Walter Stahlecker (1930)Walter Stahlecker, zuletzt SS-Brigadeführer, geboren am 10. Oktober 1900 in Sternenfels bei Maulbronn, aufgewachsen in einem streng deutsch-nationalen Elternhaus in Tübingen. Nach dem Abitur begann er eine Juristenausbildung, die er 1927 mit Promotion abschloss. Als Mitglied des rechtsradikalen Tübinger Studentenkorps und anderer militant nationalistischer Organisationen vertiefte er seine antidemokratischen und rassistischen Vorstellungen. Bereits 1921 trat er der NSDAP bei. Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten begann für den Karrieristen Stahlecker eine steile Karriere. Im Mai 1934 wurde er Chef des Württembergischen Politischen Landespolizeiamtes, das ab 1936 die Dienstbezeichnung „Geheime Staatspolizei – Stapo Leitstelle Stuttgart“ führte. Als Chef der Gestapo war er für den innenpolitischen Terror in Württemberg direkt verantwortlich und es gelang ihm, erfolgreich gegen vor allem kommunistische Widerstandsgruppen vorzugehen und diese weitgehend zu zerschlagen. Im Mai 1937 wurde er in gleicher Funktion nach Breslau versetzt. Nach dem „Anschluss“ Österreichs (März 1938) wurde Stahlecker zum Inspekteur der Sicherheitspolizei (SiPo) und des Sicherheitsdienstes (SD) für Österreich ernannt. Hier organisierte er zusammen mit Adolf Eichmann die Deportation der österreichischen Juden. Im September 1938 hatte Stahlecker seinen ersten Einsatz als Leiter einer Einsatzgruppe beim Einmarsch ins Sudetenland, seinen zweiten bei der Besetzung der Tschechoslowakei im März 1939, wo er von Reinhard Heydrich Anfang Juni 1939 als Befehlshaber der SiPo und des SD im „Protektorat Böhmen und Mähren“ in Prag eingesetzt wurde. Nach kurzfristiger Station im 1940 eben besetzten Norwegen wurde er Ministerialrat von Heydrich im Auswärtigen Amt in Berlin. Dort war er spätestens seit Ende März 1941 an den vorbereitenden Arbeiten für den Angriff auf die Sowjetunion beteiligt.

Zeitgleich mit dem deutschen Überfall auf die Sowjetunion im Juni 1941 wurde Stahlecker Leiter der Einsatzgruppe A – „ … und konnte erneut seine vielseitige Verwendbarkeit unter Beweis stellen. […] Nun entfaltete er … ein mörderisches Treiben, das alles Bisherige in den Schatten stellen sollte“ (Brüggemann Leseprobe).
Diese Einsatzgruppe A mit ca. 1.000 Angehörigen der Sicherheitspolizei war zuständig für das Gebiet der baltischen Staaten und Weißrussland (RKO) und war vorrangig für die Vernichtung der jüdischen Bevölkerung und kommunistischer Aktivisten in diesen Ländern verantwortlich. In Litauen führten vor allem das der Einsatzgruppe A unterstehende Einsatzkommando 3 unter dessen Chef Karl Jäger die systematischen Massenexekutionen durch (Jäger-Bericht). Zwei Berichte Stahleckers an das Reichssicherheitshauptamt von Oktober 1941 und Februar 1942 (Stahlecker-Bericht) heben u.a. die gute Zusammenarbeit der Einsatzgruppe mit der Wehrmacht hervor und schildern die gegen die litauischen Juden und Kommunisten gerichteten Vernichtungsaktionen. So meldete Stahlecker in seinem Bericht vom Februar 1942 die „stolze“ Zahl von 240.410 Menschen, die seinen Einsatzkommandos bislang zum Opfer gefallen seien. Stahleckers Berichte geben darüber hinaus eine Analyse der Gegebenheiten vor Ort wieder, Lageberichte nach Land unterteilt, und befassen sich auch mit wirtschaftlichen und kulturellen Fragen, um daraus die von deutscher Seite zu unternehmenden Schritte abzuleiten. Stahleckers Berichte, so Brüggemann, wurden in Berlin hoch geschätzt und empfahlen ihn als Führungspersönlichkeit für höhere Aufgaben (Brüggemann Leseprobe).

Seine mörderische Karriere endete am 23. März 1942 abrupt. Er erlag seinen Verwundungen nach einem Gefecht mit sowjetischen Partisanen.


Literatur / Medien
Brüggemann, Siegrid: Walter Stahlecker. Chef der Gestapo in Stuttgart und Massenmörder, in Abmayr, Hermann G. (Hg.): Stuttgarter NS-Täter. Vom Mitläufer bis zum Massenmörder, Stuttgart 2009 (Leseprobe unter http://Brüggemann_Stahlecker); Dieckmann 2011, Bd. 1 S. 290ff., S. 315ff; Bd. 2, S. 795ff.; Gräfe 2010: Vom Donnerkreuz zum Hakenkreuz, S. 440f.; Klee, Ernst: Das Personenlexikon zum Dritten Reich, Frankfurt/M. 2003; Hans-Joachim Lang: Die mörderische Karriere des Walter Stahleckers, in: Erinnern gegen den Schlußstrich. Zum Umgang mit dem Nationalsozialismus, Freiburg i.Br. 1997 (= Geschichtswerkstatt, Bd. 29), S. 147–156; „Stahlecker-Bericht“, Auszüge in: Klee, Ernst / Dreßen, Willi / Rieß, Volker (Hg.): "Schöne Zeiten" – Judenmord aus der Sicht der Täter und Gaffer, Frankfurt/M. 1988, S. 32ff.

https://en.wikipedia.org/wiki/Franz_Walter_Stahlecker (Foto)
http://www.holocaustresearchproject.org/einsatz/lithuaniamurders.html
http://www.doew.at/stahlecker-bericht-auszug (Auszug des Stahlecker-Berichts vom 15.10.1941)
https://www.leo-bw.de/Stahlecker+Walter+Franz

Der vollständige Stahlecker-Bericht vom 15.10.1941 ist nachzulesen auf der Yad Vashem Homepage, Digital Collections, The Documents Archive, Search for Stahlecker. Beispiele entnommen von Yad Vashem, Nazi Documentation Collection, File Number 18, Item ID 3685477:
"Deckblatt" Stahlecker-Bericht:
http://207.232.26.150/documentation1/2/3685477_03052442/00003.JPG
„Übersicht“, S. 1, s.o.:
http://207.232.26.150/documentation1/2/3685477_03052442/00004.JPG
„Bekämpfung des Kommunismus“, S. 24, s.o.:
http://207.232.26.150/documentation1/2/3685477_03052442/00029.JPG
„Bekämpfung des Judentums“, S. 30, s.o.:
http://207.232.26.150/documentation1/2/3685477_03052442/00035.JPG