Yitzak WitenbergYitzak Witenberg wurde 1907 als Sohn einer Arbeiterfamilie geboren, erlernte den Beruf eines Schneiders und trat früh der kommunistischen Partei bei, für die er während der sowjetischen Besatzung von Vilnius aktiv war. Nach dem deutschen Überfall am 22. Juni 1941 und der Besetzung von Vilnius ging er in den Untergrund und wurde bei der Gründung der Fareynegte Partizaner Organizatsye (FPO) im Ghetto am 21. Januar 1942 deren Anführer. Es gelang ihm, Kommunisten, Bundisten und Zionisten in diesem Widerstandsbündnis zu vereinigen; gleichzeitig war er ein hoher Funktionsträger des kommunistischen Untergrunds in Vilnius. Im April 1942 hatte sich in der Stadt eine Untergrundorganisation gegründet, in der sich polnische, jüdische und litauische Kommunisten zu einem Antifaschistischen Komitee zusammenschlossen. Witenberg, Chiena Borowska und Sonia Madeysker gehören diesem Komitee an. 

Die FPO verübte Sabotageakte, schmuggelte Waffen ins Ghetto, hielt Kontakte zu den sowjetischen Partisanen und warnte die Ghetto-Bevölkerung in Warschau und Białystok vor den von den Deutschen angeordneten Massenmorden. Für Witenberg stand der bewaffnete Widerstand von Anfang an außer Frage, das Ghetto sei bei der Liquidierung mit allen Mitteln zu verteidigen; einen Ausbruch der FPO aus dem Ghetto lehnte er ab. Er vertraute darauf, dass der städtische Untergrund stark genüg sein würde, um groß angelegte Sabotage- und Angriffsoperationen durchzuführen, die tausenden Juden die Möglichkeit zur Flucht eröffnen würden. 

Im Juli 1943 wurde die Gestapo durch die Gefangennahme und Folter von zwei Mitgliedern des kommunistischen Untergrunds in der Stadt auf Witenberg aufmerksam. Sie forderte vom Vorsitzenden des Judenrats, Jakob Gens, die Auslieferung Witenbergs. Vor seiner Überstellung an die Gestapo wurde er von FPO-Kämpfern noch einmal befreit, doch unter dem massiven Druck eines deutschen Ultimatums – entweder Auslieferung Witenbergs oder Liquidierung des Ghettos – stellte sich Witenberg freiwillig. In seinem 1944 erschienenen Bericht (Schwarzbuch 1994) beurteilte Sutzkever die Auslieferung Witenbergs als „Kardinalfehler“. Nach seiner Meinung wäre es notwendig gewesen, als Antwort auf das deutsche Ultimatum sofort zum bewaffneten Kampf überzugehen. Noch in der Nacht seiner Gefangennahme am 16. Juli 1943 habe Witenberg Selbstmord begangen, um der Folter zu entgehen. Andere Quellen behaupten, dass diejenigen, die seine Leiche gesehen hätten, sagten, seine Haare wären verbrannt, seine Augen ausgestochen und seine hinter dem Rücken zusammengebundenen Arme gebrochen gewesen. Als Sutzkever nach der Befreiung im Juli 1944 das Gestapohauptquartier besuchte, fand er an den blutbespritzten Wänden der Zelle 16, wo Juden üblicherweise gefoltert wurden, unter hunderten von Inschriften Witenbergs letzte Worte: „Nehmt Rache! Itsik Wittenberg, 16. Juli 1943“ (Ainsztein 1993). Sein Nachfolger als Kommandeur der FPO wurde Abba Kovner. Auf dem jüdischen Friedhof in Vilnius ist Witenberg und Sonia Madeysker ein gemeinsamer Gedenkstein gewidmet. 


Literatur / Medien
Ainsztein, Reuben: Jüdischer Widerstand im deutschbesetzten Osteuropa während des Zweiten Weltkrieges, Oldenburg 1993, S. 243ff. (Zitat S. 252f.); Dieckmann 2011, Bd. 2, S. 1205ff.; Lustiger, Arno: Zum Kampf auf Leben und Tod! Vom Widerstand der Juden 1933–1945, Köln 1994 S. 266f.; Porat, Dina: The Fall of a Sparrow. The Life and Times of Abba Kovner, Stanford 2010, S. 106ff. (Auszug “On the senseless night of July 16” unter www.yadvashem.org/porat.pdf); Rolnikaite, Mascha: Ich muss erzählen: Mein Tagebuch 1941–1945, Hamburg 2002, S. 140–142; [Schur, Grigorij] Die Juden von Wilna. Die Aufzeichnungen des Grigorij Schur 1941–1944, hrsg. von Wladimir Porudominskij, München 1999, S. 159f.; Sutzkever, Abraham: Jitzhak Wittenberg, in: Grossman, Wassili / Ehrenburg, Ilja: Das Schwarzbuch. Der Genozid an den sowjetischen Juden, Frankfurt/M. 1994, S. 530 ff. (Zitat S. 532) 

http://www.yadvashem.org/yv/en/exhibitions/vilna/during/wittenberg_affair.asp (Foto)
http://www.juden-in-europa.de/baltikum/vilna/biographien.htm
https://www.youtube.com/watch?v=vc0krcVykZw
http://holocaustmusic.ort.org/places/ghettos/vilna/itsik-vitnberg/ (Homage Kaczerginskis an Witenberg)