Region Epirus / Regionalbezirk Ioannina

Gedenkstätte LingiadesDer Ort
Lingiades (auch: Ligiades, Lyngiades, Lyngiádes und Ligkiades) ist ein zur Gemeinde Ioannina gehörendes Dorf auf ca. 940 Metern Höhe oberhalb des Pamvotida-Sees (auch: Ioannina-See). Der Ort hat knapp hundert Einwohner/innen. Lingiades gehört seit dem Jahr 1998 zu den Märtyrerorten Griechenlands (gem. Präsidialdekret 399/1998).

Die Ereignisse
Das Attentat auf Josef Salminger
Am 1. Oktober 1943 geriet der Wagen von Oberstleutnant Josef Salminger, Kommandeur des Gebirgs-Jäger-Regiments 98 - das im Rahmen der sogenannten „Bandenbekämpfung" für diverse Massaker an Männern, Frauen und Kindern in der Epirus-Region verantwortlich war - auf der Fahrt von Ioannina nach Arta in einen Hinterhalt der EDES-Partisanen von Napoleon Zervas. Salminger wurde dabei getötet.
Die Nachricht über seinen Tod veranlasste General Hubert Lanz, Kommandeur der 1. Gebirgs-Division der Wehrmacht, zu der Anordnung, diese Tat durch „schonungslose Vergeltungsaktionen in 20 km Umkreis der Mordstelle [zu] rächen“ (siehe Tagesbefehl). Zwei Tage später wurde dieser Rachebefehl u.a. mit dem Massaker von Lingiades in die Tat umgesetzt.

Das Massaker von Lingiades als „Vergeltungsaktion"
Am Sonntag, den 3. Oktober 1943, rückten Angehörige des zum Gebirgsjägerregiment 98 gehörenden 79. Feldersatzbataillons in Lingiades ein. Die Häuser wurden in Brand gesetzt und alle Menschen, die nicht rechtzeitig hatten fliehen konnten, zusammengetrieben und umgebracht.
Von den damals 237 Einwohner/innen Lingiades befanden sich die meisten Erwachsenen in einem Nachbarort zur Walnussernte. Wegen des beschwerlichen Weges hatten sie ihre Kinder zu Hause gelassen, was erklärt, dass sich unter den 82 Opfern des Massakers verhältnismäßig viele Kinder (32 im Alter zwischen 6 Monaten und 11 Jahren) befanden.

Gedenken
Auf dem zentralen Dorfplatz neben der Kirche von Lingiades befindet sich die Gedenkstätte für die Opfer des Massakers (Ersatz für die zunächst dort errichtete Gedenkstele).

Tagesbefehl von General LanzNach 1945
Ermittlungen
Keiner der Verantwortlichen für das Massaker von Lingiades wurde je dafür zur Verantwortung gezogen.
Die direkt nach dem Krieg gesammelten Zeugenaussagen führten zwar dazu, dass das Office National Hellénique des Criminels de Guerre (ONHCG), die Nationale Hellenische Behörde für Kriegsverbrechen, im Jahr 1956 die Bonner Staatsanwaltschaft ersuchte, gegen die mutmaßlichen Täter vorzugehen: Auf der Liste standen u.a. die Namen des Kommandeurs des 79. Feldersatzbataillons, Major Hans Mayr, und seiner direkten Vorgesetzten General Stettner und General Lanz (Meyer, S. 490).
Ein erstes Ermittlungsverfahren wurde von der Staatsanwaltschaft München im Januar 1960 eingestellt. Auch ein weiteres, wiederum von der Münchner Staatsanwaltschaft geführtes Ermittlungsverfahren zu den Verbrechen in Lingiades wurde eingestellt. „In ihrer Einstellungsverfügung vom 26. März 1968 betonte die Münchner Staatsanwaltschaft, die Taten in Griechenland seien bereits in Nürnberg abgeurteilt worden" (Schminck-Gustavus 2013, S. 270). Dass die Verurteilung von Hubert Lanz im Nürnberger Geiselmordprozess (Fall 7, Prozess Generäle in Südosteuropa) auf anderen in Griechenland begangenen Kriegsverbrechen - nicht aber dem Massaker von Lingiades - beruhte, blieb dabei unerwähnt.

Bundespräsident Gauck in Lingiades
Bundespräsident Gauck besuchte Lingiades am 7. März 2014. Er bat im Namen Deutschlands um Verzeihung, bezeichnete das Massaker als „brutales Unrecht", sprach von der „Verpflichtung", dass die deutschen Gräueltaten nicht in Vergessenheit geraten dürfen, wies Entschädigungsforderungen für Verbrechen an der Zivilbevölkerung aber zurück.

Literatur / Medien:
Meyer, Hermann Frank: Blutiges Edelweiß – Die 1. Gebirgsdivision im Zweiten Weltkrieg, 3. Auflage, Berlin 2010, S. 476-494; Schminck-Gustavus, Christoph U.: Feuerrauch - Die Vernichtung des griechischen Dorfes Lyngiádes am 3. Oktober 1943, Bonn 2013; Schminck-Gustavus, Christoph U.: Winter in Griechenland - Krieg - Besatzung - Shoah 1940 – 1944, Göttingen 2011; www.sueddeutsche.de/politik/verbrechen-der-wehrmacht-in-griechenland-wie-deutsche-gebirgsjaeger-lyngiades-ausloeschten-1.1902678; de.wikipedia.org/wiki/Lingiades