kreisgebiet Rokiškis lebten 1941 ungefähr 4.500 Juden. Die deutsche Wehrmacht besetzte das Städtchen am 27./28. Juni. Der litauische Kreischef koordinierte die Aktionen der dortigen antisowjetischen Aufständischen, freiwilliger Helfer und der Polizei. Am 29. Juni begannen sie mit der Verfolgung und Ermordung von Kommunisten und Juden, gedeckt – jedoch nicht direkt unterstützt – von deutscher Seite. In kleinen Gruppen wurden die Opfer in den etwa 5km entfernten Steponys Wald gebracht und dort erschossen. Am 8. Juli wählte man 108 junge Juden zwischen 14 und 30 Jahren unter dem Vorwand aus, sie nach Biržai zur Arbeit zu schicken. Sie wurden ebenfalls im Steponys Wald erschossen. Für den Zeitraum vom 27. Juni bis 14. August reklamiert der SS-Chef Jäger diesen Morderfolg für die SS: 981 Opfer. „493 Juden, 432 Russen, 56 Litauer (alles aktive Kommunisten)“ (Jäger-Bericht zit. in Wette 2011).
Der Anführer der litauischen Nationalisten und der litauische Kreischef vor Ort waren bereits am 14. August von dem tags darauf beginnenden Massaker informiert, weil sie es im Auftrag des SS-Rollkommando Hamann vorzubereiten hatten. Die in einem kurzfristig eingerichteten Ghetto in Rokiškis eingesperrten Juden wurden am 15. und 16. August im etwa 4 km von der Stadt entfernt ermordet. Der Kreischef hatte Polizei, Freiwillige und antisowjetische Aufständische am Vorabend zusammengezogen. Sowjetische Kriegsgefangene waren gezwungen worden, im Wald drei Meter tiefe Gruben auszuheben. Dann wurden die Juden am 15. und 16. August aus dem Ghetto in Kolonnen zu Fuß, die Älteren und die Kinder in Wagen, zum Mordplatz geschafft und – nachdem sie sich hatten entkleiden müssen – halbnackt in die Gruben getrieben und erschossen. Dem von der SS-Zentrale in Kaunas geplanten Blutbad fielen „3200 Juden, Jüdinnen und J-Kinder, 5 litauische Kommunisten, 1 Pole, 1 Partisane“ zum Opfer (Jäger-Bericht zit. in Wette 2011).
Wenigen Juden war es gelungen zu entkommen. Einige von ihnen wurden von litauischen Bauern versteckt, aber später von der litauischen Polizei entdeckt. Was aus den Entdeckten und ihren Helfern wurde, ist unbekannt. Ende August waren die 4.500 jüdischen Bewohner des Kreises Rokiškis ausgelöscht.
Karl Jäger, SS-Chef des litauischen Besatzungsgebiets, hob am Beispiel dieses barbarischen Massenmords mit bürokratischer Kälte hervor: „Die Durchführung solcher Aktionen ist in erster Linie eine Organisationsfrage. Der Entschluss, jeden Kreis systematisch judenfrei zu machen, erfordert eine gründliche Vorbereitung … In Rokiskis waren 3208 Menschen 4½ km zu transportieren, bevor sie liquidiert werden konnten. Um diese Arbeit in 24 Stunden bewältigen zu können, mussten von 80 zur Verfügung stehenden litauischen Partisanen über 60 zum Transport bzw. zur Absperrung eingeteilt werden. Der verbleibende Rest … hat zusammen mit meinen Männern die Arbeit verrichtet …“ (Jäger-Bericht zit. in Wette 2011).
Gedenken
Gedenkort I
Für die Ende Juni bis Mitte August 1941 im Steponys Wald Ermordeten wurde 1953 ein Gedenkstein errichtet, der 1977 erneuert wurde. Man erreicht ihn, indem man in Rokiškis in die Vyutauto-Straße einbiegt, die in Richtung Divonai zur Straße Nr. 3604 wird. Bei den ersten Häusern des Örtchens Steponys biegt man rechts in den Weg zum Wald ein (GPS 56.0047169 25.551748 / 56°0.2830'N 25°33.1049'E). Man bleibt auf dem Hauptweg, die erste Möglichkeit links führt zum Gedenkort.
GPS 56.00422472 25.56091639 / 56°0.2535'N 25°33.6550'E
Gedenkort II
An die Opfer des Massakers vom 15./16. August 1941 erinnert ein 1958 errichteter Gedenkstein mit der Inschrift (in litauischer, russischer und jiddischer Sprache): „Hier sind die Menschen begraben, die am 15./16. August 1941 von deutscher Hand und der Hand litauischer Nationalisten starben“. Man erreicht den Gedenkort von Panevėžys aus, indem man vor Rokiškis von der Straße Nr. 122 auf die Nr. 123 in Richtung Juodupė wechselt. Die Umgehungsstraße endet auf der Straße Nr. 3601. Man passiert den Ort Bajorai, nach 1km zeigt rechts ein braunes Hinweisschild zum Gedenkort (Holokausto Aukų Kapai 0,5km). Hinter dem Hinweisschild rechts in den Wald einbiegen, nach 500 Meter errecht man den Gedenkort.
GPS 55.99586306 25.63125806 / 55°59.7518'N 25°37.8755'E
Literatur /Medien
Dieckmann 2011, Bd. 2, S. 809-813; Faitelson, Alex: Im jüdischen Widerstand, Zürich 1998, S. 39f.; Holocaust Atlas 2011, S. 148-151; Wette 2011: Karl Jäger, S. 102-106 (Jäger-Bericht im Anhang o.S., Bl. 2 und Bl. 7)
http://www.holocaustatlas.lt/EN/Gedenkort I
http://www.holocaustatlas.lt/EN/Gedenkort II
http://www.jewishgen.org/yizkor/pinkas_lita/lit_00646.html
https://www.jewishgen.org/yizkor/rokiskis/rok383.html (Zeitzeugenberichte)
http://defendinghistory.com/new-jewish-monument-in-rokiskis
https://de.wikipedia.org/wiki/Rokiskis