Hinter dem Begriff „Aktion“ verbarg sich in der Periode der NS-Herrschaft die Anordnung ungezählter und oft groß angelegter Verfolgungs- und Vernichtungsprogramme (z.B. das 1940 als „Aktion T 4“ angeordnete Programm zum Massenmord an Kranken und Behinderten; 1942 die „Aktion Reinhardt“ zur Errichtung der großen Vernichtungslager Belzec, Sobibor und Treblinka). „Aktionen“ wurden häufig auch örtliche und regionale Verfolgungsmaßnahmen genannt. Auch in Litauen waren während der Okkupationszeit 1941–1944 „Aktionen“ an der Tageordnung. In den großen Ghettos von Vilnius, Kaunas und Šiauliai richteten sie sich u.a. gegen arbeitsunfähige Ghettohäftlinge: Kinder, Ältere und Kranke. Sie wurden gezielt ergriffen, weggeschafft und dann umgebracht.

Aktion Sommer: In einer gewaltsamen Erfassungsaktion Ende August / Anfang September 1943 wüteten lettische, estnische und deutsche Truppen in über 20 litauischen Städten und Orten, u.a. in Švenčionys, Svyriai, Eišiškės, Kaišiadorys und Žiežmariai. Ziel war die Bekämpfung der Partisanen, Verschleppung der arbeitsfähigen Bevölkerung ins Reich und Vieheintreibung. Bei dieser Aktion wurden über 3.000 Menschen – Männer, Frauen und Kinder – nach Deutschland verschleppt. Im Urteil der Zivilverwaltung und Wehrmacht heißt es, das Ergebnis habe den Aufwand nicht gerechtfertigt (Dieckmann 2011).

„Aktion 1005“ (auch „Enterdungsaktion“ genannt): Sie wurde Mitte 1943 zentral eingeleitet und sollte die Spuren der Massenmorde im besetzten Europa verwischen. Die mobilen und lokalen Sonderkommandos, die für die Exhumierung und Verbrennung der Leichen aus Massengräbern sorgen sollten, bestanden aus SD- und SiPo-Offizieren, unterstützt von deutschen Schutzpolizisten. Zur unmittelbaren Ausführung wurden meist jüdische Häftlinge eingesetzt, die nach Abschluss einer Einzelaktion getötet wurden. Zur „Aktion 1005“ in Litauen wurden jüdische Häftlinge in Sonderkommandos aus den Ghettos in Vilnius und Kaunas an den Orten der Massenexekutionen Paneriai und IX. Fort in Kaunas eingesetzt. Jeweils eine kleine Anzahl der zu dieser grauenvollen Zwangsarbeit Eingesetzten konnte unter abenteuerlichen Umständen flüchten, die wenigen Überlebenden haben von den Gräueln berichtet.

Besondere „Kinderaktionen“ fanden 1943 und 1944 in den Ghettos Kaunas, Šiauliai und Vilnius statt. In Kaunas und Šiauliai waren sie auch gegen ältere Häftlinge gerichtet und werden von Überlebenden als „Kinder- und Alten-Aktionen“ ausführlich beschrieben, ebenso entsprechende „Aktionen“ zu anderen Zeitpunkten in kleineren Ghettos und Arbeitslagern. In Kaunas waren von der „Aktion“ am 27./28. März 1944 ungefähr 1.000 Kinder und 300 alte Menschen aus dem inzwischen in ein der SS unterstehendes KZ umgewandelten Ghetto betroffen, die nach Auschwitz und Majdanek deportiert wurden. In Vilnius fielen der „Kinderaktion“ zeitgleich ca. 150 Kinder, teilweise mit ihren Müttern zum Opfer, die sich von den Kinder nicht trennten – sie wurden in einer Gewaltaktion aus dem HKP- und dem Kailis-Lager (Vilnius) geholt und anschließend in Paneriai ermordet. Von Šiauliai und Umgebung aus wurden am 5. November 1943 über 700 Kinder und ungefähr 100 ältere Juden nach Auschwitz deportiert.


Literatur 
Aktion 1005: Dieckmann 2011, Bd. 2, S. 1321ff.; Enzyklopädie des Nationalsozialismus, hrsg. v. Wolfgang Benz u.a., München 2007, S. 396; Grossman, Wassili / Ehrenburg, Ilja: Das Schwarzbuch. Der Genozid an den sowjetischen Juden, Frankfurt a.M. 1994, S. 592ff.
Aktion Sommer: Dieckmann 2011, Bd.1, S. 720ff.
Aktionen in Vilnius: Dieckmann 2011, Bd. 2, S. 286ff.; Sutzkever, Abraham: Wilner Ghetto 1941–1944, Zürich 2009, S. 222ff.
Aktionen in Kaunas: Dieckmann 2011, Bd. 2, S. 1297; Ders.: Das Ghetto und das Konzentrationslager in Kaunas 1941–1944, in: Herbert, Ulrich / Orth, Karin / Dieckmann, Christoph (Hg.): Die nationalsozialistischen Konzentrationslager – Entwicklung und Struktur, Bd. 1, Göttingen 1998, S. 456ff.
Aktionen in Šiauliai: Lipshitz, Leiba: The Šiauliai Ghetto, July 18, 1941 – July 24, 1944, in: The Šiauliai Ghetto: Lists of Prisoners 1942, Vilnius 2002, S. 217