Bezirk Klaipėda
Der Ort
Dimitravas ist ein Dorf, das auf halber Strecke zwischen Kretinga und Darbėnai liegt. In der Nähe des Dorfes im Wald von Joskaudai war bereits vor 1939 ein litauisches Straflager errichtet worden, das 1940/41 vom Sowjetregime und 1941 bis 1944 von der deutschen Besatzung (in diesem Fall vom Gebietskommissariat Šiauliai) als Zwangsarbeitslager genutzt wurde.
Die Ereignisse
Ende Juli 1941 wurde 500 in der Synagoge von Skuodas inhaftierten jüdischen Frauen und Kindern befohlen, zu Fuß zum Lager von Dimitravas zu marschieren. Von Hilfspolizisten aus Skuodas bewacht, wurde der Weg in das 41km von Skuodas entfernte Lager in zwei Tagen zurückgelegt. Eine Nacht musste der Zug in Darbėnai im Freien übernachten. Zahlreiche Frauen und Kinder überlebten diese Strapaze nicht, wer nicht mehr mitkam, wurde von den Bewachern erschossen. Anwohner mussten die Leichen begraben. Im Lager wurden die Gefangenen in zwei leer stehende Baracken eingepfercht und mussten in den nachfolgenden Tagen in der Landwirtschaft arbeiten.
Am 15. August traf ein Dutzend Hilfspolizisten aus Skuodas ein. Gemeinsam mit örtlichen Freiwilligen sortierten sie 40 junge Mädchen aus, alle übrigen Frauen und Kinder wurden in den Wald getrieben. Ca 1,5km vom Lager entfernt waren am Fuße des Alka Hügels bereits vier große Gruben ausgehoben. Die Frauen wurden mit den Kindern in Gruppen zu den Gruben getrieben und dort erschossen. Verwundete und zahlreiche Kinder wurden lebendig begraben. Das Morden dauerte die ganze Nacht und wurde am Morgen fortgesetzt. In der Zeitung Mūsų Žodis vom 17. September 1966 berichtete ein Beteiligter von der Mordaktion, wie sich die Frauen gewehrt hätten, wie sie gewaltsam entkleidet, geschlagen und in die Gruben gestoßen wurden. Die Kinder wurden den Müttern entrissen und lebend in die Gruben geworfen. Dann wurden die Gruben zugeschüttet, obwohl noch Schreie und Klagen zu hören waren. „Danach stürzten wir zu ihren Besitztümern“ (zitiert in Bubnys 2003). Die 40 jungen Mädchen kamen im September 1941 in das Lager bei Darbėnai und wurden bald darauf ermordet.
Das Lager wurde anschließend weiter als Zwangsarbeitslager für politische Gefangene – laut deutschen Zeitungen: „Arbeitsscheue und politische Funktionäre aus der Bolschewistenzeit“ (Dieckmann 2011) – genutzt. Jeden Samstag veranstaltete der litauische Kreischef der Sicherheitspolizei sogenannte „Hasenhetzjagden“, bei denen die Häftlinge von der Bewachungsmannschaft wie Wild niedergeschossen wurden. Im Januar 1942 befanden sich im Lager 300 Häftlinge. Über die weitere Geschichte des Lagers ist wenig bekannt. Im Juli 1944 befreiten sich etwa 500 Gefangene selbst und zerstörten die Gefängnisunterlagen.
Im Dezember 1944 ordnete eine sowjetische Untersuchungskommission die Öffnung der vier Massengräber am Alka Hügel an. Es wurden die Leichen der 510 Opfer aus Skuodas gefunden – 31 Babys, 94 Kinder und Jugendliche, 385 Frauen – 289 der Opfer waren noch am Leben, als die Gruben zugeschüttet wurden. Nach den Ermittlungen der Kommission wurden in den Massengräbern von Dimitravas insgesamt 1.770 Opfer gefunden.
Gedenken
Von Kretinga aus fährt man auf der Straße Nr. 218 in Richtung Darbėnai. Beim Straßenschild „Dimitravas 1km“ biegt man links ab (Straße Nr. 2328, hinter einer Bushaltestelle). Man überquert einen Bahnübergang und fährt immer geradeaus. Am Dorfende von Dimitravas hört die asphaltierte Straße auf. Man folgt der unbefestigten Straße noch ca. 1km bis zu einem Holzpfeil und biegt ganz rechts diesem Pfeil folgend in einen Waldweg ein. Nach 1,3km erreicht man einen ersten schwarzen Markstein. Man folgt dem Weg links noch etwa 300 Meter zu einem zweiten Markstein und einem ersten Gedenkstein mit folgender Inschrift: “510 Juden wurden hier an diesem Ort 1941 ermordet“ (in Jiddisch und Litauisch). Nach weiteren ca. 150 Metern gelangt man über steile Treppen zum zweiten Gedenkstein.
55.97771139 21.21087500 / 55°58.6627'N 21°12.6525'E
Literatur / Medien
Bubnys, Arūnas: Holocaust in Lithuanian Province in 1941, 2003, S. 1-75 (Zitat S. 50), (abrufbar unter http://www.docscopic.pdf); Dieckmann 2011, Bd. 1, S. 669-672 (Zitat S. 670 FN 67); Bd. 2, S. 1500; Holocaust Atlas 2011, S. 85.
http://www.holocaustatlas.lt/EN/Dimitravas ("Mass Murder of the Jews kept in the Dimitravas Camp.")
http://shtetlshkud.com/holocaust-memorials-in-and-around-skuodas ("Alka Hill")
http://www.yahadmap.org/#village/dimitravas (Interview Zeitzeuge Antanas P.)
https://www.jewishgen.org/yizkor/Skuodas1/sku001.html#Page12 ("Dimitravas and Alka Hill," S.12-13)
https://www.jewishgen.org/yizkor/Skuodas1/sku106.html#Page108 (Straksys, A.: "No One Is Forgotten: Where A Silent Forest Sighs," in Mūsų Žodis vom 17. November 1966, S. 108; darin enthalten Zeitzeugenberichte und Täterberichte)
http://shtetlshkud.com/images (Auszug aus dem Vernehmungsprotokoll des Angeklagten, Meidus Albinas, vom 7. Oktober 1963 in Klaipėda, S. 40-41)