Region Hauts-de-France/Nord – Pas-de-Calais, Departement Nord
          
Der Ort
Großstadt mit 233890, im Großraum 1,1 Mio Einwohner/innen (2014), Hauptstadt der Region Nord – Pas-de-Calais und des Departements Nord, bedeutende Textilindustrie, Geburtsort de Gaulle's. Bahnhof TGV/Eurostar London, Brüssel, Paris. Mit dem Auto von Brüssel 112 km (N 7/A 27), von Paris 250 bzw 272 km (A 1 [Maut] bzw. N 2).
 
Die Ereignisse
Besatzung: Militärbefehlshaber Brüssel, verbotene Zone
Die Stadt wurde im 2. Weltkrieg am 1. Juni 1940 besetzt. Sie lag jetzt in der dem deutschen Militärbefehlshaber in Belgien unterstellten, von Frankreich abgetrennten „verbotenen“ Zone, in die die Evakuierten und Geflüchteten zunächst nicht zurückkehren durften. Der Militärbefehlshaber Frankreich in Paris und die Vichy-Regierung hatten nichts zu sagen (das änderte sich schrittweise erst ab 1943). In Lille residierte die Oberfeldkommandantur 670 (OFK 670) mit General Niehoff an der Spitze; auch SiPo-SD/Gestapo und viele andere deutsche Stellen waren in der Stadt vertreten.
 
In der Zitadelle ErschosseneWiderstand und RepressionDenkmal Netzwerk Sylvestre-Farmer
Erste Zeichen waren Untergundzeitungen, z.B. Voix du Nord und Flugblätter sowie Sammeln mitlitärischer Informationen; im November 1940 wurden Kabel im Vorort La Madeleine durchtrennt.
Auf den Bergarbeiterstreik 1941 in Nordfrankreich (vgl. z.B. Montigny-en-Gohelle) mit bis zu 100000 Streikenden reagierte die OFK mit Massenverhaftungen, Deportationen und Erschießungen; die Kléber-Kaserne in Lille wurde in ein Internierungslager umgewandelt. Von den 450 Verhafteten wurden über 240 in deutsche KZ deportiert.
Zwischen August und November 1941 wurden als Repressalie 50 Personen in Lille verhaftet und 25 Geiseln erschossen, u.a. in der Zitadelle von Lille.
 
Ab Februar 1943 führte das - vom britischen SOE unterstützte - Netzwerk Sylvestre-Farmer unter Michel Trotobas alias Capitaine Michel sehr präzise und wirkungsvolle Sabotagen an Eisenbahnstrecken, Bahnhöfen, Kraftstoffdepots und Kraftwerken durch; Synagoge; Quelle: Velvet Wikipedia CC BY-SA 3.0Capitaine Michel wurde am 27. November 1943 bei seiner Verhaftung am Boulevard de Belfort in Lille erschossen. Das Netzwerk konnte nach kurzer Unterbrechung seine Tätigkeit fortführen. Das Denkmal des Réseau Sylvestre Farmer du Capitaine Michel befindet sich auf dem Südfriedhof, 91 Rue du Faubourg des Postes, im Quadrat PQ 92.
 
Judenverfolgung und -DeportationGedenktafel deportierte jüdische Kinder
Bei den Razzien durch die Feldgendarmerie und Gestapo am 11. September 1942 in der Region wurden 528 jüdische Menschen verhaftet und über Malines/Mechelen (Belgien) in das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau deportiert. Darunter waren 73 Kinder zwischen 3 Monaten und 17 Jahren aus Lille, nur neun überlebten. Am 9. Mai 2016 wurde am Bahnhof Lille Saint-Sauveur eine Gedenktafel enthüllt; Text der Inschrift: „Im Gedenken an die Kinder der Stadt Lille, die deportiert wurden, um in Auschwitz ermordet und vergast zu werden, weil sie als Juden geboren waren, unschuldige Opfer der Nazi-Barbarei …Die meisten Kinder aus Lille waren bei der Gestapo-Razzia am 11. September verhaftet worden. Verhaftungen gab es auch vorher und nachher. …. Andere Kinder aus Lille wurden mit Hilfe der Vichy-Behörden verhaftet und von Angers über Drancy deportiert. Vergessen wir es niemals!“ 34 Kinder waren vor ihrer Deportation von Eisenbahnern in Sicherheit gebracht und gerettet worden. 

Befreiung
Am 1. September beschlossen die Widerstandsbewegungen den Aufstand. In der Stadt griffen sie deutsche Objekte und Konvois an, die in Richtung Belgien abzogen. Sie konnten aber die Abfahrt des letzten Deportationstransports mit über 870 Widerständlern und Geiseln am 1. September vom Gefängnis Lille-Loos in die Konzentrationslager nicht verhindern; s. näheres bei Loos (Nord). Am 3. September1944 wurde Lille befreit.
 
GedenkenWiderstands- und Deportationsdenkmal Noble Tour
Memorial de la Résistance de Noble Tour, Mémorial départemental de la Résistance et de la Déportation, Rue des Déportés: In dem ursprünglich 1402 erbauten Turm befinden sich unter der gotischen Kuppel eine Urne, die das Martyrium der Deportierten symbolisiert; sie enthält Asche und Knochenreste von Personen, die in den Todeslagern gestorben sind; ihre Namen befinden sich auf der Abdeckplatte: http://www.cheminsdememoire.gouv.fr/de/gedenkstaette-fuer-den-widerstand-noble-tour (dt.); vgl. auch das Widerstandsmuseum in Bondues (14 km), 16 Place de l'Abbé Bonpain, www.ville-bondues.fr/museedelaresistancedeutsch.html
 
Literatur/Medien
Dejonghe, Étienne/Le Maner, Yves: Le Nord – Pas-de-Calais dans la main allemande 1940-1944, Lille 1999
Dictionnaire historique de la Résistance, Paris 2006, S. 141f., 161f.,
Petit Futé. Guide des lieux de mémoire, Paris 1995, S. 291f.; Ausgabe 2013/2014, S. 155f.
Schmid, Carlo: Erinnerungen, München 1981 (Goldmann Taschenbuch), S. 175-212 (Zeit beim OFK in Lille)
http://mvr.asso.fr/front_office/fiche.php?idFiche=930&TypeFiche=6 (Sylvestre-Farmer)
http://www.ajpn.org/commune-Lille-en-1939-1945-59350.html
https://fr.wikipedia.org/wiki/Lille_pendant_la_Seconde_Guerre_mondiale
https://fr.wikipedia.org/wiki/Lille