Region Grand Est/Elsass/Alsace, Departement Haut-Rhin
Der Ort
Stadt von 68.784 Einwohner/innen (2014), Hauptstadt des Departements Haut-Rhin. Berühmt u.a. wegen des Isenheimer Altars und des Ortsteils Petite Venise (Klein-Venedig). Wilhelminische Bauten in der Zeit 1871–1918, u.a. das Oberlandesgericht, heute: Cour d‘Appell. Bahnhof: Regionalzüge und TGV nach Basel, Karlsruhe, Paris, Strasbourg. Mit dem Auto von Strasbourg/Straßburg 68 km (D 1083/N 83/A 35) oder 72 km (A 35).
Die Ereignisse
Judenverfolgung und Judendeportationen
Die Synagoge der alt eingesessenen jüdischen Gemeinde Colmars wurde von den deutschen Besatzern als Lagerraum genutzt und geplündert. Die meisten jüdischen Einwohner/innen wurden im Sommer 1940 von den Deutschen in das unbesetzte Frankreich „ausgewiesen“, viele dort in Internierungslagern eingesperrt (z.B. Gurs, Les Milles, Rivesaltes) und an der Rückkehr ins Elsass gehindert. Viele wurden Opfer der von der Vichy-Regierung durchgeführten anti-jüdischen Razzien im Sommer 1942 und der deutschen Deportationen 1942 und 1944. An die in die Vernichtungslager deportierten und dort ermordeten etwa 140 Frauen, Männer und Kinder erinnert ein Denkmal auf dem jüdischen Friedhof, das Namen und Alter der Opfer nennt (135 Rue du Ladhof, vor dem kommunalen Friedhof); ein Mahnmal aus zerschlagenen Grabsteinen erinnert an die Zerstörung des Friedhofs im Jahr 1944.
Résistance und Repression
Am 1. Juni 1943 wurde eine rote 'Bekanntmachung' an die Mauern von Colmar und Nachbarorten geklebt. Sie verkündete die Hinrichtung der vier Résistants René Birr, 20 Jahre, Auguste Sontag, 27 Jahre, Eugène Boeglin, 36 Jahre, und Adolphe Murbach (aus Colmar), 40 Jahre. Sie hatten als Mitglieder des Widerstandsnetzes der Gruppe Wodli Flugblätter gegen die deutsche Besetzung des Elsass verteilt, Geld für Verhaftete gesammelt und Fluchten über die Grenze organisiert. Sie waren Ende Mai 1942 von der Gestapo wegen Bahnsabotagen, Verteilen verbotener Schriften, Fluchthilfe und Verbreiten „kommunistischen Gedankenguts“ verhaftet und im „Sicherungslager“ Schirmeck verhört und gefoltert worden. Anfang Mai waren bereits vier andere Widerstandskämpfer mit der gleichen Begründung verhaftet worden: die Eisenbahner René Kern, 31 Jahre, Alphonse Kuntz, 32 Jahre, Édouard Schwartz, 42 Jahre, und der Kranführer Marcel Stoessel 38 Jahre.
Alle acht Résistants wurden am 23. Januar bzw. 19. März 1943 in Straßburg vom deutschen „Volksgerichtshof“ unter seinem Präsidenten Roland Freisler zum Tode verurteilt – wegen „Vorbereitung zum Hochverrat und landesverräterischer Feindbegünstigung.“ Der 20 jährige René Birr soll zu Freisler gesagt haben: „Wir werden sterben – für eine edle Sache, aber in einem Jahr werden Sie für Ihre Verbrechen bezahlen.“ Die acht Widerstandskämpfer wurden am 1. Juni bzw. 29. Juni 1943 im Gefängnis von Stuttgart enthauptet. Die Leichen wurden „zu Forschungszwecken“ der Anatomie der Universität Heidelberg überlassen und anschließend verbrannt. Nur die Familie Stoessel erhielt die Urne ausgehändigt, er sei, so Zeugen, ja kein Kommunist gewesen. Sieben Urnen wurden anonym in ein Sammelgrab gegeben. 1950 wurden sie ehrenvoll in der Gedenkstätte für die Opfer des Nationalsozialismus auf dem Heidelberger Bergfriedhof bestattet.
Mit der Einführung der Wehrpflicht der Elsässer in der deutschen Wehrmacht ab Juli 1942 und der sich abzeichnenden Kriegswende verstärkte sich der Widerstand und – trotz der z.T. drakonischen Strafen – die Ablehnung der Zwangsrekrutierung. Bis zur Befreiung 1945 wurden 35 Colmarer Einwohnerinnen und Einwohner wegen ihrer Ablehnung und ihres Kampfes gegen die deutsche Besatzung Opfer der NS-Herrschaft. Über einige ist Näheres bekannt: Sieben waren frz. Reserveoffiziere, die sich in der Phase des von Goebbels ausgerufenen 'totalen Kriegs' – auch nach Verschleppung in das ostpreußische Waffen-SS Lager Bruss – geweigert hatten, „freiwillig“ der Waffen-SSbeizutreten; sie wurden in einem KZ ums Leben gebracht. Der zentrale Gedenkort zu Ehren der Widerstandskämpfer/innen befindet sich im Zentrum der Stadt an der Dominikanerkirche, Place des Martyrs de la Résistance.
Befreiung
Kämpfe um Poche de Colmar (Brückenkopf Elsass)
Im November 1944 hatten frz. und alliierte Verbände die Vogesen überschritten und den Rhein bei Straßburg bzw. nahe Basel erreicht. Mit dem Brückenkopf Elsass (oder: Brückenkopf Colmar), einem Gebiet zwischen Mulhouse und Rheinau im Halbkreis um Colmar, wollte die Wehrmacht den alliierten Vormarsch aufhalten – was zunächst zu gelingen schien. Nachdem die wegen des harten Winters eingestellten Kämpfe ab 20. Januar wieder aufgenommen worden waren, konnten die frz. und alliierten Verbände ein Dorf nach dem anderen befreien. Am 2. Februar 1945 erreichten sie Colmar und den zentralen Place Rapp, Colmar war befreit. Am 9. Februar verließen die letzten deutschen Einheiten das südliche Elsass und sprengten die Rheinbrücke bei Neuenburg.