„Das Ziel, Litauen judenfrei zu machen, konnte nur erreicht werden durch die Aufstellung eines Rollkommandos mit ausgesuchten Männern unter der Führung des SS-Obersturmbannführers Hamann , der ... es verstand, die Zusammenarbeit mit den litauischen Partisanen und den zuständigen zivilen Stellen zu gewährleisten“. Mit dieser Anerkennung der Verdienste Joachim Hamanns beschreibt Karl Jäger, Chef der SS-Sicherheitspolizei in Litauen, im Jäger-Bericht vom 1. Dezember 1941 die Bedeutung dieser Sondereinheit für die systematische Ermordung der litauischen Juden außerhalb der großen Städte. Das Rollkommando war eine kleine, motorisierte Einheit, die von Kaunas aus alle Bereiche Litauens schnell erreichen konnte und mit meist nur wenigen befehlenden SS-Leuten, jedoch unter starker Beteiligung litauischer Hilfstruppen, örtlicher Polizeikräfte und litauischer Aufständischer (antisowjetische „Partisanen“ oder „Weißarmbinder“) in den Monaten Juli bis Oktober 1941 jene mörderische Effizienz erreichte, die Jäger in seinem soeben zitierten Bericht rühmte. Stellvertreter Hamanns war Helmut Rauca. Neben Hamann selbst war für den Einsatz des Rollkommandos die Hilfe des aus dem litauischen Militär stammenden Leutnants Bronius Norkus von Bedeutung, wie Hamann ein fanatischer und skrupelloser Antisemit. Das Rollkommando wurde nach der Ermordung von nahezu 70.000 Juden Anfang Oktober 1941 aufgelöst – die jüdische Bevölkerung in den ländlichen Gebieten Litauens war ausgelöscht.
Hamann und Norkus rekrutierten die Angehörigen ihrer Einheit aus den im Juli in Kaunas aus Militär und Polizei formierten litauischen Hilfstruppen. Am Tag vor einer ihrer Mordaktionen kündigten sie – so der häufige Verlauf – der örtlichen litauischen Polizei an, dass eine Massenerschießung von Juden stattfinden werde und die Polizei sowie freiwillige Helfer die örtlichen Vorbereitungen zu treffen hatten: die Aushebung von Massengräbern, Bereitstellung von Wach- und Begleitpersonal sowie das Zusammentreiben und die Entkleidung der jüdischen Opfer am vorgesehenen Exekutionsplatz. Am Morgen des „Aktionstages“ rückte das Rollkommando mit einigen Dutzend Angehörigen an und besorgte, oft mit örtlicher Unterstützung, das Abschlachten von hunderten von jüdischen Männern, Frauen und Kindern. Den Erschießungskommandos stand meist unbegrenzt Alkohol zur Verfügung, örtliche Hilfskräfte hatten schließlich die Massengräber zuzuschaufeln. Karl Jäger, Chef des Einsatzkommandos 3, fuhr oft mit zu den Mordaktionen.
Zigtausende der bis Dezember 1941 in Litauen ermordeten über 137.000 Juden sind dem systematischen Wüten des Rollkommandos Hamann zuzurechnen, das neben den Massenerschießungsplätzen Paneriai und in Kaunas innerhalb weniger Monate zum entscheidenden Instrument der Vernichtung der litauischen Juden wurde. In der Anfangsphase der Mordaktionen zählten neben jüdischen Männern im wehrfähigen Alter auch Kommunisten – und wen man dafür hielt – zu den Opfern, ab August 1941 stieg die Zahl der ebenfalls ermordeten Frauen, wenig später wurden auch Kinder von den Massakern erfasst. Die Vernichtungsgewalt war grenzenlos geworden.
Literatur / Medien
Dieckmann 2011, Bd. 1, S. 333-337; Heine, Eric: Allgemeine Ermächtigung und konkrete Eigendynamik. Die Ermordung der Juden in den ländlichen Gebieten Litauens, in: Bartusevičius u.a. (Hg.): Holocaust in Litauen, 2003, S. 91-102; Holocaust Atlas 2011, S. 10; Stang, Knut: Kollaboration und Massenmord. Die litauische Hilfspolizei, das Rollkommando Hamann und die Ermordung der litauischen Juden, Frankfurt/M. 1996; Wette 2011: Karl Jäger, S. 102ff.
http://www.holocaustatlas.lt/EN/#perpetrators
https://de.wikipedia.org/wiki/Joachim_Hamann
http://www.lithuanianjews.org.il/Mechanized Commando Unit Hamann