Stele Camp AlliersDer Ort
Im früheren Sillac-les-Alliers befand sich von 1940 – Ende Mai 1946 ein Lager für „nomades“ (‚Landfahrer‘, Sinti und Roma). Der frühere Vorort liegt heute im Gewerbegebiet ‚Zone industrielle Rabion‘ von Angoulême. Eine Stele erinnert an die Internierten des Lagers.

 

Die Ereignisse
Im Juli 1938 hatte der Präfekt der Charente den Bau eines Lagers angeordnet. Ab Juli 1939 wurden republikanische Spanier interniert, die vor den Franco-Truppen geflohen und im August 1940 von der deutschen Besatzung in das KZ Mauthausen deportiert worden waren (vgl. Angoulême-Bahnhof und Retirada).

Internierungslager Les Alliers
Im Mai 1940 hatte die Regierung der französischen Republik ‚aus Gründen der nationalen Sicherheit und zum Schutz vor Verrat‘ allen nichtsesshaften ‚Nomades‘ das Umherziehen verboten und ihnen Zwangswohnorte zuweisen lassen. Entsprechend dem Befehl des Militärbefehlshabers in Frankreich vom 4. Oktober 1940 forderte die Kommandantur von Angoulême den Präfekten auf, alle „Zigeuner“ (also auch die Sesshaften mit Beruf etc.) der Departements Charente und Charente-Maritime unter Aufsicht der französischen Polizei zu internieren und in einem Lager zu konzentrieren.

Auf dem befohlenen Weg ins LagerZunächst wurden den Familien Zwangswohnorte zu gewiesen, die sie nicht verlassen durften. Dann wurden nach und nach etwa 450 ‚Nomades‘/‚Tsiganes‘/Sinti und Roma in dem Lager interniert, fast immer familienweise, über die Hälfte waren Kinder. Schon im September 1940 waren etwa 60 aus Lothringen ausgewiesene Sinti und Roma (‚Tsiganes‘, Zigeuner) in das Lager gebracht worden (vgl. auch Sachstichwort ‚Sinti und Roma).

Buchtitel PiganiBeispiel: „Die Familie von A. wohnte in Saint-Jean d'Angély (Charente-Maritime); ihr wurde zunächst das 33 km entfernte Saint-Germain-de-Marencennes als Zwangswohnort zugewiesen, dann wurde sie in das Internierungslager Camp des Alliers bei Angoulême eingewiesen, ca. 100 km entfernt; sie mussten viele Strecken … barfuß gehen“ (nach dem Buch von Paola Pigani).

 

Zustände im Lager
Es gab unzureichende und einseitige Ernährung, die hygienischen Verhältnisse waren schlimm, die französischen Behörden waren überfordert. Viele litten unter Hunger und Krankheiten und an der zwangsweisen Sesshaft-Machung, ihre Pferde und Planwagen (‚roulottes‘) hatten sie abgeben müssen. Ein Arzt der deutschen Feldkommandantur, der das ‚Konzentrationslager für Nomaden‘ im Dezember 1940 besuchte, fand die „Lage skandalös, … und im Widerspruch zur Menschenwürde“, er forderte ein sofortiges Eingreifen des Präfekten und warnte vor dem Ausbruch von Infektionskrankheiten. (https://prisons-cherche-midi-mauzac.com/tag/sillac-les-alliers)

Auflösung des Lagers Alliers im Mai 1946
Weder die Befreiung Angoulêmes Anfang September 1944 noch das Kriegsende am 8.Mai 1945 bedeutete das Ende der Lagerhaft. Im Gegenteil wurden im Januar 1945 Gefangene aus dem Lager Montreuil-Bellay (Pays de la Loire) hierher gebracht. Erst im Mai 1946 wurden die letzten Internierten entlassen und das Lager Alliers geschlossen (zu den Erklärungsversuchen vgl. Sachstichwort ‚Sinti und Roma‘). Alle ihre Habe – u.a. Planwagen und Pferde – war weg. Sie bekamen keinerlei Hilfe, keine Entschädigung, sie mussten ihr Leben wieder bei Null anfangen.

Gedenken und Ehrung
Von dem Lager gibt es keine Spuren mehr. Es befindet sich heute in dem Gewerbegebiet ‚Zone industrielle Rabion‘ im Südwesten Angoulêmes. Im Dezember 2016 wurde eine bescheidene Stele errichtet – notdürftig geschützt gegen die vorbeidonnernden LKW.

Stele Camp AlliersAuf dem Gedenkstein ist zu lesen: „An diesem Ort, genannt ‚Lager Alliers‘, wurden zwischen November 1940 und Mai 1946 ungefähr 450 Tsiganes („Zigeuner“) aus Lothringen, Charente und Charente-Maritime zusammengefasst und von der französischen Regierung unter inakzeptablen Bedingungen festgehalten. Vorher war dieses Lager mit spanischen Flüchtlingen belegt, von denen einige im August 1940 in das KZ Mauthausen deportiert wurden.“

Im September 2013 ernannte der Bürgermeister von Angoulême die 88jährige Alexienne Winterstein, die Protagonistin im Buch von Paola Pigani, zur Ehrenbürgerin der Stadt – sie hatte von 1940 bis 1946 in dem Lager leben müssen. 

Literatur/Medien
Pigani, Paola: N'entre pas dans mon âme avec tes chaussures, Paris 2013
http://www.ajpn.org/internement-Camp-des-Alliers-a-Sillac-les-Alliers-4.html
http://www.lianalevi.fr/userfiles/n%27entrepas-lacharentelibre.pdf
https://www.sudouest.fr/2013/09/27/ils-sont-nos-indiens-alexienne-citoyenne-d-honneur-1181868-813.php
http://www.lalpha.org/fr/node/1552#.W3MP-bknZok
http://www.sudouest.fr/2014/04/02/la-prison-des-tsiganes-1512584-813.php
http://vdujardin.com/blog/tag/camp-des-alliers/
http://perignystory.e-monsite.com/pages/content/le-camp-des-alliers.html
http://www.memoires-tsiganes1939-1946.fr/steles.html