Die Planung der FPO, am bewaffneten Kampf im Ghetto festzuhalten, wurde nach einem neuen Massakern in Paneriai an Juden aus den kleinen Ghettos der Region Anfang April 1943 und nach dem Bekanntwerden des gescheiterten Ghetto-Aufstands in Warschau zunehmend unrealistisch. Der Judenrat-Vorsitzende, Jakob Gens, mobilisierte die Stimmung im Ghetto gegen die FPO, indem er wiederholt vor dem Risiko des bewaffneten Widerstand warnte, der unweigerlich die Vernichtung des gesamten Ghettos durch die Deutschen zur Folge hätte. Die Krise der FPO spitzte sich zu, als sie Mitte Juli 1943 ihren Anführer Yitzak Witenberg durch Erpressung und Verrat verloren hatte. „Das Ziel der FPO, an der Spitze der Ghettobevölkerung zu kämpfen, erschien nach dem ‚Witenberg-Tag‘ als ein nicht einlösbarer Traum“ (Dieckmann 2011). Die FPO änderte deshalb ihre Planung und konzentrierte sich nun verstärkt auf den Partisanenkampf und die Vorbereitung von Partisanenbasen in den Wäldern, ohne jedoch die Idee des Ghettoaufstands aufzugeben. Josef Glazmans Gruppe war eine der ersten, die das Ghetto verließ und sich zu den sowjetischen Partisanen in die Narocz Wälder durchschlug. Andere Gruppen folgten ihm oder wurden etwas später in die Rudniki Wälder geschleust.
In den Wochen vor der Liquidierung des Ghettos setzten Massendeportationen in Arbeitslager nach Estland ein. Am Morgen des 01. September drangen deutsche, litauische und estnische Truppen in das Ghetto ein und veranstalteten Hetzjagden, um Menschen für die Deportation zusammenzutreiben. Die FPO-Führung verstand: das Ende des Ghettos stand bevor. Sie mobilisierte mit ihrer Kampfparole „Liza ruft!“ ihre Mitglieder. Ein erstes, unzureichend bewaffnetes Bataillon wurde verraten und in der Spitalnastraße von den Deutschen aufgerieben. Die „Zweite Kampfgruppe“ um Yechiel Sheinbaum lieferte sich in der Strashunstraße 12 ein Gefecht mit den Deutschen, in dem Sheinbaum getötet und das Gebäude in die Luft gesprengt wurde. Rozka Korczak übernahm das Kommando und konnte sich mit den überlebenden Kämpfern zurückziehen. Der FPO-Aufruf zum Widerstand blieb weitgehend wirkungslos. Viele hegten die Hoffnung auf ein Weiterleben in Arbeitslagern in Estland oder hofften, in ihren Verstecken zu überleben. Die FPO konnte nicht verhindern, dass allein in den folgenden Tagen 1.500 Männer und 2.200 Frauen aus dem Ghetto nach Estland verschleppt wurden, zusammengetrieben von jüdischen Polizisten und jüdischen Hilfstruppen. Etwa 11.000 Menschen verblieben noch im Wilnaer Ghetto.
Am 23./24. September wurde das Ghetto endgültig zerstört, tausende nach Estland und Lettland in die Lager deportiert, tausende nach Paneriai zur Vernichtung getrieben. Als letzter Gruppe gelang ca. 90 FPO-Kämpfern, unter ihnen Abba Kovner und Shmuel Kaplinski, die Flucht durch die Abwasserkanäle zu den Partisanen in die Rudniki Wälder. Vier von ihnen – der FPO-Kommando-Stab Abraham Chwojnik, Asia Big, Jacob Kaplan und Grischa Levin – wurden gefasst und auf dem Rossa-Platz vor den Augen der dort zur Deportation zusammengetrieben Ghetto-Bevölkerung gehängt. Der Widerstand im bisherigen Ghetto wurde nun zum Partisanenwiderstand.
Im Gebiet um Vilnius waren im Herbst 1943 innerhalb der sowjetisch geführten Partisanen eine Reihe jüdischer Kampfgruppen entstanden, unter ihnen die Brigaden Vilna, Trakai und Kovno. Die Zahl der zu den Partisanen Geflüchteten stieg stetig, bis Dezember 1943 gab es insgesamt 12 Partisanen-Einheiten, davon war die Hälfte bewaffnet. In der Vilnius-Brigade kämpften ca. 400 Mitglieder, die meisten von ihnen waren Teenager und junge Erwachsene. Die Brigade hatte vier Unterabteilungen: „Die Rächer“ unter dem Kommando von Abba Kovner, „Für den Sieg“ unter Shmuel Kaplinksi, „Tod dem Faschismus“ unter Yaakov Prenner und „Kampf“ unter Aron Aharonovich. Die jüdischen Einheiten hatten einen ungewöhnlich hohen Anteil von Frauen, die sich durch besonderen Mut auszeichneten wie Vita Kempner, Rozka Korczak, Chiena Borowska, Sonia Madeysker, Zelda Treger u.a. Die jüdischen Partisanen stellten von Herbst 1943 bis Juli 1944 neben den Russen die größte Gruppe im Rudniki Wald und waren im Juli 1944 im Kampf um die Befreiung von Vilnius beteiligt. (Jüdischer Widerstand)
Gedenken
Der Gedenkstein in der Mėsinių-Straße, gegenüber dem Jüdischen Kultur- und Informationzentrum, wurde zu Ehren der Ghetto Kämpfer im Jahr 1993 errichtet. Der öffentliche Platz zwischen den Straßen Mėsinių und Rūdninkų heißt offiziell Platz der Ghetto-Opfer / Geto Auku (GPS 54.67754139 25.28439306 / 54°40.6525'N 25°17.0636'E).
In der Žemaitijos-Straße 8A wird mit einer Gedenktafel an Yechiel Sheinbaum erinnert, der mit der „Zweiten Kampfgruppe“ im September 1943 einen bewaffneten Aufstandsversuch unternommen hatte und dabei gefallen war. An dem nach dem Krieg an der Stelle dieses Kampfes erbauten Gebäude erinnert seit 2000 eine Gedenkplakette an Sheinbaum (GPS 54.677785 25.282338 / 54°40.6671'N 25°169403'E).
Auf dem jüdischen Friedhof erinnern Gedenksteine an ermordete Widerstandskämperinnen und -kämpfer der FPO (Jüdische Friedhöfe).
Literatur / Medien
Arad, Yitzhak: Ghetto in Flames. The Struggle and Destruction of the Jews in Vilna in the Holocaust, New York 1982; Ainsztein, Reuben: Jüdischer Widerstand im deutschbesetzten Osteuropa während des Zweiten Weltkrieges, Oldenburg 1993, S. 236 ff.; Dieckmann 2011, Bd. 2, S. 1195–1220, 1464ff. (Zitat S. 1214); Gräfe, Karl Heinz: Vom Donnerkreuz zum Hakenkreuz, Berlin 2010, S. 193ff.; Guzenberg, Irina: Vilnius. Sites of Jewish Memory. A Concise Guide, Vilnius 2013, S. 64 ff.; Margolis, Rachel: Als Partisanin in Wilna. Erinnerungen an den jüdischen Widerstand in Litauen, Frankfurt/M. 2008, S. 124ff.; Peckl, Petra: Wie die Schafe zur Schlachtbank? Jüdischer Widerstand im Ghetto von Vilnius, in: Bartusevičius u.a. (Hg.): Holocaust in Litauen, Köln u.a. 2003, S. 171–184; Porat, Dina: The Fall of a Sparrow. The Life and Times of Abba Kovner, Stanford 2010; Strobel, Ingrid: "Sag nie, du gehst den letzten Weg." Frauen im bewaffneten Widerstand gegen Faschismus und deutsche Besatzung, Frankfurt/M. 1989, S. 233–246; Sutzkever, Abraham: Wilner Getto 1941-1944, Zürich 2009, S. 159ff.; Derselbe: Die Vereinigte Partisanenorganisation des Wilnaer Ghettos (VPO) in: Grossman, Wassili / Ehrenburg, Ilja: Das Schwarzbuch. Der Genozid an den sowjetischen Juden, Frankfurt/M. 1994, S. 504 ff.
http://lernen-aus-der-geschichte.de/Lernen-und-Lehren/content/7660/2010-01-18-Juedischer-Widerstand-Ghettos-1939-1944
http://www.juden-in-europa.de/baltikum/vilna/widerstand.htm
http://www.yadvashem.org/yv/en/exhibitions/vilna/during/ghetto_underground_movements.asp
http://www.jewishpartisans.org/t_switch.php?pageName=gallery+main&gallery=10&room=1#
http://www.deutschlandradiokultur.de/juedischer-widerstand-das-mutige-maedchen.1079.de.html?dram:article_id=283683
http://www.untilourlastbreath.com/Bart4bunkerfacts.html (Foto Ruine Strashunstraße)
https://www.fold3.com/page/286160648_vilna_ghetto_partisants#description