Litauen als deutsches Besatzungsgebiet 1941–1944

Litauen, der südlichste der drei baltischen Staaten, grenzt im Osten und Südosten an Weißrussland, im Südwesten an Polen und an die russische Enklave um Kaliningrad. Die Küste der Ostsee bildet die Westgrenze, im Norden liegt Lettland. Litauen war von 1918 bis 1940 eine eigenständige Republik. Nach einem Jahr Sowjetrepublik 1940/1941 und drei Jahren deutscher Besatzung von 1941 bis 1944 während des Zweiten Weltkriegs wurde das Land von 1944 bis 1990 erneut Teilrepublik der Sowjetunion (Litauische Geschichte, Sowjetrepublik Litauen, Besatzungsverwaltung). Litauen ist seit 1990 eine unabhängige parlamentarische Demokratie und seit 2004 Mitglied der Europäischen Union.

Die deutsche Besatzung in Litauen während des Zweiten Weltkriegs begann am 22. Juni 1941 mit dem deutschen Überfall auf die Sowjetunion und endete im Herbst 1944 mit dem Sieg der Roten Armee über die deutschen Truppen (Befreiung). Der deutsche Einmarsch war Bestandteil des gegen die Sowjetunion gerichteten Eroberungs- und Vernichtungskrieges des faschistischen Deutschland. Im Rahmen der auf Gesamt-Osteuropa gerichteten Eroberungspläne gehörte die spätere Annexion der drei baltischen Staaten Litauen, Lettland und Estland zur Zielsetzung der deutschen Ostpolitik. Das Gebiet dieser Staaten sowie Weißrusslands wurde während der deutschen Okkupation von einem „Reichskommissariat Ostland“ verwaltet, das dem „Reichsministerium für die besetzten Ostgebiete“ (RMO) in Berlin unterstand.

Die Eroberung der baltischen Staaten, die von den deutschen Streitkräften innerhalb weniger Tage in Richtung Leningrad (St. Petersburg) durchquert wurden, war Aufgabe der Heeresgruppe Nord der Wehrmacht unter dem Befehl des Generalfeldmarschalls Wilhelm Ritter von Leeb. Das „Reichskommissariat Ostland“ unter dessen Chef Hinrich Lohse und die SS-Einsatzgruppe A unter Leitung von Walter Stahlecker hatten ihren Dienstsitz in der lettischen Hauptstadt Riga. Litauen bildete eines von vier Generalkommissariaten und war auf der Ebene der Landkreise in Gebiets- und Stadtkommissariate eingeteilt (deutsche Zivilverwaltung). Generalkommissar für Litauen wurde Adrian von Renteln, ein altgedienter NSDAP-Funktionär. Ziel der deutschen Besatzungspolitik war – neben der militärischen Beherrschung (Wehrmacht) und der Sicherung des Gebiets für die weitere Eroberung der Sowjetunion – die wirtschaftliche Ausbeutung, die nicht zuletzt die Versorgung der in Litauen stationierten Truppen, der SS und der Besatzungsverwaltung „aus dem Land“ sicherstellen sollte. Gleichzeitig sollten national-litauische Bestrebungen und jede Art von Widerstand ausgeschaltet werden. Dies schloss – entsprechend dem von der deutsch-faschistischen Ideologie propagierten rassistischen Bild vom „Todfeind“ des jüdischen Bolschewismus – von Anfang an die Vernichtung von Kommunisten und vor allem der jüdischen Bevölkerung und der Roma ein. (Holocaust in Litauen)

Die Bilanz der deutschen Besatzung in Litauen, die mit dem siegreichen Vormarsch der Roten Armee in Litauen im Sommer und Herbst 1944 ihr Ende fand (Befreiung), war für Litauen verheerend:

  • SS und deren Spezialkommandos sowie die deutsche Besatzungsverwaltung hatten, unterstützt von massiver litauischer Kollaboration, innerhalb von drei Jahren fast alle als litauische Bürger im Land lebenden Juden – ungefähr 220.000 Frauen, Männer und Kinder – ermordet; tausende Juden aus anderen besetzten Ländern und aus Deutschland waren nach Litauen geflohen oder dorthin deportiert und ebenfalls getötet worden.
  • Unter Verantwortung der deutschen Wehrmacht hatten ungefähr 170.000 sowjetische Kriegsgefangene in Lagern und bei Zwangsarbeit durch unmittelbare Mordaktionen, durch Misshandlung und durch planvolles Massensterben infolge von Hunger und Seuchen ihr Leben verloren.
  • Tausende von Zivilisten – Frauen und Männer – waren in das damalige deutsche Reichgebiet deportiert und als Zwangsarbeiter vor allem in der Rüstungsindustrie und der Landwirtschaft eingesetzt worden.
  • Das Land war verwüstet, die Wirtschaft des Landes ausgeblutet, gesellschaftliches Leben und Kultur lagen am Boden, die Infrastruktur, Städte und Dörfer waren zerstört.
     

Die unter deutscher Verantwortung verübten Kriegs- und Besatzungsverbrechen in Litauen sind Thema dieses Teils des Internetportals Gedenkorte Europa. Die Darstellung der Gedenkorte folgt der regionalen Verwaltungsstruktur Litauens, die im Abschnitt Sachstichworte erläutert wird; es schließen sich Kurzbiographien einerseits zu Opfern, Überlebenden, Widerstand und RetterInnen sowie zu Tätern und Kollaborateuren an. Die Zeittafel soll einen kursorischen geschichtlichen Überblick ermöglichen.

Wegen der verkürzten Zitierweise häufig genannter Literatur wird gebeten, die Vorbemerkung zum Literaturverzeichnis zu beachten.

Literatur / Medien
Bartusevičius, Vincas / Tauber, Joachim / Wette, Wolfram (Hg.): Holocaust in Litauen. Krieg, Judenmorde und Kollaboration im Jahre 1941, Köln u.a. 2003; Benz, Wolfgang / Neiss, Marion (Hg.): Judenmord in Litauen, Berlin 1999; Dieckmann, Christoph: Deutsche Besatzungspolitik in Litauen 1941–1944, 2 Bde., Göttingen 2011; Gräfe, Karl Heinz: Vom Donnerkreuz zum Hakenkreuz. Die baltischen Staaten zwischen Diktatur und Okkupation, Berlin 2010; Klee, Ernst: Das Personenlexikon zum Dritten Reich. Wer war was vor und nach 1945, Frankfurt/M. 2003; Ueberschär, Gerd R. / Wette, Wolfram (Hg.): Der deutsche Überfall auf die Sowjetunion. "Unternehmen Barbarossa" 1941, Frankfurt/M. 1991.
https://de.wikipedia.org/wiki/Litauen