Alle politischen und rechtlichen Bemühungen von griechischer Seite, Entschädigung für die von der deutschen Wehrmacht, der SS und der Besatzungsverwaltung begangenen Verbrechen an der griechischen Zivilbevölkerung durchzusetzen, sind bis heute (2015) gescheitert. Nachdem die Bundesregierung anfangs der 1990er Jahre auf Anfrage von Argyris Sfountouris, eines überlebenden Jungen des Massakers von Distomo (10. Juni 1944), dem 218 Männer Frauen und Kinder zum Opfer gefallen waren, jede Entschädigung ablehnte, kam es zu zwei, durch alle nationalen und internationalen Instanzen laufenden Gerichtsverfahren.

Sfountouris und seine ebenfalls überlebenden Schwestern reichten 1995 vor dem Landgericht Bonn Klage gegen die Bundesregierung auf Zahlung von Schmerzensgeld ein. Die Klage wurde im Jahre 2003 vom Bundesgerichtshof als Revisionsinstanz mit der Begründung abgewiesen, der deutsche Staat hafte nicht für Kriegsverbrechen deutscher Soldaten im Zweiten Weltkrieg. Das Bundesverfassungsgericht sah in diesem Urteil (2006) keine Grundrechtsverletzung und wertete das Massaker von Distomo auch nicht als nationalsozialistisch motiviertes Unrecht, sondern als Vergeltungsmaßnahme für einen Partisanenangriff, der nach dem anzulegenden Maßstab von 1944 (!) rechtlich nicht zu beanstanden sei. Mit diesen Entscheidungen lehnte die deutsche Justiz endgültig die Auffassung ab, die systematische Ermordung von Angehörigen der Zivilbevölkerung sei als NS-Unrecht zu werten und schnitt, ausgehend vom exemplarischen Fall Distomo, auch für andere zivile Opfer von Kriegsverbrechen zukünftig den Weg zu den deutschen Gerichten ab. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte konnte bei einer 2011 erfolgten Überprüfung dieser deutschen Gerichtsurteile keinen Verstoß gegen die europäische Menschenrechtskonvention erkennen.

Ebenfalls 1995 hatten nahezu dreihundert Überlebende und Angehörige der Opfer von Distomo beim Landgericht Livadia Klage auf Entschädigung gegen die Bundesrepublik Deutschland erhoben. Diese Klagen waren erfolgreich, die Urteile des Landgerichts Livadia (1997) wurden vom Areopag, dem höchsten griechischen Gericht, im Jahr 2000 bestätigt; die Bundesrepublik war damit rechtskräftig zur Zahlung von Schmerzensgeld in Höhe von (in heutiger Währung) 28 Millionen Euro verurteilt worden. Den Einwand der deutschen Regierung, dies verstoße gegen den völkerrechtlichen Grundsatz der Staatenimmunität, wiesen die griechischen Gerichte mit der Begründung zurück, dieser Grundsatz, der individuelle Klagen gegen Regierungen ausschließt, gelte bei schweren Verstößen gegen das Kriegsvölkerrecht (wie in Distomo) nicht. Die von den Klägern eingeleitete Vollstreckung der Urteile wurde jedoch mit Hilfe einer von der deutschen Regierung beim griechischen Justizminister durchgesetzten Intervention gestoppt, was nach griechischem Recht zulässig war. Nach ähnlich erfolgreichen Entschädigungsklagen (vgl. Italien: Entschädigung) ehemaliger Zwangsarbeiter (vgl. Italien: Zwangsarbeiter) der italienischen Justiz, an die sich auch die Distomo-Kläger mit ihrem rechtskräftigen griechischen Urteil gewandt hatten, rief die Bundesregierung den Internationalen Gerichtshof in Den Haag an, der im Februar 2012 im Sinne der Bundesregierung urteilte, der Grundsatz der Staatenimmunität verbiete weiterhin individuelle Klagen von Opfern der NS-Verbrechen gegen den Staat Bundesrepublik Deutschland. Damit hatte sich die Bundesregierung gegen alle Argumente durchgesetzt, die in Fällen von Verbrechen gegen die Menschheit den Einwand der Staatenimmunität seit den Nürnberger Kriegsverbrecherprozessen nach 1945 nicht mehr akzeptieren.

Ob mit der IGH-Entscheidung vom Februar 2012 das letzte Wort über die Entschädigungsansprüche gesprochen ist, bleibt jedoch (Stand Ende 2015) erneut offen. Am 22. Oktober 2014 nämlich hat das Italienische Verfassungsgericht im Widerspruch zu dem IGH-Urteil entschieden, dass individuelle Verfahren gegen die Bundesrepublik Deutschland zulässig seien, weil die italienische Verfassung unantastbare Persönlichkeitsrechte und das Recht auf Zugang zu Gerichten garantiere. Gehe es um solche „unantastbare Menschenrechte verletzende Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ (Italienisches Verfassungsgericht), gelte der Grundsatz der Staatenimmunität nicht als Verfahrenshindernis. Eine dem IGH-Urteil entsprechende, 2013 in Kraft gesetzte italienische Gesetzesbestimmung erklärte das Gericht für verfassungswidrig. Damit ist ein Erfolg der Entschädigungsklagen italienischer und griechischer Opfer von NS-Verbrechen nach dem Stand Ende 2015 erneut möglich geworden.

Zur strafrechtlichen Ahndung deutscher Kriegs- und Besatzungsverbrechen siehe Deutsche Kriegsverbrechen in Griechenland.

Literatur / Medien:
Nessou, Anestis: Griechenland 1941–1944. Deutsche Besatzungspolitik und Verbrechen gegen die Zivilbevölkerung – eine Beurteilung nach dem Völkerrecht, Göttingen 2009, insbes. S. 97 ff. (dort auch Wiedergabe der Rechtsauffassung der Bundesregierung); Rondholz, Eberhard: Griechenland. Ein Länderporträt. Berlin 2011, S. 33 f.; Urteil des Italienischen Verfassungsgerichtshofs vom 22. Oktober 2014 (Auszüge) in: Kritische Justiz 2015 (Heft 2, S. 202 ff); Andreas Fischer-Lescano: Schadensersatz bei Menschenrechtsverletzungen; a.a.O., S. 201 ff. mit weiteren Literaturhinweisen; Klingner, Martin / Krüger, Jan: Der Fall Distomo, in: Kleiser, Paul B. (Hg) Griechenland im Würgegriff. Ein Land der EU-Peripherie wird zugerichtet, 3. aktuelle überarbeitete Auflage, Karlsruhe 2015, S. 139 ff. – Übersicht u.a. bei
www.tagesschau.de/ausland/griechenland-forderungen-faq-101.html; www.nadir.org/nadir/initiativ/ak-distomo