Region Emilia-Romagna / Provinz Forlì-Cesena
Die Stadt
Forli ist mit 117.946 Einwohner/innen (Stand 2016) der Hauptort der emilianischen Provinz Forlì-Cesena.
Nur 20 km von Predappio, dem Geburtsort Benito Mussolinis, entfernt, wurde Forli von der faschistischen Propaganda als „la città del Duce" bezeichnet. Hier wurde eine Vielzahl von Prachtbauten des italienischen Rationalismus errichtet, die Pracht und Herrlichkeit des Faschismus repräsentieren sollten. Die Stadt, die wegen der Verdienste der Bevölkerung während des Kampfes gegen die deutsche Besatzung mit der Medaglia d'argento al Valor Militare ausgezeichnet wurde, bewirbt dies architektonische Erbe des Faschismus heute offensiv im Rahmen des Stadtmarketings.
Forli ist von Bologna über die Autobahn A14, die Autostrada Adriatica, erreichbar (75 km).
Die Ereignisse
Nach dem Kriegsaustritt Italiens und der darauf folgenden Besetzung durch deutsche Truppen formierte sich der Widerstand, vor allem getragen von der aus dem Untergrund agierenden kommunistischen Partei, GAP/SAP (Gruppi di Azione Patriottica, Squadre d’Azione Partigiana) und Garibaldini, schnell. Gravierenden Repressalmaßnahmen der Besatzer setzte die Arbeitnehmerschaft von Forli Generalstreiks entgegen: Am 17. Februar 1944 beteiligten sich beispielsweise 1.775 von 3.093 Arbeitnehmern am ersten Generalstreik in Forli, nachdem als „Vergeltung" für die Tötung eines hochrangigen lokalen Repräsentanten der Partito Nazionale Fascista (PNF) 10 politische Gefangene exekutiert werden sollten (Klinkhammer, S. 285).
Nachdem ganz Ober- und Mittelitalien mit Wirkung vom 1. April 1944 von Himmler zu „Bandenkampfgebieten" erklärt und der mit der Partisanenbekämpfung betraute SS- und Polizeiführer (SSPF) Oberitalien-Mitte einen Gefechtsstand in Castrocaro, 10 km südwestlich von Forli, eingerichtet hatte (Klinghammer, S. 485), kam es verstärkt zu Durchkämmungsaktionen.
Am 29. Juni 1944 wurden 10 Partisanen der 28. Brigata Garibaldi, die einige Tage zuvor bei einer Durchkämmungsaktion bei Piangipane (Ravenna) verhaftet worden waren, als „Sühne" für einen Anschlag auf die Eisenbahnlinie, bei dem ein deutscher Soldat starb, am Rand des Flugplatzes von Forli von der SS erschossen.
Am 18. August 1944 wurden die Leichen von Silvio Corbari, Iris Versari, Adriano Casadei und Arturo Spazzoli, alle Mitglieder der im Raum Forli aktiven Partisanen-Brigade „Corbari", die zuvor verraten und im Umland von Forli von faschistischen Milizen getötet wurden, auf der Piazza Saffi zur Abschreckung an zwei Laternenpfählen vor dem Palazzo Albertini öffentlich zur Schau gestellt und durften tagelang nicht abgenommen werden.
Judenverfolgung
Nachdem am 14. November 1943 mit der „Charta von Verona" alle jüdischen Bürger Italiens zu feindlichen Ausländern erklärt worden waren (siehe: Judenverfolgung in Italien), fiel kurz darauf die Entscheidung, sie in Konzentrationslagern festzusetzen. Bis zu deren Errichtung sollten in allen Provinzen im Bereich des faschistischen Salò-Regimes provisorische Internierungslager ausgewiesen werden. In Forli wurden dazu Hotels requiriert (Voigt, S. 349). Eines dieser Hotels war das Albergo „Commercio" am Corso Armando Diaz. Von dort aus wurden die Internierten in das Lager Fossoli und weiter in deutsche Vernichtungslager deportiert.
Massenexekutionen im September 1944
Kurz bevor sich die Deutschen Ende September 1944 in Richtung Bologna absetzten (Forli wurde am 8. November befreit), ermordeten Mitglieder der SS noch viele ihrer Gefangenen. Die inhaftierten politischen Gefangenen und Jüdinnen und Juden wurden an drei Tagen - am 5., 17. und 25. September - an den Rand des Flugplatzes gefahren, dort exekutiert und anschließend in Bombentrichtern verscharrt.
Obwohl die Verantwortlichen für diese Massenexekutionen direkt nach der Befreiung den britschen Ermittlern namentlich bekannt gegeben wurden, verschwanden die Akten später wie circa 700 andere zur „vorläufigen Archivierung" im „Schrank der Schande". Die „Wiederentdeckung“ der Ermittlungsakten führte im Jahr 1996 zur Wiederaufnahme der Ermittlungen beim Militärtribunal von La Spezia, die - nachdem mittlerweile alle mutmaßlichen Täter verstorben waren - im Jahr 2003 eingestellt wurden.
Die lange vergessenen Exekutionen von 19 Jüdinnen und Juden in Forli (Sarfatti, S. 311; 18 nach „Atlante delle Stragi Naziste e Fasciste in Italia") zählen heute neben jenen vom Lago Maggiore (u.a. in Meina) und in den Ardeatinischen Höhlen in Rom zu den schwersten Verbrechen der Deutschen an Juden auf italienischem Boden.
Gedenken
Parco della Resistenza
Im Parco della Resistenza steht eine Bronzeskulptur in Erinnerung an die in deutschen Konzentrations- und Vernichtungslagern umgebrachten Menschen.
Piazza Saffi
Sacrario dei Caduti per la Libertà 1943-1945
Zum 20. Jahrestag der Befreiung Italiens von der deutschen Besatzung wurde im Jahr 1965 im Kreuzgang der Chiesa di San Mercuriale das Sacrario dei Caduti per la Libertà errichtet. Hier wird der 465 Opfer des Befreiungskrieges der Provinz Forli gedacht.
Gedenken an Silvio Corbari, Iris Versari, Adriano Casadei, Arturo Spazzoli
An einem der gusseisernen Laternenpfähle auf der Piazza Saffi, an dem die Leichen von Silvio Corbari, Iris Versari, Adriano Casadei und Arturo Spazzoli nach dem 18. August 1944 tagelang hingen, befindet sich eine Gedenktafel für die vier umgebrachten Mitglieder der Partisanen-Brigade „Corbari".
Neben dem Eingang zum Rathaus von Ravenna ist eine weitere Gedenktafel für die Vier angebracht.
Gestapo-Hauptquartier
In der Viale Salinatore 24 hatten Gestapo und SS-Sicherheitsdienst (SD) in Forli ihr Hauptquartier. Eine Gedenktafel erinnert an die von dort ausgehende erbarmungslose Jagd auf Juden, politische Gegner und Partisanen.
Ex-Internierungslager Corso Armando Diaz
Am Corso Armando Diaz 79 erinnert eine Gedenkstele daran, dass im ehemaligen Albergo „Commercio" ein Internierungslager für Jüdinnen und Juden untergebracht war, die von dort aus in den Tod geschickt wurden.
Ronco di Forli - Flughafen Forli
In der Via Carlo Seganti wurde im Jahr 1955 am Ort des Geschehens eine Gedenktafel für die Opfer der Massenexekution vom 5. September 1944 aufgestellt. Sämtlicher Opfer der drei Exekutionen vom 5., 17. und 25. September 1944 wird mit einer im Jahr 2007 errichteten Gedenkstätte auf dem Friedhof von Forli gedacht.
Auf der gegenüberliegenden Straßenseite erinnert eine weitere Gedenkstätte an die Opfer der „Vergeltungsaktion", bei der am 29. Juni 1944 10 Partisanen der 28. Brigata Garibaldi ermordet wurden.
Ganz in der Nähe, Ecke Via Fontanella/Via Cerchia, steht eine weitere Gedenkstätte, an der - neben Opfern von Bombardierungen u.ä. - auch sechs getöteter Partisanen gedacht wird.
Einrichtungen:
Das Resistenza-Institut der Provinz Forli-Cesena, das Istituto storico della Resistenza e dell’Età contemporanea di Forlì-Cesena, befindet sich in 47121 Forlì in der Casa Saffi, Via Albicini 25; E-Mail: [email protected], www.istorecofc.it.
Außer Bibliothek und Archiv sind in 2 Sälen Werke des Künstlers Francesco Olivucci (1899-1985) zum Widerstand ausgestellt.
Literatur / Medien:
Klinkhammer, Lutz: Zwischen Bündnis und Besatzung: Das nationalsozialistische Deutschland und die Republik von Salò 1943–1945, Tübingen 1993; Sarfatti, Michele: Die Juden im faschistischen Italien. Geschichte, Identität, Verfolgung, Berlin 2014; Voigt, Klaus: Zuflucht auf Widerruf – Juden und andere Verfolgte des Hitlerregimes in Italien 1933–45, Band 2, Stuttgart 1993; www.straginazifasciste.it („Atlante delle Stragi Naziste e Fasciste in Italia"); resistenzamappe.it/forli; it.wikipedia.org/wiki/Silvio_Corbari