Region Epirus / Regionalbezirk Arta

KommenoDer Ort
Kommeno (auch: Komeno) ist ein Dorf in der Gemeinde Nikolaos Skoufas mit 626 Einwohner/innen (Stand 2011) im Mündungsgebiet des Arachthos am Golf von Ambrakia. Kommeno gehört seit dem Jahr 1998 zu den Märtyrerorten Griechenlands (gem. Präsidialdekret 399/1998).
Sowohl von Norden (Ioannina) als auch von Süden (Patras/Athen) kommend fährt man auf der Schnellstraße/Autobahn A5 Ioannina - Patras bis zur Abzweigung Kommeno ca. 20 km südlich von Arta, dann weiter für ca. 8 km auf der Landstraße (90 km ab Ioannina, 150 km ab Patras, 350 km ab Athen).

Das Ereignis
Am 16. August 1943, einen Tag, nachdem im Dorf nicht nur Maria Himmelfahrt sondern auch eine Hochzeit gefeiert worden war, überfielen Angehörige der 12. Kompanie des Gebirgsjägerregiments 98 der 1. Gebirgsjägerdivision der Wehrmacht unter dem Kommando von Oberleutnant Willibald Röser (Leitung: dessen Vorgesetzter Major Reinhold Klebe) das kleine, damals ca. 600 Einwohner zählende Dorf Kommeno. Sie ermordeten - vom Säugling bis zum Greis - alle Menschen, die sie antrafen und brannten Kommeno nieder. Dem Massaker fielen insgesamt 317 Menschen zum Opfer. Von den getöteten Einwohnern Kommenos waren 172 Frauen und 97 Kinder, darunter auch viele Säuglinge.
GedenksteleIn den frühen Morgenstunden waren ca. 100 Männer der 12. Kompanie in Kommeno eingetroffen und hatten den Ort abgeriegelt. Kompanieführer Röser hatte die Losung ausgegeben, niemand dürfe überleben, „alle sind niederzumachen“, so die ehemaligen Kompanieangehörigen Karl D. und Otto G. in ihren Zeugenaussagen vor der Staatsanwaltschaft München (siehe unten: Nach 1945). In den folgenden Stunden ermordeten die Soldaten alle wehrlosen Einwohner, die sie antrafen, und verwüsteten das Dorf. 

Grausige Details und sadistische Exzesse belegen nicht nur griechische Zeitzeugenberichte sondern auch spätere Aussagen von Täterseite:
Überall lagen Leichen herum. Vor und in den Häusern [...]. Vor dieser Kirche - ich glaube, es war das einzige Gebäude, das nicht gebrannt hat - lag ein großer Haufen von Leichen. Soviel ich aus dem Menschenleiberwirrwarr ersehen konnte, dürften unter den Leichen viel mehr Frauen und Kinder gewesen sein als Männer. Das Kirchentor war offen, und auch in der Kirche lagen Leichen“ (zit. nach Meyer 2010, S. 222).

Was mich furchtbar abgestoßen hat, das war, dass einige Angehörige der 12. Kompanie sich in schändlicher Weise an den Leichen zu schaffen machten. So habe ich selbst gesehen, wie einige Soldaten den weiblichen Leichen Bierflaschen in den Geschlechtsteil einführten. Ich glaube, ich habe auch Leichen gesehen, denen die Augen ausgestochen waren. Wenn ich gefragt werde, ob es den Tatsachen entspricht, dass Kinder in der Weise verbrannt wurden, dass ihnen mit Benzin getränkte Watte in die Münder gestopft und die Watte dann angezündet worden ist, dann gebe ich an, dass ich tatsächlich Kinder gesehen habe (Leichen), die in der Gesichtsgegend um den Mund schreckliche Brandwunden aufwiesen. Ob diese Kinder lebend oder als Leichen misshandelt worden sind, weiß ich nicht“ (zit. nach Meyer 2010, S. 217).

Gedenkstele (Ausschnitt)Hintergründe des Massakers
Nach der Niederlage der deutsch-italienischen Armee in Nordafrika (Mai 1943) erwartete die deutsche Militärführung irrtümlich eine Landung der Alliierten an der westgriechischen Küste (Um von der geplanten Invasion Siziliens abzulenken, starteten die Alliierten Täuschungsmanöver unter dem Codewort „Animals“ mit Sabotageunternehmungen wie den Sprengungen des Asopos-Viadukts und - zusammen mit der ELAS - des Eisenbahntunnels von Kournovo im Juni 1943). Zur Sicherung der Verbindungs- und Nachschubwege wurde deshalb die 1. Gebirgs-Division (XXII. Gebirgs-Armeekorps unter Generalleutnant Hubert Lanz) mit dem Gebirgs-Jäger-Regiments 98 unter Oberstleutnant Josef Salminger in die zu dieser Zeit noch vom italienischen „Achsen-Partner“ besetzte Epirus-Region (siehe: Besatzungszonen in Griechenland) mit Sitz in Ioannina verlegt. Der „Kampftruppe Salminger“ war u.a. die Sicherung nach Osten, Süden und Westen, die „Säuberung“ der Straße Ioannina - Arta - Preveza und des Raumes westlich dieser Straße bis zur Küste übertragen worden. Bei der als „Bandengebiet“ eingestuften Umgebung der Hauptverbindungsstraße wurden auf dem Streckenabschnitt von Ioannina - Arta zwischen dem 22. und dem 26. Juli 1943 über 20 Ortschaften in Schutt und Asche gelegt und u.a. am 25. Juli im Dorf Mousiotitsas 134 Männer, Frauen, Kinder und Greise im Alter von 1 bis 75 Jahren ermordet (Anm.: Am 22. August 1943 wurde Mousiotitsas erneut von deutschen Truppen überfallen. Insgesamt wurden 153 Menschen ermordet.)
Einige Tage vor dem Massaker von Kommeno waren im Ort Partisanen gesichtet worden, worauf am 14. August 1943 die Entscheidung fiel, ein Unternehmen gegen die festgestellte Bande zu führen. Mit dem Auftrag wurde die 12. Kompanie betraut. Am Vorabend des Massakers hatte Regimentskommandeur Salminger eine feurige Rede an die Soldaten gehalten und sie eingepeitscht: Er verbreitete die Mär, daß sie deutsche Soldaten zu rächen hätten, die in Kommeno angegriffen worden seien. „In die gleiche Richtung ging die Anordnung [...] Rösers, der erklärte, Kommeno werde für den angeblichen Beschuss [...] »büßen« müssen. Auf Rache deuten auch die weiteren Aussagen Rösers hin, wegen der alliierten Bombardierung Kölns seien alle Einwohner Kommenos zu töten“ (Nessou, S. 281).

Märtyrerort KommenoVersuche der Vertuschung
Belege dafür, dass sich die Verantwortlichen für das Massaker in Kommeno über die Rechtswidrigkeit des Einsatzes im Klaren waren, liefert die in den abgesetzten Meldungen vorgenommene Aktenkosmetik hinsichtlich der Darstellung des Überfalls als militärisches Gefecht und der Opfer.
Mittagsmeldung:
14.45 Uhr: Heute morgen bei der Umstellung von Kommeno, die von 3 Seiten durchgeführt wurde, erhielt die 12. Kp. sehr starkes Gewehrfeuer aus sämtlichen Häusern. Daraufhin wurde von Seiten der Kp. mit allen Waffen das Feuer eröffnet, der Ort gestürmt und niedergebrannt. Bei diesem Gefecht ist es, wie es scheint, einem Teil der Banditen gelungen, in südostw. Richtung zu entkommen. Schätzungsweise 150 Zivilisten kamen bei diesem Kampf ums Leben“ (BArch-MA, RH 28-1/102, BI. 66, zit. nach Nessou, S. 215).
In der Tagesmeldung, abgesetzt am späten Abend, wurden aus den „150 toten Zivilisten“ dann „150 Feindtote“ (BArch-MA, RH 28-1/188, BI. 354, zit. nach Nessou, S. 215). In das in Athen von Oberleutnant Kurt Waldheim geführte Kriegstagebuch ging schließlich ein: „Im Bereich der 1. Geb. Div. Ort Kommeno (…) gegen heftigen Feindwiderstand genommen. Hierbei Feindverluste“ (BArch-MA. RH 31 X/1, Kriegstagebuch Nr.1, 17. August 1943, zit. nach Nessou, S. 215).

Gedenken
Gedenkstätte auf dem Dorfplatz
Im Jahr 1947 wurde auf dem Dorfplatz von Kommeno ein Gedenkobelisk errichtet. Darauf sind die Namen und das Alter der 317 Menschen, die am 16. August 1943 ermordet wurden, eingraviert.

Mahnmal am FriedhofMahnmal am Friedhof
Eine Gruppe junger Berufschüler aus Bergkamen errichete im Jahr 2012 im Rahmen des Projektes „young workers for europe“ am Friedhof von Kommeno ein kleines Mahnmal. Auf zusammengestellten Marmorquadern steht dessen Motto „Frieden“, „Freiheit“, „Hoffnung“ und „Zukunft“ in griechischer und deutscher Sprache.

Nach 1945
Ermittlungsverfahren
Wegen des Massakers von Kommeno führte der Staatsanwaltschaft beim Landgericht München 1 in den Jahren 1968 und 1972 Ermittlungsverfahren gegen Josef Salminger und weitere Angehörige der 12. Kompanie des Gebigsjägerregiments 98 und gegen Anton Z., den ersten Schützen der Kompanie (Az.: 117 Js 49-50/68; das Verfahren gegen Salminger wurde wegen dessen Todes eingestellt) und Dr. Reinhold Klebe, Kommandeur des 3. Bataillons der 12. Kompanie des Regiments 98 des 1. Gebirgsjägerdivision (Az.: 117 Js 5-6/72) durch.
Nach Abschluss der Befragung von insgesamt 162 deutschen und österreichischen Tatzeugen wurden die Ermittlungsverfahren eingestellt.
Zwar räumte die Staatsanwaltschaft in der Einstellungsverfügung des Ermittlungsverfahren gegen den Bundeswehroberstleutnant und ehemaligen Gebirgsjägerregimentskommandeur Reinhold Klebe ein, dass es sich bei dem Geschehen in Kommeno um ein Massaker gehandelt hat:
Die überwiegende Mehrzahl der aussagewilligen Zeugen bekundet (...) jedoch, daß es seitens der Griechen zu keiner Gegenwehr gekommen sei. Vielmehr sei Befehl gegeben worden, alles niederzumachen. (...) Diese in ihren Einzelheiten zwar teilweise sehr widersprüchlichen, in ihrem Kern zumeist aber übereinstimmenden Bekundungen weisen darauf hin, daß die Aktion in Kommenon in einer Weise durchgeführt worden ist, daß die Bezeichnung Massaker nicht übertrieben erscheint“ (zit. nach Nessou, S. 449).
Die Staatsanwaltschaft folgte jedoch nicht der großen Anzahl von belastenden Zeugenaussagen - sondern Klebes Einlassungen, lediglich „ein Säuberungsunternehmen gegen Partisanen und nicht gegen die Zivilbevölkerung befohlen“ zu haben. Sie verneinte ein strafrechtlich relevantes Verhalten Klebes mangels Beweisen und stellte das Verfahren ein.

Friedhof von KommenoDazu Nessou in seiner Untersuchung des Falles:
Klebes Einlassung wird durch die [...] im Kern übereinstimmenden weiteren Aussagen [...] widerlegt. [...] Nicht glaubhaft ist daher Klebes Einlassung, er habe keine erschossenen Frauen und Kinder gesehen und somit nicht erkennen können, dass es sich nicht um ein Partisanengefecht gehandelt habe. [...]. Widerlegt ist ferner, der Kompanie habe Gegenwehr aus dem Dorf entgegengeschlagen. Mehrere Zeugen gaben übereinstimmend zu Protokoll, dass aus dem Dorf kein einziger Schuss gefallen ist. Es war frühzeitig erkennbar, dass Kommeno nicht wie angenommen von Partisanen besetzt war und dass sich die befohlene Vergeltungsaktion einzig gegen die Einwohner des Dorfes richten würde. Von besonderer Bedeutung für die strafrechtliche Verantwortlichkeit Klebes ist der von den Zeugen Karl D. und Otto G. bekundete Umstand, dass Kompanieführer Oberleutnant Röser bei der Ankunft in Kommeno anordnete, kein Pardon zu geben und niemanden im Ort am Leben zu lassen. Dass Klebe diesen wegen Verstoßes gegen die Art. 50 und 46 HLKO völkerrechtswidrigen Befehl trotz seiner Anwesenheit nicht gehört haben will, ist nicht glaubhaft. Als ranghöchster Offizier vor Ort hätte er Rösers Befehl widerrufen müssen, da in Verbindung mit der nicht erfolgenden Gegenwehr aus dem Dorf klar sein musste, dass in der Folge unbewaffnete Zivilisten ohne Rücksicht auf Alter und Geschlecht Opfer der deutschen Vergeltungsmaßnahme werden würden. Aus diesem Gesichtspunkt ergibt sich zudem, dass die Aktion unter keinem Gesichtspunkt als völkerrechtsmäßige Repressalie gewertet werden kann“ (Nessou, S. 451).

Dennoch ist es wegen des Wehrmachtsmassakers von Kommeno in keinem einzigen Fall zur Eröffnung der Hauptverhandlung gekommen.

Literatur / Medien:
Mazower, Mark: Militärische Gewalt und nationalsozialistische Werte - Die Wehrmacht in Griechenland 1941-1944, In: Heer, Hannes / Naumann, Klaus (Hg.): Vernichtungskrieg - Verbrechen der Wehrmacht 1941-1944, S. 157-190; Meyer, Hermann Frank: Blutiges Edelweiß – Die 1. Gebirgsdivision im Zweiten Weltkrieg, 3. Auflage, Berlin 2010; ders.: Kommeno - erzählende Rekonstruktion eines Wehrmachtsverbrechens in Griechenland, Köln 1999; ders.: Mousiotitsas - Kommeno - Lyngiades 1943, in: Ueberschär, Gerhard R. (Hg): Orte des Grauens. Verbrechen im Zweiten Weltkrieg, Darmstadt 2003, S. 147-154; Nationalrat für die Entschädigungsforderungen Griechenlands an Deutschland (Hg.): Schwarzbuch Besatzung, 3. Auflage, Athen 2012, S. 105-108; Nessou, Anestis: Griechenland 1941-1944, Deutsche Besatzungspolitik und Verbrechen gegen die Zivilbevölkerung - eine Beurteilung nach dem Völkerrecht, Göttingen 2009; www.hfmeyer.com/german/veroeffentlichungen/kommeno/kommeno2.html; www.youngworkers.de/thema/kommenode.wikipedia.org/wiki/Komeno