Region Thessalien / Regionalbezirk Larissa

Holocaust Memorial LarissaDer Ort
Larissa (auch: Larisa) ist mit 162.591 Einwohner/innen (Stand 2011) die Hauptstadt der griechischen Region Thessalien. In der ehemals größten thessalischen jüdischen Gemeinde leben heute noch etwa 330 Jüdinnen und Juden.
Larissa liegt an der Autobahn A1 Athen (350 km) - Thessaloniki (150 km).

Die Ereignisse
Nach dem deutschen Überfall auf Griechenland wurde Larissa von Truppen des italienschen „Achsen-Partners“ besetzt (siehe: Besatzungszonen Griechenlands). Diese unterhielten seit August des Jahres 1941 ein Geiselhaftlager/Konzentrationslager in Larissa. Nach Unterlagen der Nationalen Hellenischen Behörde für Kriegsverbrechen (Office National Hellénique des Criminels de Guerre, ONHCG) wurden dort bereits 1942 über 250 Gefangene ohne Prozess exekutiert.
Nach dem Kriegsaustritt Italiens am 8. September 1943 übernahmen die Deutschen das Lager von Larissa. „Im April 1944 waren die Gefangenen 1.350, davon 60 Frauen und 20 Kinder unter 12 Jahren. Das Rote Kreuz meldet, dass im Lager 2.538 Leute gefangen waren. 1.218 während der italienischen Verwaltung (29 Monate) und 1.365 während der deutschen (11 Monate). Aus derselben Quelle werden die von den Nazis Exekutierten auf 1.210 berechnet“ (Schwarzbuch Besatzung, S. 95).
Museum des Nationalen WiderstandsAuch die unter italienischer Ägide verübten Geiselerschießungen wurden in enger Zusammenarbeit mit dem deutschen Befehlshaber in Griechenland vorgenommen, so etwa nach einem Anschlag auf die Eisenbahntrasse nördlich von Larissa (Nessou, S. 122).
Im siebten Nachfolgeverfahren der Nürnberger Prozesse (auch: Fall 7, Geiselmord-Prozess und Prozess Generäle in Südosteuropa), in dem sich Generalfeldmarschälle und Generäle der Wehrmacht wegen Kriegsverbrechen in den besetzten Ländern Jugoslawien, Albanien und Griechenland zu verantworten hatten, erfolgte die Verurteilung General Speidels u.a. wegen einer Vielzahl von Geiselerschießungen, darunter auch der am 2. April 1944 verübten Ermordung an 65 Menschen aus Larissa, die das Gericht als kaltblütigen Massenmord wertete (Zöller / Leszczynski, S. 172).

Deportation der Jüdinnen und Juden
Bereits nach den verheerenden Nachrichten aus Thessaloniki über die Deportationen der dortigen Juden in deutsche Vernichtungslager ab März 1943 (siehe auch: Judenverfolgung in Griechenland) riet der Rabbiner von Larissa, Cassuto, den Menschen zur Flucht. Mit dem Kriegsaustritt des deutschen „Achsen-Partners“ Italien am 8. September 1943 verlor auch die italienische Zone für die dorthin geflüchteten Juden ihren Asylcharakter, sodass die deutschen Behörden begannen, die „Endlösung der Judenfrage“ auf die etwa 13.000 jüdischen Einwohner/innen des ehemaligen italienischen Einflussbereiches auszudehnen. Am 3. Oktober 1943 verordnete der Höhere SS- und Polizeiführer Jürgen Stroop die Meldepflicht aller jüdischen Bewohner.
Rabbi Cassuto verweigerte (wie in Volos Mosche Pessach) die Herausgabe des Namensregister der Jüdischen Gemeinde, und nur relativ wenige Menschen kamen der Registrierungsauforderung trotz Androhung drastischer Strafen nach. Cassuto und dem Großteil der Mitglieder der Jüdischen Gemeinde gelang es danach, sich aus Larissa abzusetzen. Sie fanden mehrheitlich in Orten des ELAS-kontrollierten Freien Griechenlands Aufnahme, wo sie bis zum Ende der deutschen Besatzung Griechenlands blieben.

Anne-Frank-SteleVon den etwa 1.120 Juden aus Larissa fielen deshalb „nur“ 240 Menschen den Besatzern bei den Verhaftungen in die Hände, die Sicherheitspolizei (SP), Sicherheitsdienst (SD) und Angehörige der Wehrmacht in der Nacht vom 24. auf den 25. März 1944 - dem griechischen Nationalfeiertag und jüdischen Pessach-Fest - durchführten. Sie wurden aus ihren Häusern abgeführt und vorerst in einem Sammellager untergebracht. Parallel dazu fanden auf der Suche nach Juden großangelegte Razzien in Thessalien, im Epirus und auf der Peloponnes statt. Auch die in Volos, Trikala und Ioannina verhafteten Juden wurden in das Sammellager nach Larissa gebracht. Der Deportationszug, der am 2. April 1944 Athen in Richtung Auschwitz-Birkenau verließ, hielt in Larissa. Hier wurde der Zug um eine große Anzahl von Viehwaggons verlängert, um alle in Larissa inhaftierten ca. 2.400 Juden aufzunehmen. Nach neuntägiger Fahrt traf der Zug in der Nacht vom 10. zum 11. April in Auschwitz-Birkenau ein, wo das Gros der Menschen - etwa 4.000 - unverzüglich ins Gas geschickt wurde.
Von den 240 aus Larissa stammenden deportierten Jüdinnen und Juden überlebten den Holocaust nur fünf.

Gedenken
Holocaust Memorial
Im Jahr 1987 wurde im Stadtzentrum auf dem Platz der Jüdischen Märtyrer des Holocaust (Plateia Ewreon Martyron tou Olokaftomatos) das Holocaust-Denkmal errichtet. Damit erinnert die Jüdische Gemeinde Larissas „an die 235 unschuldigen Juden Larissas und ihre 6.000.000 Brüder, die Opfer des grausamen Genozids in den Nazi-Lagern wurden“.
Ganz in der Nähe befindet sich mit der Etz Hayyim Synagoge die letzte der vormals sieben Synagogen Larissas (Kentavron 29).

Anne-Frank-Stele
Im Jahr 1999 wurde an einem auch nach ihr benannten Platz eine Gedenkstele für Anne Frank errichtet.

Museum des Nationalen Widerstands Thessaliens
In einem Gebäude des noch unter den Türken errichteten alten Gefängnisses von Larissa, das als Pulverlager genutzt wurde, befindet sich das noch im Aufbau befindliche Museum des Nationalen Widerstands Thessaliens.

Denkmal des Nationalen Widerstands (mit Graffities)Widerstands-Denkmal
Im Alcazar-Park, der größten Parkanlage Larissas, steht das Denkmal des Nationalen Widerstands. Es wurde 1991 von dem aus Larissa stammenden Künstler Philolaos Tloupas (1923-2010) geschaffen. Seine glatte, metallische Oberfläche zieren leider viele Graffities.

Literatur / Medien:
Fleischer, Hagen: Griechenland, in: Benz, Wolfgang (Hg.): Dimension des Völkermords - die Zahl der jüdischen Opfer des Nationalsozialismus, München 1996, S. 241-274; Lustiger, Arno: Rettungswiderstand - über die Judenretter in Europa während der NS-Zeit, Göttingen 2011 (Griechenland S. 267-280); Nationalrat für die Entschädigungsforderungen Griechenlands an Deutschland (Hg.): Schwarzbuch Besatzung, 3. Auflage, Athen 2012; Nessou, Anestis: Griechenland 1941-1944, Deutsche Besatzungspolitik und Verbrechen gegen die Zivilbevölkerung - eine Beurteilung nach dem Völkerrecht, Göttingen 2009; Zöller, Martin / Leszczynski, Kazimierz (Hg.): Fall 7. Das Urteil im Geiselmordprozess, Berlin 1965; Central Board of Jewish Communities in Greece - Larisa; de.wikipedia.org/wiki/Larisa;
db.yadvashem.org/deportation/transportDetails.html?language=en&itemId=11117916