Bezirk Alytus
Die Stadt
Varėna liegt im Südosten Litauens und ist mit 9.240 Einwohnern (2011) Sitz und Verwaltungszentrum des gleichnamigen Amtsbezirks Varėna. Dieser gilt mit seinem Nationpark Dzūkija und dem Reservat Čepkeliai als die waldreichste Region Litauens. Varėna erreicht man von Vilnius aus auf der A4 in ca. 50km bis zur Abfahrt Senoji Varėna. Varėnas Bewohnerzahl war Ende des 19. Jahrhunderts nach dem Anschluss an das russische Eisenbahnnetz stark angestiegen, über die Hälfte waren jüdische Einwohner. Im Ersten Weltkrieg wurde die Stadt erheblich zerstört, zahlreiche Bewohner verließen die Stadt. Auch die jüdische Bevölkerung reduzierte sich auf ungefähr 70 Familien. Nach dem Polnisch-Sowjetischen Krieg 1920 wurde die Stadt von Polen annektiert, 1923 zwischen Polen und Litauen schließlich aufgeteilt. Die Grenzlinie verlief entlang dem Fluss Merkys und teilte die Stadt in zwei Teile: in das litauische und in das polnische Varėna. Der Großteil der Juden blieb in der litauischen Stadt. Erst 1939 wurde die Stadt im Rahmen des Hitler-Stalin-Pakts wieder unter litauischer Herrschaft vereint.
Die Ereignisse
Unmittelbar nach dem Einmarsch der deutschen Truppen in die Stadt am 26. Juni 1941 gründeten sich innerhalb der litauischen Bevölkerung in Varėna so genannte „Aktivisten“, die unmittelbar mit der Verfolgung der Kommunisten und ihrer Sympathisanten begannen. Im Laufe der folgenden Wochen wurden auf Befehl des litauischen Polizeichefs alle jüdischen Männer der Stadt unter Erniedrigung und Gewalt zu harter Arbeit gezwungen. Junge Männer wurden unter dem Vorwand von Arbeitseinsätzen selektiert und auf dem Weg in das Gefängnis von Alytus oder an ungekannten Orten ermordet. Am 8. September 1941 wurde die verbliebene jüdische Bevölkerung von litauischer Polizei und „Weißarmbindern“ in der Synagoge zusammengetrieben und dort zwei Tage gefangen gehalten, bis sie am 10. September im Wald nahe der Ortschaft Druckūnai ermordet wurde. Am 14. September 1941 verurteilte der Priester Jonas Gylys in einer Predigt die Tat: „Unschuldige Menschen wurden von uniformierten Litauern geschlagen, alte Leute und schwangere Frauen wurden herumgestoßen und der Wald von Varėna war mit unschuldig vergossenem Blut bedeckt. Sie litten sehr unter den Schurken. Noch bevor ihr Blut getrocknet war, wurde ihr Eigentum geplündert“ und er bezeichnete die litauischen Täter als „Henker“ (Dieckmann 2011). Der Priester musste 1942 die Stadt verlassen. Täter des Massakers waren im Auftrag des Rollkommandos Hamann der Chef der Sicherheitspolizei der Region Alytus, Pranas Zenkevičius, mit einer 30 bis 40 Mann starken Hilfstruppe aus Alytus und weiteren örtlichen Kollaborateuren. Der Jäger-Bericht vom 31.12.1941 listet für den 10.09.1941 831 ermordete Juden auf: 541 Männer, 141 Frauen und 149 Kinder. In dieser Zahl sind die zuvor ermordeten Juden nicht enthalten.
Gedenken
Der Gedenkort liegt im Wald zwischen Senoji Varėna und dem Dorf Ežeriekai. Im Kreisverkehr Senoji Varėna nimmt man die erste Ausfahrt rechts auf die Straße Nr.127 in Richtung Alytus. Nach knapp 300 Metern biegt man links in einen großen Schotterweg ein (ein großes Holzkreuz steht am Abzweig). Diesem Weg folgt man ca. 1,4km (GPS: 54.26490639 24.52294972 bzw. 54°15.8944'N 24°31.3770'E) und biegt links in einen kleinen Waldweg. Nach ca. 300m stößt man auf einen schwarzen Markstein (60m bis zum Gedenkort). Auf dem Gedenkstein steht in Litauisch und Jiddisch: „Die Hitler-Mörder und ihre lokalen Kollaborateure ermordeten an diesem Ort 1941 360 Juden – Männer, Frauen und Kinder.“
54.26501306 24.51818639 / 54°15.9008'N 24°31.0912'E
Literatur / Medien
Bubnys, Arūnas: Holocaust in Lithuanian Province in 1941, 2003, abrufbar unter http://www.docscopic.pdf; Dieckmann 2011, Bd. 2, S. 906; Holocaust Atlas 2011, S. 26; Wette 2011: Karl Jäger (Jäger-Bericht im Anhang Blatt 4).
http://www.holocaustatlas.lt/EN/Varėna//item/40/
http://kehilalinks.jewishgen.org/aran/aran32.html (Josef Rosin: Aran/Varėna)
http://www.yadvashem.org/untoldstories/database/index.asp?cid=665
http://www.yadvashem.org/untoldstories/database/murderSite.asp?site_id=846
http://www.iajgs.org/cemetery/lithuania/varena.html
http://www.vilnaghetto.com/gallery2/v/vilna/album55/Litauen_Selbstschutz_Varena.jpg.html (Foto)
Foto: Kluvik Archives, Chronicles of the Vilna Ghetto, Lithuanian Hiwis, p. 5