Region Venetien / Provinz Padua

Der Ort
Schild an der Gedenkstätte Abbazia PisaniSan Martino di Lupari ist eine venetische Gemeinde mit 13.164 Einwohner/innen (Stand 31. Dezember 2016). Dem Ort wurde - wie auch den Nachbargemeinden Villa del Conte, San Giorgio in Bosco und Castello di Godego (Provinz Treviso) - wegen der Massaker, die Truppen der deutschen Wehrmacht während ihres Rückzugs in den letzten Kriegstagen an der Zivilbevölkerung der Orte verübten, nach Ende des Krieges die Medaglia d'argento al merito civile verliehen.
Der Ort liegt ca. 30 km nördlich von Padua und ist von dort aus über die SP 46/ SP 39 zu erreichen.

Die Ereignisse
Gedenkstätte in Castello di GodegoAuf ihrem Rückzug nach Norden in Richtung Valsugana, kurz bevor sie sich nahe Belluno den US-amerikanischen Truppen ergeben mussten, begingen Einheiten der 29. Panzergrenadier-Division unter dem Kommando von Generalleutnant Dr. Fritz Polack am 29. April 1945 Massaker an der Zivilbevölkerung.
Gentile beschreibt die Ereignisse folgendermaßen: „Nachdem am 29. April die meisten Kolonnen [der 29. Panzergrenadierdivision, die Red.] nun den Brenta überschritten hatten, kam es in der Gegend von Cittadella nach Scharmützeln zwischen Partisanen und deutschen Soldaten zu weiteren Massakern, die ausgesprochen chaotisch abliefen. Im Anschluss an die Gefechte wurden mehrere Ortschaften von Soldaten durchsucht, alle Männer, die älter als 16 Jahre waren, wurden mitgenommen und als menschliche Schutzschilder benutzt. Zwei Männer wurden in Sant'Anna Morosina getötet, möglicherweise nach einem Fluchtversuch. Nach etwa sechs Kilometern erreichte die Gruppe der Geiseln den Ort Abbazia Pisani. Dort schossen Partisanen auf die herannahenden Truppen erneut. Daraufhin wurden acht der Gefangenen getötet, einige der Zivilisten aber wurden hier wieder freigelassen. Die restlichen Gefangenen mussten mit der Truppe weiter ziehen. Unterwegs wurden sie gezwungen, Straßensperren der Partisanen zu entfernen. Um etwa 11 Uhr erreichte die Gruppe San Martino di Lupari, wo es weitere Festnahmen gab.
Gedenkstätte in Abbazia PisaniBei der Ankunft in Castello di Godego umfasste die Gruppe über 80 Männer. Hier wollte man sich ihrer entledigen. Es kam zu chaotischen Gewaltszenen. Zunächst wurden sechs von ihnen erschossen. [...] In der Via Cazzadora wurden dagegen etwa 40 Männer aufgefordert wegzulaufen. Dann eröffneten die Soldaten das Feuer und töteten alle „auf der Flucht". Auch eine zweite Gruppe von 20 Männern wurde auf die gleiche Weise getötet. Die letzten, die erschossen wurden, waren mehrere Jugendliche im Alter von etwa 15-16 Jahren" (Gentile, S. 199).

Die deutsch-italienische Datenbank „Atlante delle Stragi Naziste e Fasciste in Italia" fasst die am 29. April 1945 ermordeten Opfer der Orte Villa del Conte, Sant’Anna Morosina (Gemeinde San Giorgio in Bosco), Abbazia Pisani, Maglio, San Martino di Lupari und Castello di Godego zusammen und beziffert ihre Gesamtzahl mit 125, die namentlich aufgeführt werden. Der Autor des Artikels weist aber explizit darauf hin, dass die vielen unterschiedlichen Tatorte, die zudem in zwei verschiedenen Provinzen (Padua und Treviso) liegen, die exakte Bestimmung der Opferzahl erschwert. Was ggf. erklärt, dass beispielsweise Schreiber (S. 210) die Zahl der Opfer in der Gemeinde San Martino di Lupari mit 81 Opfern und jene in Castello di Godega mit weiteren mindestens 80 Opfern beziffert.

Gedenken
Gedenkstätte an der Via MagliaAn vielen Stellen der betroffenen Gemeinden wird der Opfer des 29. April 1945 gedacht. U.a. in:
San Martino di Lupari
In San Martino di Lupari erinnert eine Gedenktafel an der Fassade des Bürgermeisteramtes an alle Opfer des Ortes und im Ortsteil Maglio/Borghetto an der Via Maglia an 25 Opfer.
Via Maglia/Via Barichella

Abbazia Pisani
In Abbazia Pisani befindet sich die Gedenkstätte für die Opfer in der Via Risale.

Castello di Godego
Im Ortsteil Alberone von Castello di Godego wurde im Jahr 1946 eine Gedenkstätte für 73 Opfer nahe der Hinrichtungsstätte errichtet.
Via XXIX Aprile

Nach 1945
Die Ermittlungsakten zu den unter Generalleutnant Polack (1892-1956) und seinen Mittätern während des Rückzugs in und um San Martino di Lupari verübten Verbrechen wurden im Januar 1960 im Schrank der Schande (ital. „Armadio della vergogna“) „einstweilen archiviert“ und gerieten danach in Vergessenheit.

Literatur / Medien:
Gentile, Carlo: Wehrmacht und Waffen-SS im Partisanenkrieg: Italien 1943–1945. Paderborn 2012, S. 199; Schreiber, Gerhard: Deutsche Kriegsverbrechen. Täter, Opfer, Strafverfolgung, München 1996, S. 210; Auszug aus der deutsch-italienischen Datenbank „Atlante delle Stragi Naziste e Fasciste in Italia" über die Massaker des 29. April 1945 in und um San Martino di Lupari