Krieg, Internierung, deutsche Besetzung
Mit Kriegsbeginn 1939 und dem deutschen Angriff auf Frankreich 1940 war es mit der Ruhe in dem in der unbesetzten Südzone liegenden Dorf vorbei. Die deutsche Besetzung im November 1942 beendete endgültig das „aufgezwungene Paradies“ (Ludwig Marcuse).
Im Herbst 1939 wurden viele deutsche, österreichische und tschechische Emigranten als 'feindliche Ausländer' interniert, auch und obwohl sie als Hitlergegner nach Frankreich geflüchtet waren. Walter Hasenclever, Lion Feuchtwanger, Golo Mann, Franz Hessel und andere kamen in das Lager Les Milles, sie wurden meist nach kurzer Zeit entlassen (der Krieg tobte noch nicht auf französischen Boden, vgl. Drôle de guerre).
Nach der deutschen Invasion in Frankreich bat der Bürgermeister von Sanary im Mai 1940 den Präfekten, die 'feindlichen' Deutschen aus seiner Gemeinde zu entfernen (vgl. Bernhard, a.a.O., S. 85). Eine zweite Internierungswelle in Les Milles folgte, jetzt durch das kollaborierende Vichy-Regime, das härter gegen 'unerwünschte Ausländer' und Juden vorging. Ein Anzahl konnte, z.T. mit Hilfe des Rettungsnetzwerks um Varian Fry, auf abenteuerlichen Wegen in ein anderes Land entkommen: z.B. Lion und Marta Feuchtwanger, Wilhelm Herzog, Alma Mahler und Franz Werfel, die Mann-Familie, Alfred Kantorowicz, Kurt Wolff. Walter Hasenclever nahm sich in Les Milles aus Furcht vor den deutschen Truppen das Leben. Franz Hessel starb 1941 an den Folgen eines Schlaganfalls, den er im Lager Les Milles erlitten hatte (Vater von Stéphane Hessel, Autor von 'Indignez vous!'/Empört Euch!); Mieter/innen im Haus waren Helen und Franz Hessel sowie nach dessen Tod Alfred und Friedel Kantorowicz (Le Mas de la Carreirado, Impasse Lou Cimai).
Gedenken
Längere Jahre erinnerte nichts an die deutschen und österreichischen Literaten und Künstler. Im September 1987 wurde eine Gedenktafel mit 36 Namen enthüllt. 2003 gab der damalige Bürgermeister Bernard ein Büchlein heraus, mit vielen Informationen über die zeitweiligen Bewohner/innen des Fischerdorfs.
2017 verzeichnet die Tafel am Tourismusbüro 68 Namen (1 Quai du Levant). Dort sind auch eine Broschüre sowie ein Faltblatt erhältlich, jeweils mit Wegbeschreibung zu den Wohnhäusern. An ehemaligen Wohnungen von exilierten Literaten und Künstlern sind Gedenktafeln (französisch, deutsch, englisch) angebracht; sie sind auf bestimmten Stadtplänen verzeichnet, über die das Tourismusbüro verfügt. Nachfolgend einige Beispiele.
Der Schriftsteller Bruno Frank (1887 – 1945) emigrierte 1933 mit seiner Frau Liesl und wohnte zeitweise in Sanary (Villa La Côte Rouge, 385 Chemin de la Colline), in der Nähe von Thomas Mann, den er von früher kannte. Am 10. Mai 1934, ein Jahr nach der 'Bücherverbrennung' durch die Nazis, gründeten Bruno Frank, Alfred Kantorowicz, Heinrich Mann, Romain Rolland u.a. in Paris die Deutsche Freiheitsbibliothek – Bibliothek der verbrannten Bücher – mit über 15000 in Deutschland verbotenen Büchern. Sie wurde 1940 nach der deutschen Invasion von französischer Polizei beschlagnahmt und vermutlich wenig später von der Wehrmacht zerstört (Boulevard Arago 65, Paris 13°). Bruno und Liesl Frank konnten 1939 über England in die USA ausreisen.