Die Provinz Belluno im Norden Venetiens erlebte in den 20 Monaten der deutschen Besatzung von 1943 bis 1945 eine vom übrigen Venetien abgetrennte Geschichte, weil die zuvor und auch seit 1945 der Region Venetien zugehörige Provinz mit den Provinzen Trentino und Südtirol zur Operationszone Alpenvorland zusammengelegt wurde. Hintergrund dafür war, dass diese drei Provinzen – ebenso wie die Provinzen der Operationszone Adriatisches Küstenland – für den Zugang zu Norditalien und für die Annexionspläne Nazideutschlands eine strategische Rolle spielten. Diese militärstrategisch bedeutende Rolle spielte die Provinz sowohl im Ersten als auch und Zweiten Weltrieg.

Sabotage der Bahnlinie bei Forte Tombion (Foto: Wikipedia)Südöstlich des Cismon-Tales liegt der Monte Grappa, ein Kriegsschauplatz im Ersten wie im Zweiten Weltkrieg, der zum Friedhof zehntausender Gefallener aus den dort eingesetzten Armeen der jeweiligen Alliierten wurde. Während der deutschen Besatzung von 1943 bis 1945 unterstand die Provinz Belluno dem Kommando des Obersten Kommissars Franz Hofer. Die Gegend um den Monte Grappa wurde als Abwehrfestung ausgebaut, in die Berghänge des Vallorca, Avena und Ponte Serra wurden Tunnel, Gräben und Stellungen, sogenannte „Stols“, getrieben. Zu diesen Schanzarbeiten wurden Tausende Männer zur Zwangsarbeit rekrutiert – wer sich weigerte, wurde deportiert, wer sich den Partisanen anschloss, riskierte sein Leben. Der massiven militärischen Präsenz der Besatzer stellte sich ein immer stärker werdender und immmer besser organisierter Widerstand der Partisanen entgegen. Die Zahl der Sabotageaktionen – u.a. Überfälle auf Transporte und Waffenlager, Befreiung von politischen Häftlingen, die sich auf dem Weg in das Durchgangslager Bozen-Gries befanden, Lahmlegung von Elektrizitätswerken und die spektakuläre Sprengung der Bahnverbindung zwischen Bassano del Grappa und Trient im Valsugana bei Forte Tombion (nahe Cismon del Grappa) usw. – nahm zu. Die Besatzer antworteten mit zunehmend brutaleren Repressionsmaßnahmen.

Der größte Partisanenverband in der Provinz war die Brigade „Garibaldina Antonio Gramsci (Feltre)“ mit ihren sieben Bataillonen „De Min“, „Zancanaro“, „Cesare Battisti“, „Monte Grappa“, „Gherlenda“, „Bolzano“ und „Churchill“, außerdem die im Val Di Cadore operierende Garibaldi-Brigade „Pietro Fortunato Calvi“, die von dem venezianischen Anwalt Sandro Gallo (Garbin) gegründet und bis zu seinem Tod am 20.9.1944 geführt wurde. Unterstützung erhielten die Brigaden vom US-amerikanischen Geheimdienst, der gegen Kriegsende u.a. in der Operationszone Alpenvorland aktiv war und dessen Agent Roderick Hall nach seiner Gefangennahme im Januar 1945 von der Gestapo in Bozen ermordet wurde (Heinrich Andergassen).

Gedenkstätte für die Gefallenen der Brigade CalviMaßgeblich an der Bekämpfung der Partisanen und am Terror gegen die Zivilbevölkerung in der Provinz waren die SS-Offiziere Herbert Andorfer, sowie Wilhelm Niedermayer und Karl Tribus. Die Vergeltungsaktionen der deutschen Besatzung, die den Partisanen zwar Niederlagen beifügen, sie aber weder vernichten nicht vertreiben konnte,  trafen vor allem die Zivilbevölkerung hart: in den Dörfern wurde das Vieh in großer Zahl geraubt oder getötet, Wohnhäuser und Stallungen wurden niedergebrannt; „Durchkämmungsaktionen" mit Massenhinrichtungen wie die vom 21. bis 27. September 1944 am Monte Grappa und die Aktion vom 11. Januar 1945, bei der 40 Jugendlich festgenommen und über das Durchgangslager Bozen-Gries in deutsche Vernichtungslager deportiert wurden, willkürlich Erschießungen der vor Ort angetroffenen Männer waren Ausdruck der immer brutaleren Repression, an denen auch das Südtiroler Polizeiregiment „Bozen“ und der Trientiner Sicherungsverband (CST) beteiligt waren. Der Anteil der aus der Provinz Belluno stammenden politischen Häftlinge im Lager Bozen-Gries war besonders hoch, in der Provinz Belluno sind mehr als 500 Partisanen in den Kämpfen gefallen, hunderte von Zivilisten starben bei Mordaktionen, mehr als 1.600 Menschen wurden deportiert, Tausende verhaftet: eine Schreckensbilanz. Tapferkeit und Opfer der Bewohner der Provinz wurden im März 1947 mit der Medaglia d’oro gewürdigt, deren Wortlaut am Rathaus von Belluno zu lesen ist.   

Tafel mit Namen der Gefallenen (Foto: Cocconi)

Namen der Gefallenen (Foto: Cocconi)

 

Gedenkstätte für die Gefallenen der Brigade Calvi
Die Gedenkstätte für die zwischen 1943 und 1945 Gefallenen der Brigade „Pietro Fortunato Calvi“ in Calalzo (Ortsteil S. Francesco d’Orsina) ist erreichbar über die SS 51b von Pieve di Cadore nach Calalzo.


Literatur /Medien:
Dizionario della Resistenza, a cura di Enzo Collotti, Renato Sandri e Frediano Sessi, Einaudi, Turin 2006; S. 191; Wedekind, Michael: Nationalsozialistische Besatzungs- und Annexionspolitik in Norditalien 1943 bis 1945 - die Operationszonen "Alpenvorland" und "Adriatisches Küstenland" (Militärgeschichtliche Studien, 38), München 2003; Gerald Steinacher: "In der Bozner Zelle erhängt …": Roderick Hall — Einziges Ein-Mann-Unternehmen des amerikanischen Kriegsgeheimdienstes in Südtirol" (1999). Faculty Publications, Department of History. Paper 118; Innsbruck 2003 (digitalcommons.unl.edu/cgi/viewcontent.cgi?article=1118&context=historyfacpub); de.wikipedia.org/wiki/Provinz_Belluno
it.wikipedia.org/wiki/Zona_d%27operazioni_delle_Prealpi; www.chieracostui.com/costui/docs/search/schedaoltre.asp?ID=5180
(Foto:Cocconi); it.wikipedia.org/wiki/Sabotaggio_del_Tombionit.wikipedia.org/wiki/Brigata_Garibaldi_%22Antonio_Gramsci%22_%28Feltre%29; www.bellunopress.it/2019/06/09/maresciallo-wilhelm-niedermayer-il-carnefice-della-gestapo-che-beffo-la-giustizia-italiana/

 Orte in der Provinz Belluno:

Monte Grappa
Belluno
Feltre
Fonzaso