Region Friaul-Julisch-Venetien / Provinz Udine
Der Ort
Visco ist eine Gemeinde im Friaul mit 789 Einwohner/innen (Stand 31. Dezember 2016).
Der Ort liegt wenige Kilometer nördlich der Autobahn A4 Venedig (113 km) - Triest (56 km) 5 km südöstlich von Palmanova an der SR252.
Die Ereignisse
Nachdem sich das faschistische Italien - mit Deutschland durch die „Achse Berlin-Rom“ und den sogenannten „Stahlpakt" verbunden - am deutschen Überfall auf Jugoslawien (6. - 17. April 1941) beteiligt hatte, besetzte die italienische Armee Teile des in diverse Einflusssphären zerstückelten Landes entlang der Küste: Das italienische Besatzungsgebiet umfasste den Süden und Westen Sloweniens bis einschließlich Ljubljana und Teile von Dalmatien, einige Inseln sowie Teile von Montenegro und des Kosovo.
Deportation von Slowenen und Kroaten aus von Italien okkupierten Gebieten
Zwar fehlte der italienischen Besatzung die genozidale Komponente im Konzept der deutschen Okkupanten, die u.a. alle in ihrem Herrschaftbereich lebenden Slowenen „grundsätzlich als Staatsfeinde" stigmatisierten und entsprechend behandelten (Bundesarchiv, S. 45), sie war allerdings von Zwangsmaßnahmen, Geiselerschießungen sowie massenhaften Deportationen und Internierung von Zivilisten gekennzeichnet.
So erließ General Mario Roatta, ab Januar 1942 Oberbefehlshaber der 2. italienischen Armee, die 1941 von Istrien aus am Überfall auf Jugoslawien teilnahm und danach die italienischen Besatzungstruppen in den besetzten Gebieten stellte, am 1. März 1942 das berüchtigte Rundschreiben 3C („Circolare 3C"): In offenem Bruch mit dem Kriegsvölkerrecht wurden Offiziere und Kommandanten darin angewiesen, mit allergrößter Härte gegen den Widerstand der Bevölkerung vorzugehen (Prinzip des „Zahn um Kopf" statt „Zahn um Zahn").
Bereits einige Tage zuvor hatte Roatta in der Nacht vom 22. auf den 23. Februar 1942 das Stadtgebiet von Ljubljana mit einem Stacheldrahtzaun hermetisch abriegeln lassen und danach Durchkämmungsaktionen angeordnet. Mehrere hundert gefangengenommene slowenische Zivilisten (Schüler, Studenten, Intellektuelle, die im Verdacht standen, mit der slowenischen Befreiungsbewegung zu sympathisieren) wurden Mitte März 1942 - die Gefängnisse in Ljubljana waren längst überfüllt - in das gerade errichtete erste Konzentrationslager für Slowenen und Kroaten in Gonars deportiert.
Das Konzentrationslager Visco
Zusätzlich wurde im Januar 1943 das Konzentrationslager Visco für weitere nach Italien deportierte Slowenen und Kroaten („per slavi", wie es im Land der Besatzungsmacht hieß) im Kasernenkomplex Borgo Piave an der Straße zwischen Visco und Palmanova eingerichtet. Die ursprüngliche Planung sah - im Vorfeld einer deutsch-italienischen Großoffensive gegen die jugoslawische Befreiungsbewegung - vor, dort 10.000 Menschen unterbringen zu können. Dieser Plan wurde jedoch nicht umgesetzt und zu den 18 Kasernengebäuden lediglich hunderte von Holzbaracken und große Zelte aufgestellt.
Am 22. Februar 1943 erreichten die ersten ca. 300 gefangenen Slowenen und Kroaten aus dem Konzentrationslager Kampor auf der dalmatinischen Insel Rab (wo die Sterberate der Insassen mit 19 % über der des deutschen KZ Dachau lag) Visco. Capogreco schreibt, dass sie von Hungerödemen gezeichnet waren und sich nur mühsam in das Lager schleppen konnten (Capogreco, S. 263). Zwischen Februar und März 1943 kamen Gefangene der KZ Gonars und Monigo (Treviso) sowie Insassen aus Gefängnissen in Ljubljana hinzu. Mit 3.272 Männern, Frauen und Kindern erreichte die Belegung des KZ Visco am 1. Juli 1943 ihren Höchststand. 22 Menschen starben dort während ihrer Haftzeit.
Die Internierten bildeten heimlich ein Befreiungskomitee, in dem sie sich organisierten. Einige Tage nach der italienischen Kapitulation am 8. September 1943 verließen über 3.000 Männer, Frauen und Kinder das KZ und marschierten zu Fuß in Richtung Osten, um in die von den slowenischen Partisanen befreiten Gebiete zu gelangen.
Gedenken: Möbelhaus oder Gedenkstätte?
Nach der Besetzung Italiens durch deutsche Truppen, die unmitelbar auf den italienischen Kriegsaustritt erfolgte, wurde das Areal von der Wehrmacht genutzt. Nach der Befreiung diente es von 1947 bis 1996, nun unter dem Namen „Caserma Luigi Sbaiz", wieder als Kaserne. Im Jahr 2001 ging es in den Besitz der Gemeinde Visco über. Das hermetisch abgeriegelte Gelände war öffentlich nicht zugänglich, sodass auch die kleine Gedenktafel, die seit dem Jahr 2004 im Inneren an die frühere Nutzung als Konzentrationslager erinnert, nicht erkennbar war.
Im September 2008 meldete die in Kärnten erscheinende „Kleine Zeitung", dass das ehemalige KZ abgerissen und auf dem Gelände ein Möbelhaus entstehen soll:
„[...] Das Konzentrationslager in der 800-Seelen-Gemeinde Visco an der slowenischen Grenze umfasst 130.000 Quadratmeter. [...] Das italienische Heer stationierte auf diesem Gelände bis 1996 seine Panzer. Das Konzentrationslager ist zum Großteil vergessen worden. Nur eine Tafel erinnert an diesem Ort an das KZ, in dem 3.000 Menschen, darunter 120 Kinder, gefangen gehalten wurden.
Pläne, nach denen die Gemeinde das Gelände einem Möbelhaus verkaufen könnte, sorgten für Empörung. Gegen die Veräußerung des Geländes stemmte sich auch der slowenische Schriftsteller Boris Pahor. Der 94-jährige Autor von "Nekropolis" warnte vor der Veräußerung des Geländes. "Dieses KZ hat eine Bedeutung, die über die Grenzen Italiens geht. Ich wurde in ein Nazi-Lager deportiert und ich kann sagen, die Deutschen halten die Erinnerung an diese Tragödie wach. Das muss auch in Friaul sein", so Pahor. Empört zeigte sich auch der friaulische Historiker Ferruccio Tassini. "Viscos Konzentrationslager muss gerettet werden. Niemand würde ein Möbelhaus in Auschwitz bauen. [...]" (zit. nach „Kleine Zeitung" vom 17.9.2008)
Die Pläne für den Bau eines Möbelhauses wurden zwar aufgegeben, frei zugänglich und als Erinnerungsort erkennbar ist das Areal aber noch immer nicht.
Besuchsmöglichkeiten bestehen jedoch nach Anmeldung beim Bürgermeister der Gemeinde Visco: [email protected]
Literatur / Medien:
Bundesarchiv (Hg.): Europa unterm Hakenkreuz - Die Okkupationspolitik des deutschen Faschismus in Jugoslawien, Griechenland, Albanien, Italien und Ungarn (1941 - 1945), Dokumentenauswahl und Einleitung von Martin Seckendorf unter Mitarbeit von Günter Keber, Jutta Komorowski, Horst Muder, Herbert Stöcking und Karl Übel, Berlin 1992; Capogreco, Carlo Spartaco: I campi del duce - L'internamento civile nell'Italia fascista (1940-1943), Turin 2004, S. 263f.; Pahor, Boris: Triangoli Rossi - I campi di concentramento dimenticati, Mailand 2015; campoconcentramentovisco.altervista.org; de.wikipedia.org/wiki/KZ_Visco; pg89gonars.jimdo.com/visco-1942-43; campifascisti.it/scheda_campo.php?id_campo=138; www.kleinezeitung.at/politik/4516815/Udine_ExKonzentrationslager-soll-Moebelhaus-werden