Region Rhône-Alpes, Departement Savoie

(Historische) Hauptstadt: Saint-Jean-de-Maurienne

Das Tal und die Gemeinden
Das von vielen über 3000 m hohen Bergen umgebene Alpental, eine der sechs Provinzen des Herzogtums Savoyen, ist 120 km lang. Es wird durchflossen vom wasserreichen Gebirgsbach Arc, der bei Aiton in die Isère mündet. Früher ausschließlich landwirtschaftlich genutzt (Almwirtschaft, Milch, Käse), wurde das Tal seit dem 19. Jahrhundert industrialisiert (Wasserkraftwerke, Metall- und Chemiefabriken). Es wird durch eine Eisenbahnlinie, eine Nationalstraße und eine Autobahn nach Italien/Turin erschlossen (jeweils Tunnel unter dem Mont Cenis). In neuerer Zeit wurde der Skitourismus stark ausgebaut.

Die Ereignisse
Sechs Dörfer im oberen Maurienne wurden im Juni 1940 von der italienischen Armee besetzt und faktisch annektiert (Bessans, Bramans, Lanslebourg, Lanslevillard, Sollières, Termignon); von November 1942 war das ganze Tal italienisch, ab 8. September 1943 von den Deutschen besetzt. Im Fort Victor Emmanuel oberhalb von Modane errichteten die Italiener ein “campo di concentramento” / Internierungslager, in dem sie über 300 Oppositionelle und Geiseln aus ihrem Besatzungsgebiet, einsperrten. Die Talschaft wurde im August/September 1944 befreit, einige Ortsteile unterhalb des Mont Cenis und des Kleinen Sankt-Bernhard endgültig erst im April 1945 (vgl. Departement Savoie, Einführung/Befreiung).
Im Sommer 1944 hatte sich die bewaffnete Résistance bemerkbar gemacht, durch Sabotagen und z.B. die Sprengung der Eisenbahnbrücke zwischen Aiguebelle und Argentine. Im März hatten Wehrmachtssoldaten und Milice das Maquis oberhalb von Saint-Georges-d'Hurtières angegriffen.

Verbrannte Erde
Die Dörfer im Maurienne waren im August/September 1944 Schauplatz von Versuchen der Résistance, den Rückzug der Wehrmacht nach Italien zu verzögern, und mörderischer Aktionen von Wehrmacht und SD. Die deutschen Truppen in der Region Rhône-Alpes (Grenoble, Chambéry, Annecy) hatten nach der alliierten Landung in der Provence vom 15. August 1944 und dem schnellen Vormarsch der alliierten und freifranzösischen Truppen durchs Rhônetal den Befehl erhalten, sich nach Norditalien zurückzuziehen – durch das Tarentaise- und das Maurienne-Tal. Sie trafen dort auf die – nach den Waffenabwürfen auf dem Glières-Plateau und dem Col de Saisies – etwas besser ausgerüsteten FFI-Verbände (AS und FTP) und erlitten anfangs ungewohnte Verluste. Dies war einer der Gründe, Teile der in Norditalien stationierten 90. Panzer-Grenadierdivision ins Tal zu beordern. Sie sollten den Rückzug absichern und die “Partisanen bekämpfen”, im Klartext: Anlagen, Dörfer, Häuser und Höfe zerstören sowie die Zivilbevölkerung terrorisieren, deportieren und erschießen.

Blutige Bilanz
Angezündet von der Wehrmacht wurden z.B. die Dörfer Bessans, Hermillon, Montricher, Lanslebourg, Lanslevillard, Pontamafrey, Termignon, Villargondran sowie zahlreiche Ortsteile. Unzählige Häuser und Höfe wurden geplündert, Fahrzeuge, Vieh und Lebensmittel geraubt, 11000 von 45700 Menschen hatten kein Dach mehr über dem Kopf.
Erschießungen und Massaker an der Zivilbevölkerung gab es u.a. in Aiguebelle, Argentine, Lanslevillard, Orelle, Saint-Alban-d'Hurtières, Saint-Georges-d'Hurtières, Saint-Michel-de-Maurienne, Saint-Rémy-de-Maurienne.
Fast alle Kraftwerke wurden zerstört und damit die Produktion der Aluminium-, Elektrostahl- und chemischen Fabriken lahmgelegt, die allermeisten Straßen- und Eisenbahnbrücken sowie der Eingang zum Mont Cenis-Bahntunnel gesprengt.

Gedenken
Ein großes Widerstandsdenkmal befindet sich in der Nähe von Bramans. In allen Orten gibt es jährliche Gedenkzeremonien, meist am jeweiligen Tag der Befreiung; die zentrale Gedenkfeier findet in Saint-Jean-de-Maurienne statt. Im Rathaus von Villargondran kann man das Widerstands- und Deportationsmuseum 'Musée Rosine Perrier de la Résistance' besuchen.

Gedenkorte (talaufwärts):
(unteres Tal) Aiguebelle, Saint-Georges-d'Hurtières, Saint-Alban-d'Hurtières, Argentine (Savoie), Épierre, La Chapelle (Savoie), Saint-Rémy-de-Maurienne
(mittleres Tal) Hermillon, Saint-Jean-de-Maurienne, Villargondran, Saint-Michel-de-Maurienne, Orelle, Saint-André (Savoie), Fourneaux (Savoie), Modane, Aussois
(oberes Tal) Bramans, Lanslebourg-Mont-Cenis, Lanslevillard, Bessans.
Sie werden im folgenden in alphabetischer Reihenfolge beschrieben.

Literatur/Medien
Panicacci, Jean-Louis: L'Occupation italienne: Sud-Est de la France, juin 1940-septembre 1943, Rennes 2010
Perrier, Rosine: J'appartiens au silence, Montmélian 1997
http://www.ac-grenoble.fr/savoie/pedagogie/docs_pedas/chemins_memoire/maurienne/maurienne_valle_martyre.pdf?PHPSESSID=6f784898b58ddfd0bef5ebf2c877c85f
http://www.savoie-archives.fr/archives73/expo_savoie_des_ombres/pano20/thumb.html
http://histoiredelamaurienneetdelasavoie.blogspot.de/2009_08_01_archive.html
http://www.railsavoie.fr/liberation01.html
http://fr.wikipedia.org/wiki/Maurienne