Saint-Donat-sur-l'Herbasse

Region Rhône-Alpes, Departement Drôme

Der Ort
Gemeinde von 3910 Einwohner/innen, etwa 13 km nördlich von Romans-sur-Isère (D 53). Mit dem Auto von Valence 27 km (N 7→Pont de l'Isère, D 153 →Châteauneuf-sur-l'Isère, D 67 →Saint-Donat).

Die Ereignisse
Das Dorf nahm Flüchtlinge aus dem besetzten Nord- und Ostfrankreich und Verfolgte (Oppositionelle, Juden) auf, u.a. Elsa Triolet und Louis Aragon. Jüdische Menschen wurden während der Juden-Razzien des Vichy-Regimes im Juli/August 1942 versteckt. Eine Anlaufstelle wurde das Haus der Familie Dr. Lémonon-Chancel. Der Arzt mit Verbindungen zu FTP und AS, stellte falsche Ausweise aus, behandelte verwundete Maquisards, kümmerte sich um abgeschossene britische Piloten in Mission für die SOE. Sein Schwiegersohn Jean Chancel beschäftigte viele „Helfer“ in seiner Apotheke.

Offenbar aufgrund von Informationen der Milice überflogen und beschossen am 15. Juni 1944 deutsche Flugzeuge das Dorf. Kurz darauf kamen über tausend deutsche Soldaten, sie hatten schon in Nachbardörfern mehrere Menschen erschossen. Sie umstellten das Dorf, trieben Männer, Frauen und Kinder auf den Platz. 83 Geiseln wurden an der Mauer des Postgebäudes aufgereiht, brutal verhört und geschlagen. Sechs von ihnen wurden nach Romans-sur-Isère mitgenommen, drei am 8. Juli mit 30 anderen Geiseln in Portes-lès-Valence erschossen. Den Tag über plünderten die Soldaten die Häuser. Schließlich fielen sie über die Frauen und Mädchen her, über 50 wurden vergewaltigt. Darunter war die 13-jährige Jeanne Chancel, die an ihren Verletzungen starb. Aragon schrieb nach ihrem Tod das Gedicht „D'une petite fille massacrée“, dt: „Auf ein kleines Mädchen, das ermordet wurde." *) Elsa Triolet und Aragon waren oft zu Gast bei der Familie gewesen.
Im Dorf setzte sich das Befreiungskomitee am 28. Juli 1944 an die Stelle des vom Vichy-Präfekten eingesetzten Gemeinderats.

Gedenken
Die Apotheke im Haus Lémonon-Chancel ist seit den 1950er geschlossen (Rue Pasteur 27-29). Wenige Meter weiter erinnert eine Tafel daran, dass Elsa Triolet und Louis Aragon hier von Juli 1943 bis September 1944 unter dem Namen Andrieux Unterschlupf gefunden hatten: „Von hier führte Aragon die intellektuelle Resistance in der Südzone. Viele Werke und Gedichte wurden hier geschrieben …., die die Union zwischen dem, der an den Himmel glaubt, und dem, der nicht glaubt, beschwören. … Elsa Triolet vollendete hier 'Le premier accroc coûte deux cents francs'…“ (Résistance-Roman; dt.: Das Ende hat seinen Preis, 1983; Impasse Louis Aragon & Elsa Triolet, Ecke Rue Pasteur 52). Ein Platz an der Hauptstraße ist nach Jean Chancel genannt, Schwiegersohn von Dr. Lémonon, Résistant, Vorsitzender Befreiungskomitees und langjähriger Bürgermeister.

Das Denkmal 1939-1945 nennt die Namen der umgekommenen Soldaten sowie von zwölf getöteten Résistants und der zehn Opfern der Wehrmachts-Repressalaktion (vor dem Rathaus/Mairie, von der Avenue Georges Bert aus gesehen). Eine Tafel am Ort der Geiselnahme erinnert an die Vorgänge und Morde vom 15. Juni 1944 „Repressalien vom 15. Juni 1944. Im Gedenken an unsere Märtyrer-Stadt Saint-Donat und die 80 Geiseln, die aufgereiht an der Mauer Beschimpfungen und Folter der Deutschen ertragen mussten“; es folgen die Namen von fünf Erschossenen und einem im Kampf getöteten (2 Avenue Georges Bert).

Literatur/Medien
Schindele, Matthäus: Saint-Donat. Ein Zentrum des Widerstandes 1940-1944, Memmingen 1996
Aragon, Louis: "D'une petite fille massacrée", Paris 1945; deutsch: "Auf ein kleines Mädchen, das ermordet wurde"*), in: Frankreich meines Herzens. Die Résistance in Gedicht und Essay, hg. von Irene Selle, Leipzig 1987, S. 136-137
http://www.resistance-familles.com/wp-content/uploads/la-drome-en-armes.pdf Lémonon-Chancel)
http://museedelaresistanceenligne.org/media575-Monument-1939-1945-de-Saint-Donat-sur-la
http://museedelaresistanceenligne.org/media390-Maison-LA (SOE, Apotheke Lémonon-Chancel)
http://museedelaresistanceenligne.org/media821-ComitA (CdLibération)
https://fr.wikipedia.org/wiki/Saint-Donat-sur-l%27Herbasse

*) Auf eines kleines Mädchen, das ermordet wurde

Kommt wieder, ja, ihr könnts, doch es wird unnütz sein!

An Grausamkeit selbst Teufeln, Bestien überlegen,

Haut, Deutsche, an die Tür, ihr könnts, mit Kolbenschlägen

stoßt sie ein!

Eins könnt ihr nicht: dies Kind erwecken. Tot ist sie.

Die großen Augen noch nicht aufgetan ganz weit.

Nichts bringt sie, die entrückt in Traumesherrlichkeit,

zurück, nichts, nie!

In ihren wirren Haaren schläft sie. Wird sie etwa gleich

Atmen? Es scheint wahrhaftig fast, ihr Atem geht.

In ihre Händchen legt in stiller Majestät

Die Nacht ihr Reich.

Nicht länger unterm Druck des Sicherinnerns stehn

Muß sie. Der Rose Tod schlicht ein Erbleichen ist.

Ganz sachte, sachte, sachte gehts, und sie vergißt

Leben und sehn.

(Louis Aragon, deutsch von Rudolf Schottlaender)