Vom 27. Mai bis 9. Juni 1941 streikten etwa 100000 Bergleute im Kohlerevier des Nord - Pas de Calais - etwa 80 % der Belegschaften. Er hatte große Auswirkungen auf die Kohleförderung und die sozialen und politischen Beziehungen zu den Unternehmern, den französischen Behörden und der deutschen Besatzungsmacht.

Wirtschaftliche und soziale Hintergründe
Der Mangel an Lebensmitteln und ihre Rationierung hatten 1940 zu einem Hungerwinter geführt. Die Grubenunternehmer hatten die Arbeitszeit ohne Lohnausgleich verlängert, u.a. um die Ablieferung an die deutschen Besatzer zu erfüllen, und versuchten, Errungenschaften der Volksfront zurückzudrehen. Im Winter/Frühjahr 1940/41 protestierten Grubenbelegschaften – in Belgien und Frankreich - mehrmals mit kurzen Streiks, die Unzufriedenheit stieg. Am 1. Mai legten etwa 100000 Arbeiter in belgischen und französischen Gruben, Stahl- und Textilbetrieben die  Arbeit nieder.
 
Vorbereitungen
Die einzige politische Kraft, den sozialen Kampf zu führen, schien die - nach dem Verbot von 1939 – in der Kohlebecken – Lage des Kohlebeckens; Quelle: Dosto, wikipediaIllegalität wiedererstarkte Kommunistische Partei Frankreichs (KPF). Unter Leitung von Auguste Lecoeur traf sie Vorbereitungen für eine Aktion im Kohlrevier, organisierte Hausfrauendemonstration gegen Hunger und für bessere Versorgung. Am 26. Mai fiel die Entscheidung für größere Streikaktionen.
Am 27. Mai forderten Michel Brulé und einige Kollegen die Bergarbeiter der Grube N° 7 ‚Dahomey‘ in Montigny-en-Gohelle auf, nicht „einzufahren“ und die Arbeit nicht aufzunehmen. Forderungen wurden formuliert und der Betriebsleitung übergeben, u.a. höherer Lohn, bessere Arbeitsbedingungen, bessere Versorgung mit Fleisch, Butter und … Seife. Der Streik breitete sich in Windeseile auf andere Bergwerke aus; am 4. Juni waren 100000 Bergleute im Streik sowie aus Solidarität Textilarbeiter/innen. Hausfrauen demonstrierten gegen den Hunger und für bessere Lebensmittelversorgung; sie zogen auch vor die Werkstore und stärkten den Durchhaltewillen schwankender Bergleute (vgl. z.B. Émilienne Mopty). Die Kohleversorgung für Paris war gefährdet. Während der einsetzenden Repression tauchten Streuzettel mit Parolen gegen die Besatzung und Kollaboration auf.
 
Repression durch deutsche Wehrmacht, französische Polizei und Unternehmer
Es vergingen einige Tage, bis Unternehmer und Sicherheitsbehörden Ausmaß und Bedeutung des Streiks begriffen. Französische Polizei und Gendarmerie versuchten, den Ausstand einzudämmen die Demonstrationen der  Hausfrauen zu unterbinden und Streikführer zu verhaften, wobei sie sich auf Namenslisten der Grubenunternehmer verließen.
 
Plakatanschlag General Niehoff, OFK 670 in Lille; Quelle: portail-pedagogique62.frDas deutsche Oberkommando OFK 670 in Lille unter General Niehoff drohte am 3. Juni per Anschlag schwere Strafen für Arbeitsniederlegung an. Schrittweise steigerte es die Maßnahmen zu einer Art Belagerungszustand: Besetzung der Gruben, Fahrverbot für Autos und Fahrräder, Schließung von Cafés und Kinos, Verkaufsverbot von Alkohol und Tabak; Flugzeuge überflogen die Bergbaugemeinden; Massenverhaftungen: Am 6. Juni um 4 Uhr früh drangen Feldgendarmen und SD in die Siedlungen ein und verhafteten 160 Personen, darunter 47 Frauen, und sperrten sie in der Kléber-Kaserne in Lille ein; am 7. Juni verurteilte das deutsche Militärgericht in eineem Schnellverfahren15 Männer und Frauen zu jahrelanger Zwangsarbeit. Die französische Polizei wagte selten, gegen die demonstrierenden Frauen vorzugehen; erst nach einigen Tagen lösten deutsche Sicherheitskräfte Demonstrationen  - gewaltsam - auf und hielten die Frauen auf Feldern gefangen. In Absprache mit den deutschen Besatzern zahlten die Unternehmer den fälligen Lohn nicht aus. Angesichts von Hunger und Gewalt beschloss die Streikführung das Ende des Streiks; am 10. Juni nahmen die Bergleute geschlossen die Arbeit wieder auf.
 
Bilanz
Große Mengen Kohle fehlten der deutschen Kriegswirtschaft, 500000 Tonnen wurden nicht gefördert. Eine Woche nach Streik-Ende erfüllten die Unternehmer wichtige Forderungen (höhere Löhne, bessere Arbeitsbedingungen und Versorgung).
 
Insgesamt wurden fast 450 Männer und Frauen verhaftet und in die Gefängnisse von Denkmal Bergarbeiterstreik
Béthune, Douai, sowie in die Kasernen Kléber bzw. Vincent in Lille bzw. Valenciennes eingesperrt. 273 von ihnen wurden nach Malines/Mechelen (Belgien) transportiert. Von dort wurden 244  in das KZ Sachsenhausen deportiert – in einem der ersten großen Deportationstransporte von Frankreich aus in die deutschen  Konzentrationslager; 141 überlebten nicht.
Zahlreiche von den Behörden Gesuchte gingen in die Illegalität; ein Teil schloss sich Kampfgruppen wie den ‚Bataillons de la Jeunesse‘ (vgl. Michel Ouzoulias) an und führten Sabotagen oder Anschläge auf deutsche Soldaten aus (vgl. Michel Brulé, Charles Debarge, Émilienne Mopty; sie wurden schließlich gefangen und hingerichtet). Viele Streikende wurden als potentielle Geiseln auf Listen eingetragen und in den folgenden Monaten als Reaktion auf Anschläge etc. bei Razzien verhaftet und in Gefängnissen und Forts erschossen bzw. später deportiert.
 
Mit zunehmender Dauer des Streiks wurden auch Parolen gegen die Besatzungsmacht und die frz. Kollaborateure in Verwaltung und Unternehmen laut (Beispiel: „Pas de charbon pour les boches“ - „keine Kohle für die Deutschen“. Der kommunistischen Streikführung gelang es, auch christliche, gaullistische und sozialistische Bergarbeiter für den Streik zu gewinnen; die PCF habe in ihnen das ‚patriotische Fieber‘ entfacht, meinten französische Behörden. Auch die PCF schrieb später von dem großen ‚patriotischen Streik‘, so steht es auch auf vielen Gedenktafeln und Denkmälern. In diesen Wochen entstand die Nationale Front des Kampfes für die Unabhängigkeit Frankreichs (vgl. Front National/ Résistance) als ein Schritt zu einer gemeinsamen ‚antifaschistischen Front‘.
 
Stele in Montigny-en-GohelleGedenken
Außerhalb des Kohlereviers war der Streik der Bergarbeiter in der französischen Öffentlichkeit kaum bekannt geworden. Er spielte auch in den ersten Geschichtsschreibungen der Nachkriegszeit über den Widerstand praktisch keine Rolle.
Gedenken vor Ort war und ist in allen betroffenen Gemeinden des (ehem.) Kohelreviers präsent.
Eine der zentralen Gedenkzeremonien findet alljährlich am Denkmal in Montigny-en-Gohelle statt.
 
Literatur/Medien
Dictionnaire historique de la Résistance, Paris 2006, S. 603-605
Dejonghe, Étienne/Le Maner, Yves: Le Nord – Pas-de-Calais dans la main allemande 1940-1944, Lille 1999, S. 192-195
Fossier, Jean-Marie: Nord – Pas-de-Calais. Zone interdite mai 1940-mai 1945, Paris 1977, S. 71ff.
http://www.cheminsdememoire.gouv.fr/fr/la-greve-des-mineurs-du-nord-pas-de-calais  
http://www.archivespasdecalais.fr/Anniversaires/Du-27-mai-au-9-juin-1941-100-000-mineurs-en-greve-dans-le-Bassin-minier