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Lublin – Zwangsarbeitslager für Juden

Woiwoschaft Lublin / Wojew. Lubelski

Besuch hoher SS-Führer: Quelle: death.camps.org

Zwangsarbeitslager Lipowastraße

Im Dezember 1940 übernahm der SS-Wirtschaftsbetrieb DAW (Deutsche Ausrüstungswerke) das Lager. Die DAW stellte vorwiegend Holzartikel her; es gab auch Schneider-, Schuster-, Sattler-, Färber- und Druckerwerkstätten. Im Februar 1941 befanden sich etwa 2000 Juden im Lager, über 700 arbeiteten in den Werkstätten, die anderen in Außenkommandos. Harte Arbeit, Hunger, primitive Unterbringung und Prügel kennzeichneten die Arbeits- und Lebensbedingungen. Im Dezember starben bei einer Fleckfieber- und Typhusepidemie zahlreiche Gefangene.Das Zwangsarbeitslager an der ul. Lipowa 7 (dt. Lindenstraße 7) wurde im Oktober 1939 auf Befehl von SS- und Polizeiführer Odilo Globocnik errichtet. Etwa 200 Juden aus Lublin mussten den ehemaligen Sportplatz in ein Kriegsgefangenenlager umwandeln – für einige tausend jüdische Kriegsgefangene der polnischen Armee, die im Herbst 1939 während des deutschen Einmarsches in Polen gefangen genommen worden waren. Die meisten wurden bis Ende 1940 entlassen.

Die SS-Wachmannschaften kamen aus dem KZ Majdanek. Lagerkommandant von 1941 bis 1944 war SS-Sturmbannführer Karl Heinrich Mohwinkel (1911-2003; vom Landgericht Hamburg zu lebenslänglicher Haft verurteilt). Die Lebensbedingungen der Gefangenen waren hart: Selbst kleine Verstöße gegen die Lagerordnung bedeuteten oft den Tod. Von Zeit zu Zeit wurden größere Gruppen selektiert, nach Majdanek gebracht und dort getötet.
Im Lager war eine Widerstandsgruppe aktiv, geleitet von Roman Fiszer. Im Winter 1942/43 konnten etwa 400 Juden nach und nach flüchten. Die meisten von ihnen wurden eingefangen und erschossen. Etwa 150 Juden erreichten die umliegenden Wälder und schlossen sich später Gwardia Ludowa-Partisanen an.

Gedenktafel an ehem. Zwangsarbeitslager; Quelle: wikimedia


Nach dem Sobibor-Aufstand (14. Oktober 1943) befahl Himmler, alle noch in den Lagern im Distrikt Lublin verbliebenen Juden umzubringen (Deckname Aktion Erntefest); am 3. November 1943 wurden 2500 Juden aus dem Lager Lipowa im KZ Majdanek erschossen. Das Lager wurde Außenlager des KZ Majdanek. Im Februar 1944 wurden 500 nichtjüdische Insassen deutscher KZ eingeliefert. Kurz vor Eintreffen der Roeten Armee uwrde das Lager am 22. Juli 1944 aufgelöst, die verbliebenen 229 Gefangenen in das KZ Auschwitz deportiert.

An der Stelle des Arbeitslagers befindet sich heute ein Einkaufszentrum. Auf einer Erinnerungstafel ist zu lesen: „In den Jahren 1939 – 1945 befand sich hier ein deutsches Arbeitslager für Juden, in dem Handwerker aus vielen Ghettos und 1000 polnische Kriegsgefangene jüdischer Herkunft gefangen waren. Am 3. November 1943 wurden alle Gefangenen dieses Lager von den Nazis in einer Massenerschießung im KZ Majdanek ermordet. Seit Januar 1944 war hier ein Außenlager des KZ Majdanek, in dem 700 Gefangene aus verschiedenen Ländern Europas gefangen gehalten und zur Arbeit gezwungen wurden.


Zwangsarbeitslager Alter Flugplatz

In den nicht zerstörten Hangars und Hallen einer alten Flugzeugfabrik an der ul. Wrońska mussten internierte Juden die Habseligkeiten der in den Vernichtungslagern ermordeten jüdischen Frauen, Männer und Kinder lagern, sortieren, säubern, desinfizieren und verpacken. Das Lager diente der Verwertung der den Opfern der Vernichtungslager geraubten Habe. „Die Beraubung der Opfer gehörte strukturell zum Völkermord dazu und wurde daher auch von den Verantwortlichen – wie Globocnik – als Bestandteil der Aktion Reinhardt gesehen“ (Berger, a.a.O., S. 177). Nach endlosem Kompetenzgerangel wurden die zentralen Einrichtungen zur Sortierung und Lagerung des Raubgutes im Mai 1942 in Lublin geschaffen: Kleidung und Schuhe kamen in - den SS-Betrieb - „Bekleidungswerke Alter Flughafen“, Wertgegenstände – Geld, Gold, Schmuck etc. – zur SS-Standortverwaltung (s. unten). Leiter wurde Ende 1942 Christian Wirth. Auch Deportationszüge mit Ziel Majdanek machten an der Bahnrampe Halt, die Gefangenen wurden aus den Zügen geholt und in Richtung des Lagers getrieben; das Gepäck der Deportierten wurde geraubt, sortiert und ins Deutsche Reich zurückgeschickt. Der Weg ins Lager heißt heute Droga Męczenników Majdanka (Straße der Märtyrer von Majdanek).

Die geraubten Sachen/Gegenstände wurden per Bahn aus den Vernichtungslagern Belzec, Sobibor und Treblinka angeliefert. Sie wurden - nach der ‚Verwertung‘ - anschließend ins Deutsche Reich geschickt. Bis November 1943 sollten 1901 Züge mit Kleidung und Wertgenständen der Mordopfer ins Deutsch Reich geschickt worden sein; dazu und zu den Nutznießern dieses Raubzuges vgl. Berger, a.a.O., S. 183, 185. Anfang November 1943 wurden alle etwa 3000 Gefangenen bei der „Aktion Erntefest“ in das KZ Majdanek gebracht und dort erschossen.

Lager Alter Flugplatz, Dt. Bekleidungswerke‘; rechts Wirth’s Haus

Alter Flugplatz; Quelle: Museum Majdanek

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Das Gelände wurde im Krieg zerstört und ist nach dem Abriss der Ruinen in den letzten Jahren zu einem Gewerbe- und Wohngebiet umgestaltet worden. 2017 hat die Stadt Lublin eine Gedenktafel am Haus 2 ul. Wrońska anbringen lassen, der Text lautet übersetzt:
Während der deutschen Besatzung bestand hier, auf dem Gelände der ehemaligen Flugzeugfabrik, ein Zwangsarbeitslager für Juden - und anfangs auch für kleine Gruppen von Polen. 1942-1943 war es Teil der Aktion Reinhardt, also der Pläne des Dritten Reichs, die Juden zu vernichten. Es war der zentrale Standort für die Sortierung der geraubten Habe der Opfer, die in den Nazi-Todeslagern Belzec, Sobibor und Treblinka ermordet worden waren. Am 3. November 1943 wurden die jüdischen Häftlinge des Arbeitslagers Flugplatz im Konzentrationslager Majdanek erschossen.“

ehem. SS-Standortverwaltung Universitätsbibliothek Lublin; Foto: Krzysiek dbk, pl.wikipedia

„Materiallager“ der SS-Standortverwaltung

In einem großen Gebäude an der damaligen Chopinstr. 27 wurden die den Deportierten der ‚Aktion Reinhardt‘ vor ihrer Ermordung abgenommenen Wertgegenstände – Geld, Devisen, Gold (auch Zahngold), Schmuck usw. – „erfasst“, sortiert und zwischengelagert; heute findet sich dieser Adresse die Bibliothek der kath. Universität (27 ul. F. Chopina). Nach Umorganisationen wurde die SS-Standortverwaltung beauftragt (ul. Chmielska 1). Dort befindet sich heute u.a. eine Augenklinik. Nichts deutet auf die finsteren Machenschaften der vierziger Jahre hin.

Literatur/Medien
Berger, Sara: Experten der Vernichtung. Das T4-Reinhardt-Netzwerk in den Lagern Belzec, Sobibor und Treblinka, Hamburg 2011, bes. S.177ff., 257ff.
Gutman, Israel (Hg.): Enzyklopädie des Holocaust. Die Verfolgung und Ermordung der europäischen Juden, Berlin 1993, Bd. II, S. 908
http://teatrnn.pl/lexicon/articles/work-camp-for-jews-at-7-lipowa-street-in-lublin/
https://sztetl.org.pl/en/towns/l/264-lublin/116-sites-of-martyrdom/47898-nazi-labor-camp-7-lipowa-street
http://www.deathcamps.org/lublin/lipowa_d.html (dt.)
http://teatrnn.pl/lexicon/articles/the-flugplatz-labour-camp/
https://teatrnn.pl/pamiec/oboz-pracy-na-flugplatzu/
http://www.deathcamps.org/lublin/airfield_d.html
http://www.holocaustresearchproject.org/ar/labour%20camps/lublinairfield.html
http://www.deathcamps.org/lublin/lublinintro_d.html