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Großpolen / Wielkopolski

Hauptort: Poznań/Posen

Gedenkorte: Dobra; Gniezno/Gnesen, Jarogniewice; Koło; Kościan/Kosten; Kulmhof/Chelmno nad Nerem, Owińska, Poznań/Posen, Żabikowo (Luboń)

Zur Geschichte
Die heutige Woiwodschaft Großpolen umfasst neben der Hauptstadt Poznań/PosenLage der Woiwodschaft Großpolen/Wielkopolski; Quelle: wikipedia u.a. die Städte Gniezno (Gnesen), Kalisz (Kalisch), Kościan, Kutno, Leszno (Lissa), Pila (Schneidemühl); sie ist ein Teil der historischen Landschaft Großpolen. Das Gebiet wurde nach der 2. Polnischen Teilung 1793 von Preußen kontrolliert ("Provinz Posen"). Um 1900 betrug der Anteil der polnischsprachigen Bevölkerung im preußischen Regierungsbezirk Posen etwa 61 %, der deutschsprachigen etwa 38 %.

Nach dem Großpolnischen Aufstand 1918/19 und dem Versailler Vertrag wurde das Gebiet offiziell Teil der Republik Polen; die polnischen Aufständischen unter General Sikorski hatten die Tatsache genutzt, dass Großteile des deutschen Heeres bei Weltkriegsende noch an der russischen Grenze standen. Nach dem nazideutschen Überfall auf Polen wurde es - vergrößert u.a. um das Industrierevier um Łódź (dt. 1940-1945: Litzmannstadt) und Inowroclaw (dt. Hohensalza) – vom Deutschen Reich völkerrechtswidrig annektiert – vgl. Artikel Annektierte “Eingegliederte Gebiete“ und „Reichsgau Wartheland“ (kurz: Warthegau). 1945 kam das Gebiet wieder zu Polen – aufgrund der Vereinbarung der Großmächte Großbritannien, UdSSR und USA sowie des Potsdamer Abkommens vom 2.8.1945

Reichsgau WarthelandAnnektierter „Reichsgau Wartheland“; Quelle: wikimedia
Nach dem Willen der deutschen Besatzer sollte das annektierte Gebiet so schnell wie möglich ‚germanisiert‘ werden. Im Herbst 1939 waren von den ca. 4,9 Mio Einwohner*innen 4,19 Mio polnisch (85 %), 385.000 jüdisch (7,7 %) und 325.000 deutsch (7 %). Der von Hitler als „Reichsstatthalter“ eingesetzte Arthur Greiser, gleichzeitig NSDAP-Gauleiter, wollte aus dem Warthegau einen „Mustergau“ des Deutschen Reichs und ihn so bald wie möglich „polen- und judenfrei“ machen.
Bereits im Dezember 1939 hatten die Besatzer 87.800 Polen in das Generalgouvernement „abgeschoben“, bis zum Frühjahr 1941 waren es 365.000 Personen - sie sollten Platz machen für „Volksdeutsche“ aus den baltischen und anderen Ländern. Bis Kriegsende wurden über 650.000 polnische Männer und Frauen als Zwangsarbeiter*innen nach NS-Deutschland verbracht. Der Wehrmacht folgend, erschossen SS-Einsatzgruppen, (volksdeutscher) Selbstschutz und Ordnungspolizei Angehörige der polnischen Intelligenz und des Widerstands potentiell Verdächtigte. Arthur Greiser beschrieb den Warthegau als 'einen Exerzierplatz des praktischen Nationalsozialismus' und damit die Funktionalisierung des Reichsgaus durchaus passend.

Ghettoisierung und Ermordung der jüdischen Bevölkerung
Die Gefängnisse, unzählige Arbeitslager und Zwangsarbeitslager für Juden, z.B. in Zabikowo (Luboń), sowie Konzentrationslager füllten sich. Anfang 1940 wurde der Bau von Ghettos für Juden beschlossen und viele ‚Provinzghettos‘ in Dörfern und Kleinstädten errichtet, Ende April 1940 wurden über 160.000 Juden in dem Ghetto Litzmannstadt in Lodz (heute: Woiwodschaft Lodzkie) eingeschlossen (Näheres s. dort). Ab 8. Dezember 1941 wurden mindestens 150.000 jüdische Kinder, Frauen und Männer im SS-Vernichtungslager Kulmhof/Chelmno nad Nerem durch Gas ermordet. Im Dezember 1944/Januar 1945 flohen SS, Gestapo und Wehrmacht vor den einrückenden Rotarmisten.

Patientenmorde: Im Oktober 1939 wurden – auf Initiative von Gauleiter Greiser – erste Patienten der psychiatrischen Klinik in Owińska bei Posen im Bunker des Posener Fort VII mit Gas ermordet; später folgten Patienten der Kliniken in Dziekanka (dt. Tiegenhof) bei Gniezno/Gnesen, in Kościan (dt. Kosten), in Warta und in Kochanówka bei Lódz.). Sie wurden z.T. in mobilen Gaswagen bzw. Gaskammern durch das SS-Sonderkommando Lange ermordet. Diese Mordtechnik wurde ab Dezember 1941 im Vernichtungslager Kulmhof verwendet; vgl. Artikel 'Aktion T4 und Krankenmorde' sowie 'Krankenmorde im deutsch besetzten Polen'.

Literatur/Medien
Jacobmeyer, Wolfgang: Der Überfall auf Polen und der neue Charakter des Krieges; in: Christoph Kleßmann (Hg.): September 1939. Krieg, Besatzung Widerstand in Polen. Göttingen 1989. S. 24f.
https://ome-lexikon.uni-oldenburg.de/regionen/reichsgau-wartheland
https://www.herder-institut.de/digitale-angebote/dokumente-und-materialien/suche.html?q=Reichsgau%20Wartheland
https://de.wikipedia.org/wiki/Wartheland

(2020 – Uhh)