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Assisi

Region Umbrien / Provinz Perugia

Die Stadt
Assisi ist eine Kleinstadt im mittelitalienischen Umbrien in der Nähe der Regionalhauptstadt Perugia. Sie ist Geburtsort des Hl. Franz von Assisi (auch Hl. Franziskus) und der Hl. Klara, der Gründerin des Klarissenordens. Mit den Basiliken San Francesco und Santa Chiara, den Grabstätten des Hl. Franziskus und der Hl. Klara, ist Assisi ein bedeutender Pilgerort des Christentums. Das mittelalterliche Stadtbild mit Stadtmauer, Festungsruine und franziskanischen Pilgerstätten gehört seit dem Jahr 2000 zum Weltkulturerbe der UNESCO.

Die Ereignisse
Nach Assisi, das wegen seiner kunsthistorisch-architektonischen und religiösen Bedeutung als sicher vor Bombenangriffen galt, hatten sich bereits vor dem Kriegsaustritt der Italiener am 8. September 1943 mehrere tausend Menschen geflüchtet. Mit der Besetzung Italiens durch die Deutschen kamen viele jüdische Flüchtlinge hinzu, die in kirchlichen Einrichtungen und Klöstern in Assisi Schutz vor der drohenden Deportation in deutsche Vernichtungslager suchten (Judenverfolgung in Italien). Auf Veranlassung des Bischofs von Assisi, Monsignor Giuseppe Placido Nicolini, wurde ein geheimes Netzwerk errichtet, dass während der 9-monatigen deutschen Besatzung Assisis bis zum 17. Juni 1944 (Befreiung der Stadt durch die Alliierten) circa 300 Jüdinnen und Juden das Leben rettete.
Gedenktafel an der Piazza del ComunePater Rufino Niccacci, der Vorstand des Franziskaner-Seminars, und Pater Aldo Brunacci, der Sekretär des Bischofs, sorgten für die temporäre oder dauerhafte Unterbringung der verfolgten Juden in Kirchen und Klöstern in Assisi und den umliegenden Dörfern, ihre Versorgung und auch für den Schulunterricht der versteckten Kinder. Der kommunistische Drucker Luigi Brizi und sein Sohn Trento fertigten in ihrer Druckerei in der Via Santa Chiara falsche Papiere für die Verfolgten: Sie stellten sie anhand von Telefonverzeichnissen auf Namen von Personen aus, die im bereits von den Alliierten befreiten Süden Italiens lebten, wodurch die Papiere für die Deutschen nicht nachprüfbar waren. Auch der legendäre Radrennfahrer Gino Bartali war in das geheime Netzwerk eingebunden: Auf „Trainingsfahrten“ transportierte er Dokumente und stellte die Verbindung zur Gedenktafel für Luigi und Trento Brizi, früher in der  Via Santa Chiarajüdischen Hilfsorganisation DELASEM her.
Zugute kam dem Netzwerk, dass mit Dr. Valentin Müller ein Mann als Leiter der beiden in Assisi eingerichteten Lazarette, später auch als deutscher Stadtkommandant, eingesetzt war, der als strenggläubiger Katholik beste Verbindungen zu Bischof Nicolini unterhielt. Die Bemühungen, Assisi zur „offenen Stadt“ erklären zu lassen, scheiterten zwar, den Einflussbereich von SS und Wehrmacht konnte er jedoch erfolgreich zurückdrängen, damit auch indirekt das Assisi-Netzwerk unterstützen. Als nicht zu verteidigende „Lazarettstadt“ wurde der Ort Anfang Juni 1944 anerkannt.

Pater Rufino Niccacci wurde 1976, Monsignor Giuseppe Placido Nicolini und Pater Aldo Brunacci 1977, die beiden Drucker Luigi und Trento Brizi im Jahr 1997, Giuseppina Biviglia, die Äbtissin des Klosters San Quirico in Assisi, und Gino Bartali im Jahr 2013 durch die israelische Gedenkstätte Yad Vashem als „Gerechte unter den Völkern“ geehrt.

Gedenken
Museo della Memoria, Assisi 1943-1944
In der Pinacoteca comunale im Palazzo Vallemani ist seit 2011 das „Museo della Memoria, Assisi 1943-1944“ untergebracht, das sich ausschließlich dieser Rettungsgeschichte von Jüdinnen und Juden in Assisi und ihren Protagonisten Nicolini, Niccacci, Brunacci, Biviglia, Bartali, Müller und den Brizis widmet. Im Eingangsbereich steht die Druckmaschine, auf der Luigi und sein Sohn Trento Brizi die falschen Identifikationspapiere herstellten. Im 1. Stock werden in mehreren kleinen Sälen mithilfe zweisprachiger (it/en) Schautafeln die Hintergründe erläutert. Hier findet sich auch ein Foto der (mittlerweile abgehängten) Gedenktafel für die Brizis an ihrer früheren Druckerei in der Via Santa Chiara.
Anschrift: Museo della Memoria, Assisi 1943-1944, Assisi, Via San Francesco 10, www.assisionline.it/pinacoteca_comunale_assisi.html, täglich geöffnet. 

Piazza del Comune
An der zentralen Piazza del Comune ist auf einer Gedenktafel der Text der „Medaglia d'oro al Merito Civile“ aufgeführt, die Staatspräsident Carlo Azeglio Ciampi im Jahr 2004 der Stadt Assisi für die Rettung von Flüchtlingen während des Faschismus verlieh.

Film „Der Assisi Untergrund“
Alexander Ramati (1920-2006), der im Juni 1944 als Kriegsreporter mit dem 2. polnischen Korps unter General Władysław Anders mit den alliierten Truppen nach Assisi kam, schrieb über die Rettungsgeschichte 1978 einen teilweise fiktiven Roman, der 1985 unter dem Titel „Der Assisi Untergrund“ (The Assisi Underground) mit Maximilian Schell verfilmt wurde.

Literatur / Medien: 
Rossi, Tommaso: Tracce di Memoria – Guida ai luoghi della Resistenza e degli eccidi nazifascisti in Umbria, Foligno 2013, S. 408-411; Hauser, Martin: Shalom al Israel – Aus den Tagebüchern eines deutschen Juden 1929-1967, Bonn 1980, S. 168f.; Cwiakowska, Anna: Padre Ruffinos Rettungsaktion in Assisi, In: Verstecken vor dem Tod – Retter und Rettung jüdischen Lebens vor dem Tod, Konstanz 2003, S. 39-43; Voigt, Klaus: Zuflucht auf Widerruf – Juden und andere Verfolgte des Hitlerregimes in Italien 1933–45, Stuttgart 1993, Band 2, S. 427;
de.wikipedia.org/wiki/Valentin_Müllerwww.zenit.org/de/articles/mutter-giuseppina-biviglia-gerechte-unter-den-volkern;